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Der Aristokratenkatechismus
Andreas Josef Hofmann (1792)
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F. Man hört jetzt so viel von Demokraten und Aristokraten sprechen, was
von beiden sind Sie denn eigentlich, gnädiger Herr?
A. Ich habe die Ehre, ein Aristokrat zu sein.
F. Was sind dies denn für Leute, die Aristokraten?
A. Diese sind weit bessere und vortrefflichere Menschen als die gemeinen
Bürgers- und Bauernkanaillen.
F. Wie kömmt dieses, stammen denn die Aristokraten nicht von dem nämlichen
Adam her wie die andern Menschen?
A. Das wäre schön! Nein, der Adam des Bürger- und Bauernvolks war nur ein
gemeiner schlechter Kerl, aber der unsrige war ein vortrefflicher Mann und
hieß auch nicht so schlechtweg - Adam - sondern Herr von und zu Adam.
F. Es steht aber doch kein Wort von einem Herrn von und zu Adam in der
Heiligen Schrift?
A. Was geht uns die Heilige Schrift an? Dieses Buch ist nur für die dummen
Ochsen und Esel, für die bürgerlichen und bäurischen Strohköpf gemacht
worden, um sie dadurch im Gehorsam zu erhalten.
F Da Ihr Herr von und zu Adam ein besserer Mensch war als der gemeine
Adam, so wird ihn der liebe Gott auch nicht wie diesen aus schlechtem
Leimen, sondern wohl gar aus Pfeifenerde gemacht haben?
A. Nein, sondern aus Dresdner oder Meißener Porzellanerde.
F. Wie vielerlei Aristokraten gibt es?
A. Es gibt mehrerlei Aristokraten, als da sind: Aristokraten von Geburt
von Geburt, Aristokraten aus Eigennutz, Aristokraten aus Dummheit und so
weiter; aber gewöhnlich teilt man sie in adelige Aristokraten und
bürgerliche Aristokraten.
F. Sind denn die bürgerlichen Aristokraten auch vom Herrn von und zu Adam
entsprossen? Oder sind diese auch bessere Menschen als die gemeinen Leute?
A. Ha, ha, ha, ha! Da muss ich doch lachen! Wie kann das sein? Ha, ha. ha!
Das wär charmant! Nein, nein, die bürgerlichen Aristokraten sind gemeine
Kerls wie die übrige Kanaillen auch und kommen auch ebenso wie diese von
dem gemeinen Adam her.
F. Warum mögen aber wohl diese bürgerlichen gemeinen Leute Aristokraten
sein?
A. Dieses hat mehrere Ursachen; so werden zum Beispiel einige dafür
bezahlt; andere sind es aus Dummheit oder aus einem dummen, eselhaften
Hochmut, weil sie sich einbilden, dass sie, wenn sie Aristokraten sind,
mehr wären und besser seien als die andern gemeinen Leute; und wieder
andere sind deswegen Aristokraten, weil sie bei adeligen Aristokraten in
Diensten stehen oder weil sie sch eine Ehre daraus machen, wenn sie unsere
Sklaven sein und die Brocken fressen dürfen, die wir nicht mögen, oder
auch, weil sie sich dadurch bei den Fürsten und Adeligen beliebt machen
und die besten Bedienungen erhalten; und so gibt’s noch 1000 Ursachen,
wovon immer eine niederträchtiger ist als die andere.
F. Da aber, wie Sie mir hier selbst sagen, größtenteils Dummheit,
niederträchtiger Hochmut, Sklaverei, Speichelleckerei und Eigennutz die
Ursachen sind, warum es Aristokraten unter den gemeinen Bürgern und Bauern
gibt, warum dulden Sie, gnädige Herrn, es denn, dass diese schlechten
Menschen den ehrenvollen Titel Aristokraten tragen?
A. Je nun, warum sollten wir denn nicht? Wir haben ja den größten Nutzen
davon. Wir lassen diesen Strohköpfen den Spaß und lachen uns heimlich in
die Faust. Denn sehen Sie, wenn wir keine solchen dummen Teufel unter dem
gemeinen Haufen hätten, dann wäre uns das bürgerliche und bäurische
Lumpenpack schon längstens über die Köpf gewachsen und lebte weit
glücklicher als wir, die wir sodann Gras und Heu fressen könnten.
F. Also glauben Sie selbst, dass das gemeine Volk glücklicher leben würde,
wenn es keine Fürsten und Adeligen mehr in der Welt gibt?
A. Ja freilich glaube ich das. Denn solange es noch Fürsten und Adelige in
der Welt gibt, so lange muss sie das gemeine Volk ernähren, weil diese
nichts arbeiten wollen und nichts arbeiten können, aber doch gern gut
leben. Das Geld, welches uns der gemeine Mann für unseren Müßiggang gibt,
könnte er sodann selbst behalten, und anstatt er jetzt oft Hunger leidet
oder nur alle Sonntag einmal ein Stückchen Fleisch essen darf oder in
einem schäbigen, in allen Ecken geflickten Rock herumgehen muss – sich
mehrmals in der Woche einen guten Tag antun oder vielmehr alle Tage gut
und zufrieden leben, auch sich einmal einen neuen, saubern und warmen
Wammes machen lassen. - Aber ich bitte Sie, dass Sie das nur geheim
halten, was ich Ihnen soeben gesagt habe, solche Dinge darf man nicht
jedem auf die Nas hängen.
F. Mich wundert nur, dass dieses die gemeinen Leute nicht auch schon
eingesehen haben. Ich kann beinah gar nicht begreifen, wie der gemeine
Mann so dumm sein kann, sich von Fürsten und Adeligen hudeln und schinden
zu lassen, da doch dieselben das Recht nicht dazu haben und die Bibel uns
so deutlich sagt, dass wir alle einander gleich sind und dass wir alle von
einem Vater herstammen?
A. Dass dieses, was Sie soeben gesagt haben, in der Bibel steht, ist,
leider, nur zu wahr und ein entsetzlicher Bock, den ich gern aus der Bibel
wüsste und den alle Fürsten und Adeligen mit mir herauswünschen. Weil aber
doch das nun nicht mehr zu ändern ist, so lassen wir die gemeinen Kerls
weismachen, das wäre nur von den Bürgern und Bauern zu verstehen und ging
uns Adelige nichts an. Sie glauben’s auch. Und warum sollen’ die Strohköpf
nicht glauben? Es steht ja auch nichts von Kanonikaten, Domherrn,
Prälaten, Kapuzinern in der Bibel; es steht auch nicht drin, dass die
Geistlichen unverheiratet sein müssen, da im Gegenteil beinah alle
Priester bei den ersten Christen und sogar mehrere heilige Apostel Weiber
gehabt haben; es steht auch nicht darin, dass die Erzbischöf, Bischöf,
Domherrn und Geistlichen stolze, aufgeblasene, wollüstige und
verschwenderische Menschen sein sollen, [...] und doch geben sich die
Schafsköpf mit allem zufrieden und hängen wie Ketten daran und glauben, es
müsste so sein. [...] Und dann bedenken Sie doch nur die vielen und
kräftigen Mittel, die wir in den Händen hatten, den Stadt- und Landpöbel
in seiner viehischen Dummheit zu erhalten.
F. Worin bestehen diese Mittel?
A. Darin: Wir haben ersten immer gesucht, die Schulen und Kirchenämter mit
dummen oder schlechten Menschen zu besetzen, die das Volk in seiner
Dummheit erhalten mussten. [...] Wer nicht von einem solchen Dienst gejagt
sein und verhungern wollte, der musste den Leuten weismachen, was wir
verlangten und was uns Nutzen brachte. Zweitens gaben wir genau Acht, oder
vielmehr ließen Acht geben, dass keine solchen Bücher unter die Leute
kamen, welche sie hätten belehren können. Dem gemeinen Mann gehört nichts
als der Kalender und die Hauspostill. Zum Überfluss ließen wir noch selbst
allerlei Bücher machen, die alle guten Sachen verdrehen und unsere Rechte
und Freiheiten so darstellen mussten, dass niemand getrauen durfte, sie zu
kränken. Drittens beluden wir die Holzböck so mit Abgaben, Zehnden,
Fronden und dergleichen, dass sie den ganzen Tag wie Vieh arbeiten
mussten, wenn sie nur ihr Leben durchbringen wollten, dadurch blieb ihnen
dann weder Geld zum Bücherkaufen noch Zeit zum Lesen und Nachdenken übrig.
Las oder dachte doch einer oder der andre vom Bürger- und Bauernpack und
sprach ein wenig frei, so klopften wir ihm gleich auf den Schnabel,
nannten ihn einen Verführen, einen Rebellen, schickten ihn auf die Schanz
oder ins Zuchthaus, und hatte er ein paar Kreuzer Geld, so nahmen wir’s
ihm ab, und dadurch verhinderten wir herrlich, dass dieses gemeine Zeug
nicht aufgeklärt wurde und hinter unsere Schliche kommen konnte. [...]
F. Welches sind denn eigentlich die Pflichten eines wahren adeligen
Aristokraten oder besser der Fürsten, Grafen, Baronen und so weiter?
A. Wir kennen keine anderen Pflichten als: dass wir die gemeinen Leute so
hart drücken und plagen, als wir können; [...] dass wir die gemeinen Leute
für Dreck achten; [...] dass wir den gemeinen Leuten ihre Weiber und
Töchter verführen; [...] dass wir vom Schweiß der armen Leute schwelgen,
fressen, saufen, huren, spielen, den Großhans machen; [...]
F. Sind dies aber nicht lauter Verbrechen gegen die Rechte der Menschheit
und die christliche Religion?
A. [...] Was gehen den Fürsten und Adel Rechte der Menschheit und die
christliche Religion an? Ha, ha, ha, ha! Was wir tun, ist Recht, und da
scheren wir uns um Gott und die Welt nichts. Die christliche Religion ist
nur für den Bürger und Bauern, die geht den hohen Adel nichts an. Ein
wahrer Fürst oder Adeliger schert sich einen Teufel um die Religion, die
betrachten wir nur für ein Kinderspiel oder einen Wauwau fürs gemeine
Volk.(zit. n.:
Jost Hermand (Hg.) 1968, Bd. II, S. 75-80, dort zit. n.: Andreas
Hofmann, Der Aristokratenkatechismus. Ein wunderschönes Büchlein, gar
erbaulich zu lesen für Junge und Alte , in: Politische Katechismen, hg. v.
K. M. Michel, Frankfurt/M. 1966, S.118-122)
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Arbeitsanregungen:
Der Mainzer Professor der Philosophie
Andreas Joseph Hofmann gehörte zu den führenden Vertretern der Mainzer
Republik (1792/93) Sein »Aristokraten-Katechismus« zählt zu den am meisten
kritischen Schriften gegen das alte Regime. "Eine Hauptabsicht des in der
Schrift den Aristokraten ausfragenden Demokraten besteht darin, diesen mit
dialektischen Kniffen zu überführen, dass er selbst der These zustimme,
das gemeine Volk werde glücklicher leben, wenn es keine Fürsten und
Adelige mehr in der Welt gebe." (Mathy
1993, S.88)
- Fassen Sie den Inhalt des Gesprächs zusammen.
- Zeigen Sie, welche Position der Aristokrat gegenüber dem Bürgertum
und den Bauern einnimmt.
- Untersuchen Sie, welche Absicht der Autor mit seinem Text
verfolgt?
- Welche
aufklärerischen Grundpositionen
können Sie im Text
wiederfinden?
- Diskutieren Sie einzelne Aussagen und stellen Sie fest, inwieweit
sie sich auf unser heutiges politisches und gesellschaftliches System
übertragen lassen.
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