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Text Google Books
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Auswahl zeitgenössischer Liederbücher (externe Links)
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Barock (1600-1720)
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Lyrik des Barock
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Überblick
Der Titel der Liedsammlung ▪ Venus-Gärtlein (1656),
die wohl die bedeutendste Sammlung ihrer Zeit darstellt (vgl.
Richter 2010,
S.113),
lautet in voller
Länge: Venus-Gaertlein: Oder Viel Schoene, außerlesene Weltliche
Lieder, allen zuechtigen Jungfrawen vnd Jungen=Gesellen zu Ehren, vnd durch
Vermehrung etlicher newer Lieder zum andernmahl in Druck verfertigt.
In den erweiterten Titeln früher Liedersammlungen findet sich häufig der
Hinweis darauf, dass sie "lieblich" oder "lustig zu singen" seien. mitunter
werden die Lieder auch als "possierlich" bezeichnet. Während solche
Formulierungen die Abgrenzung zu den geistlichen Liedern verdeutlichten,
sind die oft äußerst langen blumig-mythologisierend wirkenden Gesamttitel
wohl eher eine Verkaufsstrategie als ein Hinweis auf die in einer
Liedsammlung wirklich enthaltenen Lieder.
Der
Haupttitel der Sammlung "Venus-Gärtlein" reiht sich ein in
andere Liedsammlungen des 17. Jahrhunderts, die gerne mit dem Namen der
Liebesgöttin Venus verbunden wurden,
Vor allem in der ▪
Renaissance inspirierte »Venus,
die Göttin der Liebe und Schönheit viele Künstler, darunter Dichter wie »William
Shakespeare (1564-1616) oder Maler wie »Sandro
Botticelli (1445-1510),
Titian
(um1488-1576) und viele andere, die die Göttin in vielfältigen Posen,
manchmal mit ihrem Gatten »Vulcanus,
dem Gott des Feuers, ihrem Bewunderer, dem Kriegsgott »Mars
oder ihrem Sohn »Cupido
dargestellt haben.
Und auch deutsche Komponisten der Spätrenaissance widmeten ihr Hunderte von
Liedern. Allein in den ersten zwei Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts wurden
mehr als ein halbes Dutzend von Liedsammlungen mit Venus im Titel benannt.
Dazu zählen z. B. »Valentin
Haußmanns (1560–vor 1613/1614) »Venusgarten
(1602), »Johann
Hermann Scheins (1586-1630) »Venuskränzlein
(1609), »Johann
Stadens (1581-1634)
Venuskräntzlein (1610), »Johann
Lyttichs (1581/1584–nach 1611)
Venus-Glöcklein 1610, »Ambrosius
Metzgers (1573-1635) Venusblümlein (1611), »Valentin
Haußmanns und »Hans
Leo Hasslers (1564-1612) »Venusgarten
(1615) und »Johann
Christenius’ (1565-1626) Guelden Venus Pfeil (1619). (vgl.
McMullen 2003,
S.231f.)
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Das Venus-Gärtlein als Liederbuch des
17. Jahrhunderts
Das Venus-Gärtlein ist
als ▪
Liederbuch
die wohl die bedeutendste Sammlung im 17. Jahrhundert
in Deutschland (vgl.
Richter 2010,
S.113). Buchformate dieser Art betitelten sich selbst als Liedersammlung und
stellten darin unterschiedliche Texte
zusammen, zu denen auch Gedichte, Lieder i. e. S.,
Epigramme oder auch Sonette
gehören konnten. (Beispiel: »David Schirmer
(1623-1686) »Singende Rosen
(1654)
Der Sammler der Lieder des Venus-Gärtleins ist namentlich nicht
bekannt. Und auch die Volkslieder und volkstümlichen Kunstlieder, die er in
seiner Sammlung zusammengestellt hat, sind ohne ihre Dichter und ohne den
Hinweis, auf welche andere Liedsammlung bei der Zusammenstellung
zurückgegriffen worden ist.
Seine Quellen sind aber, das hat
Waldberg (1896) bei seiner (Neu-) Edition des Venus-Gärtleins
ermittelt, neben Einblattdrucken die Liedersammlungen beliebter Autoren der
Zeit.
Schon
Waldberg (1896, S. VII) hat betont, dass kein anderes Liederbuch der
Zeit "eine so reichhaltige Auswahl der verschiedensten Liedergattungen
(enthält) wie das VG. Das ältere deutsche Volkslied [...], Lieder aus der
zweiten Hälfte des 16. Jahrhundert, die volkstümlich gewordenen Lieder der
Kunstdichtung" (z.B. die sangbaren Gedichte von »Simon
Dach (1605-1659),
Philip von Zesen (1619-1689, »Johann
Rist (1607-1667), Johann Christoph Göring (1624–1684)) aber auch
"Volkslieder mit
neidhartischen Motiven neben sentimental unwahren Schäferliedern, Trink-
und Sauflieder aus den Kreisen der derberen Gesellschaftsdichter" (z. B. »Georg
Greflinger (1620-1677)und Gottfried
»Finckelthaus (1614-1648)),
"zarte Liebesdichtungen neben rohester Verhöhnung der Frauen finden sich bei
einander, eine Sammlung, so recht für den wechselnden und verschiedenartigen
Geschmack eines grossen Publikums berechnet. Und das VG scheint diese grosse
Gemeinde, für die es bestimmt war, gefunden zu haben, und es wird ohne
Zweifel eines der beliebtesten Gesangsbücher um die Mitte des 17.
Jahrhunderts gewesen sein."
Dementsprechend hat der Sammler des Venusgärtleins manche Lieder direkt aus den
ihm vorliegenden Drucken entnommen. Andere hat er wohl aus
dem Gedächtnis aufgezeichnet, die zum Teil auch erkennen lassen,
wie die Lieder umgesungen wurden.
(vgl.
Classen 2010,
S.113)
So nimmt das Venusgärtlein z. B. Lieder aus »Gottfried Finckelthaus'
(1614-1648) »Deutsche Gesängen (1640)
oder Lieder aus »Georg
Greflingers (1620-1677) Liederbuch
»Seladons
Weltliche Lieder (1651, mit beigefügtem Notenmaterial) u. a. auf,
was in einer Zeit, in der es noch keinen Urheberrechtsschutz gab, keine
Probleme bereitete.
Vom Venus-Gärtlein sind lediglich drei Auflagen erhalten sind, und das
nur jeweils in einem einzigen Exemplar (1656, 1659, 1661). Dennoch ist
offenbar davon auszugehen, dass es noch mindestens drei weitere gegeben hat.
(vgl.
ebd.)
Die Zielgruppe der Liedsammlungen
Sammlungen solcherart zusammenzustellen, war an sich
nichts besonderes und auch bei den Vertretern der neuen ▪ "Kunstdichtung"
wie z. B. ▪
Martin Opitz
(1597-1639)
(1624,1625), dessen Werkanthologien ja ebenfalls eine Vielzahl
unterschiedlicher Texte und Textsorten nebeneinander, im Falle der Lieder (lyrica)
aber unter diesem Oberbegriff zusammengefasst, präsentierten, durchaus
üblich.
Die Auswahl der im Venus-Gärtlein enthaltenen Lieder sollte einen
großen Adressatenkreis ansprechen und konnte dies, weil die Liedanthologie
eine besonders vielfältige Auswahl von Liedern unterschiedlicher Gattungen
und verschiedener Stilniveaus zusammenstellte. Nach
Classen (2010,
S.213) lassen sich von den 169 Liedern, die das Liederbuch umfasst, etwa
120 der barocken Kunstdichtung und die restlichen großenteils der älteren
populären Volksliedtradition zuordnen.
Im Venus-Gärtlein finden sich daher neben den
Kunstliedern auch "archaische Volksballaden wie das
jüngere Hildebrandslied, historische Lieder von Störtebecker, Lindenschmidt
und das Magdeburglied (O Magdeburg, halt dich feste, auf Magdeburgs
Eroberung 1551) neben einer Hofweise Heinrich Fuchs (Ach hertziges Hertz)
Liebeslieder aus Forsters Sammlung, aber auch ein altes Spottlied auf die
Leineweber (▪
EIN Schneider und ein Ziegenbock (Nr. 22)."
(ebd.)
Das Venus-Gärtlein präsentiert in seiner Sammlung lediglich die Texte,
setzt also voraus, dass die Melodien bekannt sind. Wo es ausdrücklich darauf verweist, spricht es vom
"Ton" oder von "Weise", Ob die Leserinnen und Leser des schlichten Liederbuchs,
das ohne weitere Ausschmückungen durch Kupferstiche o. ä. auskommt,
überhaupt hätten Noten lesen können, ist eher zweifelhaft. Und einen Vorteil
hatte der Verzicht auf Noten dazu: Man konnte durch den Hinweis auf eine
andere, gerade ganz besonders beliebte "Weise" einfach zum "Umsingen" des
bekannten Textes animieren. (vgl.
Richter 2010,
S.22)
Keine gattungsmäßige Einordnung
In den
Liederbüchern der Zeit, die immer mehr und umfangreicher wurden, spielte die
gattungsmäßige Einordnung der Texte eigentlich keine Rolle. Und darauf kommt
es auch hier ebenso wenig an, wie auf eine detaillierte Formanalyse.
Einblicke in die Mentalitätsgeschichte der Zeit
Als Teil der ▪
deutschsprachige Popularliteratur
sollen die hier ausgewählten Lieder den Blick auch auf die zeitgenössische "volkstümliche" ▪
Lieddichtung
ermöglichen, die im Alltagsleben der Menschen unterschiedliche Funktionen besaß.
Wer sich mit dieser Lieddichtung befasst, gewinnt eben einen ▪
Einblick in sozial- und mentalitätsgeschichtliche Aspekte der Zeit, der
den Schematismus des ▪ Dualismus von Carpe diem und
Memento mori als
das
Lebensgefühl des sogenannten barocken Menschen schlechthin hinter sich
lassen kann. (vgl.
Classen 2010, S.291) Der Vorzug der Liederbuchsammlung ist es auch, dass
es, weil es wohl nur Lieder enthält, die zu dieser Zeit auch wirklich
populär waren, einen besonders guten Einblick verschaffen kann. (vgl.
ebd., S.295)
Natürlich darf
man die Auswahl der Liedtexte, die der Sammler, über diesen
Auswahlentscheidungen wir ja nichts wissen, vorgenommen hat, nicht als
repräsentative Auswahl genau der Lieder verstehen, die in der Zeit besonders
populär waren. Es ist natürlich eine subjektive Auswahl und hat damit auch
den Charakter einer privaten
Liebhabersammlung. Dennoch ist anzunehmen, dass er darum bemüht war,
viele der Lieder, die in seiner Zeit tatsächlich angesagt waren, in seine
Sammlung aufzunehmen.
Dabei passt
die Tatsache, dass gerade auch in einem der populärsten Liederbücher der
Zeit, wie dem Venus-Gärtlein, sich die Krisenerscheinungen der Zeit
mit ihren "gesellschaftlichen Spannungen, den leidvollen Erfahrungen der
Menschen, die ja fast in allen Bereichen von den Auswirkungen des großen
Krieges gezeichnet waren" (Richter
2010, S.115), trotz seiner thematisch ansonsten breit gefächerten
Auswahl fast gar nicht niedergeschlagen haben. Ob das Venus-Gärtlein daher eine Art "Gute-Laune"-Liederbuch
für Menschen dieser Zeit war, mit dessen Hilfe sich die Menschen von den
Widrigkeiten und Katastrophen ihres Lebens ablenken wollten und sollten,
kann vermutet, aber letzten Ende nicht belegt werden. Was die Art der
Auswahl und das Ausblenden so wichtiger Teile der sozialen Wirklichkeit der
Zeit aber zeigt, ist, dass sich so etwas wie
ein barockes Lebensgefühl, nicht so
einfach herausdestillieren lässt, wie dies immer wieder getan wird.
Lange Zeit hat die Literaturwissenschaft die Liederbücher links liegen
gelassen.
Inzwischen hat die Liederbuchforschung allerdings schon Lücken schließen können und
auch ▪
etliche frühneuzeitliche Liederbuchsammlungen stehen heute über das
Internet in digitalisierter Form zum Abruf bereit.
Die Entscheidung auf teachSam einige der Lieder aus einem einzigen
Liederbuch der Zeit zu präsentieren und für den Literaturunterricht zu
erschließen, ist dabei nicht davon geleitet, den fachwissenschaftlichen
Anschluss an die im letzten Jahrzehnt in Schwung gekommene
literaturwissenschaftliche Liederbuchforschung zu vollziehen. Das kann und
soll hier also nur in einem vergleichsweisen geringen Umfang geschehen.
Die Auswahl der in diesem Arbeitsbereich vorgestellten Lieder aus dem
Venusgärtlein ist dabei von
der Absicht geleitet, einen Eindruck von der volkstümlichen Liedkultur der
frühen Neuzeit bzw. der Barockzeit zu vermitteln, die sonst im Schatten der
an den mehr oder weniger normativen Vorgaben der
Literaturepoche Barock
stehen, die ▪
insbesondere in der Schule im wesentlichen auf die
Höhenkammliteratur
der neuen ▪ "Kunstdichtung mit so namhaften Autoren wie z. B. ▪
Martin Opitz
(1597-1639),
▪ Paul
Fleming (1609-1640), ▪
Christian Hofmann von Hofmannswaldau
(1616-1679), ▪ Andreas Gryphius
(1616-1664) oder auch ▪
Paul
Gerhardt (1607-1666) fokussiert ist.
Max Freiherr von
Waldberg (1890) hat Ende des 19. Jahrhunderts das Venus-Gärtlein(1648) (▪
Text Google Books) mit seinen Lieder editiert und dabei
vor allem betont, dass die Liedersammlung aus dem 17. Jahrhundert
mittelalterliche und frühneuzeitliche Liedtradtionen bewahrt und daran
angeschlossen habe.
▪
Text Google Books
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Auswahl zeitgenössischer Liederbücher (externe Links)
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Barock (1600-1720)
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Lyrik des Barock
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Überblick
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
23.12.2023
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