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Literaturepoche Jakobinismus (1789-1796) - Textauswahl

Revolution

Georg Forster (1793)


FAChbereich Deutsch
Glossar
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Mainzer Republik 1792/1793

Die Revolution ist – vorausgesetzt, dass sie nach unserer generalisierten Definition lüstern sind – die Revolution.[...]

Die öffentliche Meinung ist also bei uns in Absicht auf die Natur der Revolution jetzt so weit im klaren, dass man es für Wahnsinn halten würde, ihr Einhalt tun oder Grenzpfähle stecken zu wollen. Eine Naturerscheinung, die zu selten ist, als dass wir ihre eigentlichen Gesetze kennen sollten, lässt sich nicht nach Vernunftregeln einschränken und bestimmen, sondern muss ihren freien Lauf behalten. Etwas ganz anderes, ganz davon Unabhängiges ist es aber, dass diejenigen, die von diesem Strudel ergriffen sind, ihr eigenes Betragen nach wie vor vernunftgemäß einzurichten suchen. [...]

Seitdem man bei uns die Revolution als eine neue unaufhaltsame Schwungkraft anzusehen gelernt hat, haben sich viele von ihren Gegnern wieder mit ihr ausgesöhnt; [...] Das neulich erlassene Dekret des Nationalkonvents, dass die Regierung in Frankreich bis zum Frieden revolutionär bleiben soll1, ist der eigentlichste Ausdruck der öffentlichen Meinung, dass die Revolution sich so lange fortwälzen müsse, bis ihre bewegende Kraft ganz aufgewendet sein wird.

Diese bewegende Kraft ist allerdings nichts rein Intellektuelles, nichts rein Vernünftiges; sie ist die rohe Kraft der Menge. Insofern, wie Vernunft ein vom Menschen unzertrennliches Prädikat ist, insofern hat sie freilich auf die Revolution ihren Einfluss, wirkt mit in ihre Bewegung und bestimmt zum Teil die Richtung; aber präponderieren2 kann sie sie nicht, und wenn – wie wir doch nicht in Abrede sein wollen? – die Revolution einmal im Rate der Götter beschlossen war, durfte sie es auch nicht, weil ihre Präponderanz3 an und für sich nur die Revolution hemmen, nie sie treiben und vollenden kann. Ich würde sie die echte vim inertiae4 nennen, wenn ich es mit einem Physiker zu tun hätte; denn einmal überwunden von der Stoßkraft, dürfte dennoch in ihr selbst der Grund jener langen Dauer liegen, womit die Revolutionsbewegung so manchen unerfahrenen Beobachter in Erstaunen setzte.

Als Necker5 dieses große, nicht zu berechnende Mobil der Volkskraft anregte, wusste er nicht, was er tat. Die ersten Anfänge der Bewegung waren aber wegen des Umfangs, der Masse und des Gewichts so unmerklich, dass Klügere als er sich täuschten und diese Triebfeder umspannen zu können sich vermaßen. Allein bald entwand sie sich aus ihren ohnmächtigen Händen! – Es entstand ein chaotisches Ringen der Elemente; es erfolgten die heftigsten Konvulsionen, die furchtbarsten Erschütterungen. Kleinere gegenstrebende Bewegungen wurden von den größeren, allgemeineren verschlungen; so gab es denn eine gleichartige Bewegung, oder mit anderen Worten: der Wille des Volks hat seine höchste Beweglichkeit erlangt, und die große Lichtmasse der Vernunft, die immer noch vorhanden ist, wirft ihre Strahlen in der von ihm verstatteten Richtung. [...]

Die Erscheinungen unter dem Joche des Despotismus können denen, die sich während einer republikanischen Revolution ereignen, sehr ähnlich sehen und die letzteren sogar einen Anstrich von Fühllosigkeit und Grausamkeit haben, den man dort wohl hinter einer sanfteren Larve zu verbergen weiß; doch sind sie schon um deswillen himmelweit verschieden, weil sie durch ganz verschiedenartige Kräfte bewirkt werden und von der öffentlichen Meinung selbst einen ganz verschiedenen Stempel erhalten. Eine Ungerechtigkeit verliert ihr Empörendes, ihr Gewalttätiges, ihr Willkürliches, wenn die öffentliche Volksmeinung, die als Schiedsrichterin unumschränkt in letzter Instanz entscheidet, dem Gesetze der Notwendigkeit huldigt, das jene Handlung oder Verordnung oder Maßregel hervorrief.

* »Georg Forster (1754-1794), Schriftsteller, Naturkundler und Ethnograph. Sein Werk »Reise um die Welt (1778-1780)«  ist ein Klassiker der deutschen Reiseliteratur;  zwischen 1772 und 1775  gemeinsam mit seinem Vater Teilnahme an der zweiten Weltumsegelung von James Cook; 1785 Heirat mit Therese Huber, eine der ersten freien Schriftstellerinnen deutscher Sprache; von 1778 bis 1784 Professor in Kassel, danach in Wilna (1784-1788), anschließend  Universitätsbibliothekar im Kurfürstentum Mainz; begeistert von den Idealen der Französischen Revolution 1790 Reise mit Humboldt durch die Niederlande, Großbritannien und Frankreich; nach der Besetzung von Mainz (Mainzer Republik 1792/93)durch französische Truppen am 21. Oktober 1792 Mitglied des Mainzer Jakobinerklubs; ein Jahr stellvertretender Vorsitz im Rheinisch-Deutschen Nationalkonvent; aus  dieser Zeit zahlreiche Reden, Flugschriften und Pamphlete in der Zeitung »Der Volksfreund«; nach der Rückeroberung von Mainz durch die preußische Armee unter Reichsacht und konnte daher nicht mehr in die Stadt zurückkehren; stirbt politisch isoliert und verarmt am 12. Januar 1794 in Paris.

1 Gemeint ist hier der Beschluss des Konvents vom 5. September 1793, mit dem die eigentliche Terrorherrschaft während der französischen Revolution beginnt (Terreur)
2 präponderieren: überwiegen;
3 Präponderanz: Übergewicht (z.B. eines Staates)
4 vim inertiae:
5 Necker, Jacques (1732-1804), französischer Finanzier und Staatsmann; 1776 als Nachfolger des französischen Finanzministers Turgot führte er eine Reihe von Finanzreformen durch, um ein gerechteres Besteuerungssystem zu begründen und die Verschuldung der Zentralregierung zu reduzieren; 1788 erneut Finanzminister; schlug dem König 1789 vor, die Generalstände (États généraux) einzuberufen, die seit dem Jahr 1614 nicht mehr zusammengetreten waren; Weil die Generalstände verschiedene radikale Vorschläge annahm, wurde Necker erneut von Ludwig XVI. entlassen; Dies war der unmittelbare Anlass für den Sturm auf die Bastille durch die aufgebrachte Bevölkerung von Paris am 14. Juli 1789. Bald darauf wurde Necker erneut vom König berufen, aber er konnte die Krise nicht lösen, trat im September 1790 zurück und lebte auf seinem Landgut in Coppet in der Schweiz im Ruhestand. (nach: Microsoft(R) Encarta(R) 99 Enzyklopädie. (c) 1993-1998)

(in: Garber, Jörn (Hg.) 1974  S.2ff.)

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Mainzer Republik 1792/1793

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 23.12.2023

 
   Arbeitsanregungen:
  1. Fassen Sie den Inhalt des Textes in Form einer Inhaltsangabe zusammen.
  2. Arbeiten Sie heraus, welche Triebkräfte eine Revolution nach Ansicht des Verfassers besitzt.
  3. Wie beurteilt er in diesem Zusammenhang Aktionen und Maßnahmen im revolutionären Prozess, die über das Ziel hinausschießen?
  4. Vergleichen Sie die Position Forsters mit der von Friedrich Schiller in dessen Brief an den Herzog von Augustenburg (1793).
  5. Vergleichen Sie den Revolutionsbegriff Forsters mit dem von Karl Marx. (» Geschichtliche Grundbegriffe Revolution)
 
 
 

 
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