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Mainzer Republik 1792/1793
Die
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Literaturepoche
des literarischen ▪Jakobinismus
lässt sich ohne eine Klärung dessen, was unter einem deutschen Jakobiner zu
verstehen ist, kaum erfassen.
Wenn es aber schon der französischen Geschichtsschreibung angesichts der
Vielfältigkeit von Aktionen, Verhaltensformen und sozialer Herkunft schwer
fällt, einen allgemein anerkannten Jakobinismusbegriff zu entwickeln, hat
dies auch für die deutsche Variante Folgen. Es ist gar nicht so leicht zu
sagen, was ein »Deutscher Jakobiner« ist.
Etwas Orientierung schafft dabei, wenn man weiß, wissen, wer zu ihnen
gezählt wird. Das sind die Mitglieder des »Mainzer
Jakobinerklub (Frauen waren von der Mitgliedschaft ausgeschlossen) u. a. der Mainzer Bibliothekar, Forscher und
Weltreisende »Georg
Forster (1754-1794), der Mainzer Bibliothekar und Professor »Friedrich
Lehne (1771-1836), der Mainzer Universitätsprofessor »Andreas
Joseph Hofmann (1752-1849), der Publizist »Georg
Friedrich Rebmann (1768-1824), »Adolph
Freiherr Knigge (1752-1796), der Theologe und Kirchenrechtsgelehrter,
Mitbegründer der Mainzer Republik »Georg
Wilhelm Boehmer (1761-1839), der Mainzer Arzt »Georg
Wedekind (1761-1831) u. a. Daneben gibt es aber auch eine Reihe von
Jakobinern »in
Nord- (z. B. »Johann
Albert Heinrich Reimarus (1729-1814), »Eulogius
Schneider (1756-1794), »Georg
Heinrich Sieveking (1751-1799) und in »Westdeutschland
(z. B. »Franz
Theodor Biergans (1768-1824) sowie »in
Wien.
Der Sammelbegriff »Deutsche Jakobiner« umfasst drei
verschiedene Bewegungen im deutschsprachigen Raum, die wegen des Fehlens
institutionalisierter Parteien auch immer wieder ineinander übergehen
konnten.
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Kosmopolitische, bürgerliche Aufklärer und Publizisten
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räumen der politischen vor der sittlichen Emanzipation den Vorrang
ein
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wollen demokratische Errungenschaften der
französischen Revolution auf Deutschland übertragen
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orientieren sich ideologisch in der Phase der französischen Republik
am Sieg der Revolution
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vertreten gesellschaftlich die Interessen der mittleren und unteren
Schichten
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Spontane Protestbewegungen von Bauern und städtischen
Unterschichten gegen die traditionellen Machteliten
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spontane Unruhen und Aufstandversuche, zunächst in Sachsen und
Schlesien, dann auch in Süddeutschland
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wollen aristokratische Privilegien beseitigen, das Steuersystem
verändern, die Lebensbedingungen der unteren Schichten verbessern
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Konstitutionelle Klubs und Volksgesellschaften der Handwerker und
Kaufleute, die während der Herrschaft des Direktoriums im besetzten
Rheinland entstehen (Neojakobinismus)
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zielen nicht darauf ab, Bevölkerung zu revolutionären Aktionen zu
bewegen
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laufen wegen der französischen Okkupation nicht Gefahr, von den
traditionellen Machthabern verfolgt zu werden
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kritisieren die zunehmende härtere Ausbeutung durch die
französischen Okkupanten
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Hauptkampfmittel: Massenpetitionen an die französischen
Verwaltungsbehörden
(vgl.
Walter Grab 1984, S.35)
Da die deutsche Jakobinerbewegung weder über ein Programm verfügte, noch
eine über die ganze Zeit der französischen Revolution feststehende
Erscheinung gewesen ist, kristallisiert sich der deutsche
Jakobinismusbegriff nach Walter Grab um ein entscheidendes Kriterium
herum, nämlich "die Erkenntnis, dass der Sturz des Privilegiensystems
notwendig sei und nur durch den Sieg der Revolution in Frankreich und durch
gemeinsame Aktionen aller antifeudalen Bevölkerungsklassen in Deutschland
herbeigeführt werden könne." (Walter
Grab 1984, S.35)
Unter den besonderen Bedingungen im deutschsprachigen Raum, in dem das
Bürgertum als im Gegensatz zu Frankreich keineswegs als Motor der
gesellschaftlichen Änderung verstand, kamen die rund 300 jakobinischen
Publizisten und Literaten Deutschlands in der Regel aus der Bildungsschicht,
nur wenige entstammten dem wohlhabenden Patriziat der Reichs- und
Residenzstädte. "Fürstendiener, Räte, Secretarien, Beamte, Offizianten"
(Freiherr Adolph von Knigge) zählten dazu, wie auch einzelne Adelige, die
sich wie der Freiherr von Knigge oder Friedrich Freiherr von der Trenck in
ihrer Parteinahme für die unteren Schichten die Ideen der Demokratie zu
eigen machten. Unter den deutschen Jakobinern fanden sich viele katholische
Priester, Advokaten, Lehrer und Erzieher, Ärzte und Schauspieler, die sich
entweder in den überkommenen Rechtssystemen der alten Ordnung gut auskannten
oder ihre berufliche Tätigkeit in großer Volksnähe ausübten. Ihnen waren die
einschlägigen Schriften der Aufklärungsliteratur ebenso vertraut wie die
sozialen Missstände, die an der Basis der Gesellschaft herrschten. (vgl.
Walter Grab 1984, S.49f.)
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Mainzer Republik 1792/1793
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
09.07.2021
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