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Mainzer Republik 1792/1793
Lesegesellschaften, Freimaurerlogen, Publizistik und das Theater stellten
die wichtigsten Plattformen zur Verbreitung jakobinischen Gedankenguts dar.
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In den einigen hundert
Lesegesellschaften (Lesezirkel) des
deutschsprachigen Raums, die meist schon Mitte des 18. Jahrhunderts
entstanden waren, entwickelte in der Revolutionszeit ein reger politischer
Meinungsaustausch. Nicht zu Unrecht sahen viele Obrigkeiten in den
Lesegesellschaften der Zeit politische Klubs, in denen radikale Demokraten
die Wortführer waren.
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In den
Freimaurerlogen mit ihren meist über Binnengrenzen
hinausreichenden Verbindungen, deren Mitglieder die meisten deutschen
Jakobiner gewesen waren, konnten die Demokraten das Ideal bürgerlicher
Gleichheit leben, was ihnen in der gesellschaftlichen Realität verwehrt
war. So stehen diese Freimaurerbünde auch für "ein Zeichen der Schwäche
des deutschen Bürgertums, das nicht imstande war, den absolutistischen
Staat und die hierarchische Ständeordnung" zu beseitigen. (Walter
Grab 1984, S.55)
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Die Publizistik war das wirksamste Mittel jakobinischer
Agitation. Sie hatte vier Aufgaben:
Das volkstümliche Literaturverständnis und das Prinzip der
Parteinahme bilden dabei die Grundlage der publizistischen Praxis der
Literaturepoche
des Jakobinismus,
die sich mit ihren ästhetischen Kategorien klar von dem abstrakten
Schönheitsbegriff der
Weimarer
Klassik abhob.
Jakobinische Literatur und Publizistik ist immer
operative Literatur als ein Element politischer Praxis.
Sie weist eine große Gattungsvielfalt auf und reicht von schwer
verständlichen staatstheoretischen Werken bis zu satirischen Romanen,
Zukunftsutopien, Reisebeschreibungen, Agitationsbroschüren, kritischen
Kommentaren zum Zeitgeschehen und allen Formen politischer
Gebrauchsliteratur wie Anschlagzettel, Flugblätter u. ä. (vgl.
Walter Grab 1984, S.57;
Haasis 1988, Bd.1, S.188 (»Haasis,
Politische Gebrauchsliteratur) Inge
Stephan 1982, S.170 »
Stephan,
Die jakobinische Literaturpraxis)
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Das
Theater war angesichts des weit verbreiteten
Analphabetismus ein sehr wirksames Mittel zur Aufklärung der unteren
Schichten und zur Verbreitung jakobinischer Ideen. Das
»Bürger-National-Theater« in Mainz zur Zeit der
Mainzer Republik 1792/93 spielte eine ganze Reihe revolutionärer
Stücke, die Themen auf die Bühne brachten, mit denen sich die Mainzer
Jakobiner auseinander zu setzen hatten.
Neben diesen mehr öffentlichen Plattformen für die jakobinische Agitation
darf aber nicht übersehen werden, dass die meisten Jakobiner unter der
Verfolgung durch die Obrigkeiten zu leiden hatten. "Da sich manche Verleger aus Furcht vor der Obrigkeit weigerten,
demokratische Schriften herauszugeben, waren die Jakobiner oft genötigt,
ihre Schriften illegal zu verbreiten. Eine
Reihe von Aufrufen und
Revolutionsgedichten liegen nur handschriftlich vor. Zahlreiche Streiter für
ein demokratisches Deutschland mussten
mit geschlossenem Visier auf den
Schauplatz treten und ihre Schriften anonym oder pseudonym und unter Angaben
von falschen und fingierten Druckorten erscheinen lassen." (vgl.
Walter Grab 1984, S.58f.)
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Mainzer Republik 1792/1793
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
09.07.2021
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