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Mainzer Republik 1792/1793
"Die Tendenz, die Plebejer in Stadt und Land über ihre Interessen
aufzuklären, und die Einsicht in die Notwendigkeit, mit dem Volk und für das
Volk politische Rechte zu erkämpfen, ohne die alle Gleichheits- und
Freiheitsforderungen blutleere Schemen bleiben mussten, trennten die
deutschen Jakobiner von der großen Masse der deutschen Intellektuellen, die
1789 voller Begeisterung gewesen waren, aber beim Anstieg auf die Gipfelhöhe
des Berges, der Montagne, unter Atemnot zu leiden begannen und der
Revolution beim Beginn der Jakobinerherrschaft den Rücken kehrten." (Walter
Grab 1984, S.51)
Mit diesen treffenden Worten bringt Walter Grab die Veränderungen in den ▪
Einstellungen verschiedener Intellektueller in Deutschland zur Sprache,
die sich im Verlauf der französischen Revolution vollzogen haben.
Die politische Praxis der Jakobiner beruht bei ihrem Bemühen um die
revolutionäre gesellschaftliche Umgestaltung auf den Prinzipien von
Volksverbundenheit und Völkerfreundschaft.
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Die
Volksverbundenheit der Jakobiner zeigt sich in den
zahlreichen Schriften, Aufrufen und Appellen, die sich an das einfache
Volk, die Bauern und städtischen Unterschichten, richteten. In der
literarischen Praxis wird, unter dem Begriff der Volkstümlichkeit
zusammengefasst, das Prinzip der Volksverbundenheit zur maßgebenden
ästhetischen Kategorie.( vgl.
Inge Stephan 1982, S.168,
Stephan, Das jakobinische Literaturkonzept) Dass darüber
hinaus auch Impulse aus dem in lokalen Unruhen und Bauernaufständen
agierenden einfachen Volk in die jakobinische Bewegung Eingang gefunden
haben, unterstreicht die Bedeutung dieser Volksverbundenheit in der
jakobinischen Praxis.
Nur wenn volksverbundene, vertrauenswürdige und zuverlässige Demokraten
die Macht innehätten, so die gängige jakobinische Auffassung, konnte die
Entwicklung vom Untertanen zum mündigen, seine Freiheit selbst
gestaltenden Bürger gelingen.
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Die
Völkerfreundschaft der Jakobiner resultiert aus dem
Verständnis von Brüderlichkeit als einem der Leitbegriffe der
französischen Revolution. Versteht man darunter Volksverbundenheit, dann
besitzt der Begriff Brüderlichkeit eine soziale und als Völkerfreundschaft
verstanden eine nationale Dimension. Die nationale Dimension der
Brüderlichkeit mündete in das von der französischen Konstituante und dem
Konvent allen Völkern zuerkannte
nationale Selbstbestimmungsrecht.
Dabei wurde zwischen patriotischen und kosmopolitischen Ideen kein
Widerspruch empfunden.
"Die kosmopolitische Idee der deutschen Jakobiner beruhte auf der
Überzeugung, dass die französische, vom Volkswillen legitimierte
parlamentarische Rechtsordnung prinzipiell sittlicher sei als die
Willkürregimes der absolutistischen Mächte.
Als Weltbürger fühlten sie
sich als Vorkämpfer für die Befreiung ihrer eigenen Nation vom feudalen
Joch. Die europäischen Staaten boten sich ihnen als ein einheitliches
Terrain dar, in dem die »Vernunft« mit dem »vielköpfigen Ungeheuer des
Despotismus« im Kampf lag." (Walter
Grab 1984, S.53)
Völkerfreundschaft war es auch, was die deutschen Jakobiner dazu
veranlasste, für die Emanzipation und Gleichberechtigung der Juden
einzutreten, deren spektakulärste Aktion vielleicht die
Zerschmetterung
der Ghettotore in Bonn 1797 gewesen ist.
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Mainzer Republik 1792/1793
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
09.07.2021
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