»Francesco
Petrarca: Canzoniere. Zeno.org, Canzoniere in
deutscher Übersetzung (1827) von »Karl
August Förster
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Text: Sonnet. Aus dem Italienischen Petrarchae. (Canzoniere
132) (1624
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Aspekte der
Textanalyse und Interpretation
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Petrarca und die Überbietungspoetik des Barock
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Inhaltliche, bildliche
und rhetorische Aspekte
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Bausteine
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Petrarkismus und barocke Liebesauffassung
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Liebe und Erotik im Barock
Das von ▪ Martin Opitz
(1597-1639) übersetzte und als ein Mustersonett präsentierte
Gedicht von »Francesco
Petrarca (1304-1374), das Opitz im Sinne der ▪
frühneuzeitlichen Imitatio- und
Überbietungspoetik leicht in Ausdruck und Gedankenführung
"verbesserte", gehört zu einem der 317 ▪
Sonette seines in
der italienischen Nationalsprache verfassten Gedichtzyklus »Canzoniere,
der wahrscheinlich zwischen 1338 und 1369 entstanden ist.
Das ▪ Sonett, das
"Klingedicht", eignete sich dabei in besonderer Weise, die
"Literaturfähigkeit" der deutschen Volkssprache unter Beweis zu stellen.
Wenn es gelang, die von den Humanisten im In- und Ausland als "barbarisch"
herabgesetzte deutsche Sprache, mindesten ebenso zum "Klingen" zu bringen,
wie dies bei den Vorbildern, z. B. den Werken des italienischen
Renaissance-Dichters Petrarca der Fall war, dann war damit ein Meilenstein
auf dem Weg zur gesellschaftlichen Akzeptanz der neuen "Kunstdichtung"
in deutscher Volkssprache geschafft, konnte die ▪
Dominanz
der neulateinischen Gelehrtendichtung erschüttert werden.
Petrarca hatte es in mustergültiger Weise verstanden, die vierzehn Verse
eines Sonetts, in
einem Oktett und einem Sextett bzw. in zwei Quartetten (ital. quartine,
Vierzeilern) und zwei Terzetten (ital. terzine, Dreizeilern), geordnet, formal geschliffen und inhaltlich geschlossen
so zu gestalten, dass er damit "eine
spezifische Gemütsstimmung einfangen oder eine bestimmte psychologische
Konstellation gestalten" konnte, "die faszinierte und jahrhundertelang europäische
Dichter aller Nationen zu Nachahmung und möglichem Übertreffen anreizte." (Maché
1982, S.126) Es ihm zumindest gleichzutun, wenn möglich aber noch zu
übertreffen, war das Anliegen jedes ambitionierten Übersetzers und "Umdichters"
solcher Vorlagen.

Auch Opitz begnügt sich nicht mit einer wortgetreuen und formgetreuen
Übertragung des Gedichts von Petrarca.
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So ändert er z. B. die
Reimfolge in den beiden ersten Quartetten. Üblichweise wurden nämlich in
einem Sonett die Reimpaare des ersten Quartetts (abba) im zweiten
Quartett wiederholt. Opitz gestaltet das zweite Quartett aber mit einem
neuen Reimpaar (cddc). Es ist anzunehmen, dass Opitz damit einfach
experimentiert hat, so wie dies auch in der französischen und
italienischen Literatur der Zeit vorgekommen ist. (vgl.
Maché
1982, S.129)
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Im Gegensatz zu
Petrarca gestaltet Opitz die Quartette (das Oktett) und die Terzette
(das Sextett) so, dass sie sich klar voneinander und die
unterschiedliche inhaltliche Ausrichtung der beiden Einheiten
unterstreichen. Im Oktett von Opitz geht es darum, wie die Liebe mit dem
Verstand zu erfassen ist, im anschließenden Sextett darum, wie es dem
Liebenden dabei emotional ergeht.
Die Veränderungen, die Opitz an der Vers- und Strophengestaltung vornimmt,
mögen auf den ersten Blick nicht sonderlich ins Gewicht fallen. Bei
genauerem Hinsehen aber lässt sich erkennen, dass er er damit die ▪
inhaltlichen Aussagen des Gedichts
"verdichtet", indem dessen klar konturierte strukturelle Gestaltung in einen
der ästhetischen Erfahrung leichter nachvollziehbaren Funktionszusammenhang
von Form und Inhalt bringt.
Zugleich zeigen die Veränderungen, dass auch Opitz bei seiner Übersetzung
den Prinzipien der Nachahmungspoetik (Imitatio) folgt, die anspruchsvolle
Veränderungen einer hochbewerteten Vorlage als künstlerische Neuschöpfung
bewertet und lizenziert.
Gewiss hatte Opitz mit seiner "Verbesserung" des Originaltextes von
Petrarca auch im Sinn hatte, die Akzeptanz des Dichtens in der Muttersprache
unter den lateinischen Gelehrten zu verbessern." (Aurnhammer
2006., S.193), zumal die die noch immer am Latein festhaltenden Dichter
auch ▪
mindestens fünf verschiedene hochartifizielle Übersetzungen und Umdichtungen
der italienischen Vorlage zustande gebracht haten, um die "Modernität" und
Überlegenheit der lateinischen Sprache unter Beweis zu stellen.
ebd., S.191)
Zugleich gehört es natürlich auch zu seiner eigenen
Selbstdarstellungsstrategie, die ja bei ihm wie auch bei den anderen
Gelehrtendichtern der Zeit stets auch mit der Vorstellung verbunden ist,
sein eigenes» soziales
Kapital (Bourdieu) als Voraussetzung für die ▪
Verwirklichung seiner sozialen
Augstiegsambitionen in der
▪
Ständegesellschaft seiner
Zeit zu erhöhen.