Philipp von Zesen (1619-1689)
Das sechste Lied
Halt! du schöner Morgenstern,
Bleibe fern,
Und du güldne Nachtlaterne,
Halt der weißen Pferde Lauf
Itzund auf;
5
Steht ein wenig still Ihr Sterne.
Gönne mir die süße Ruh,
Sonne du,
Lass uns doch der Liebe pflegen,
Lass den kühlen Reif und Tau
10
Auf der Au
Noch ein wenig unsert wegen!
Ist doch meine Liebste mir
Sonn' und Zier,
Die mich itzund in den Armen
15
In den zarten Armen weiß
Die mein Preis
Und mich also lässt erwarmen.
Und du wunderschönes Licht,
Die ich nicht
20
Nach der Gnüge kann beschreiben
Lass der hellen Augen Schein
Bei mir sein,
Bis der Tag die Nacht wird treiben.
Wie hat mich dein roter Mund
25
Doch verwundt?
Das zweifache Schild mich zwinget,
Das vor deinem Herzen steht
Wie ein Beet
Da der Lilien Pracht aufspringet.
Ach! Entschlage dich ja nicht,
30
Schönes Licht,
Dieser Lust in deiner Jugend,
Brauche deiner Lieblichkeit
Und der Zeit,
Schadt es doch nicht deiner Tugend.
35
Lass uns immer freudig sein;
Nacht und Wein
Reizen uns itzund zum Lieben;
Dann wann Liebe, Nacht und Wein
Bei uns sein,
40
Kann uns Langmut nicht betrüben.
Worterläuterungen:
Z 6 |
itzund |
jetzt |
Z 11 |
Au |
die Aue (an einem fließenden Wasser gelegenes,
flaches Gelände mit saftigen Wiesen und verstreuten Büschen oder
Bäumen) |
Z 17 |
mein Preis |
der Gegenstand meines Lobpreisens |
Z 21 |
nach der Gnüge |
genügend, ausreichend |
Z 30 |
sich entschlagen |
auf etwas verzichten |
Z 41 |
Langmut |
Geduld, Fähigkeit, warten zu können; davon
Bedeutungsaspekt Beherrschung im Sinne von Enthaltsamkeit,
Bedürfnislosigkeit, Mäßigung, Abstinenz, Entsagung, (vgl.
http://synonyme.woxikon.de/synonyme/langmut.php)
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