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Literaturepochen

Überblick


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Glossar
Literatur Autorinnen und Autoren Literarische Gattungen Literaturgeschichte Didaktische und methodische Aspekte Überblick Literatur auf dem Weg in die Moderne  [ Literaturepochen Überblick Epochenüberblick Literatur des Mittelalters (ca. 750-1500) Frühe Neuzeit, Renaissance und Humanismus (1300-1600) Barock (1600-1720) Aufklärung (1720-1785) Empfindsamkeit (1740-1780) Sturm und Dang (1760-1785) Weimarer Klassik (1786-1805) Jakobinismus (1789-1796) ▪ Romantik (1793-1835) Biedermeier (1820-1850) Das junge Deutschland und die politische Dichtung des Vormärz(1830-1850) Realismus (1850-1890) Naturalismus (1880 - 1910) Gegenströmungen zum Naturalismus (1890-1930) Expressionismus (1910-1925) Literatur der Weimarer Republik (1918-1933) Deutsche Exilliteratur (1933-1945) ▪ Literatur nach 1945 Literatur nach 1989 Literatur im 21. Jahrhundert ] Motive der Literatur Grundlagen der Textanalyse und Interpretation Literaturunterricht Schreibformen  Operatoren im Fach Deutsch
 

Literatur auf dem Weg in die Moderne

Traditionelle Epochenkonstrukte oder Random Access?

Die Einteilung der ▪ Literaturgeschichte in mehr oder weniger klar voneinander abgrenzbare Epochen, wie sie vor allem die ältere Literaturgeschichtsschreibung vorgenommen hat, ist in der Literaturwissenschaft schon seit langem problematisiert worden und hat zum Teil dazu geführt, dass der Ordnungscharakter von Epochenbegriffen zur Beschreibung der literarischen Entwicklung aufgegeben, zumindest aber grundlegend relativiert worden ist.

So begründet der US-amerikanische Mitherausgeber »David Wellbery (geb. 1947) in der Einleitung des Sammelwerks unterschiedlicher Verfasserinnen* "Eine neue Geschichte der deutschen Literatur" (2007, S.15), dass die "traditionelle Literaturgeschichte (...) einzelne Texte und Darstellungen nicht als einzigartige Ereignisse, sondern als Veranschaulichungen einer Macht, einer Neigung oder einer Norm – als Geist eines Zeitalters oder einer Nation, als Klassenvorliebe oder ästhetisches Ideal (behandelt)." Statt das Augenmerk darauf zu richten, wie man einen "individuellen Fall als typisch für etwas anderes" betrachten könne, komme es im Umgang mit Literatur darauf an, "die »datierbare« Einzigartigkeit und Zufälligkeit von Literatur" in einer erregenden Leseerfahrung, die den Charakter einer wirklichen »Begegnung« zu ermöglichen. Literaturgeschichte soll über exemplarische Begegnungen mit Autorinnen* und ihren ausgewählten Werken, die im Einzelfall wie ein Zusehen beim jeweiligen Schaffensprozess ("Goethe, dem Titan der deutschen Literatur, begegnet man auf diesen Seiten nicht in seiner ganzen Monumentalität, sondern während drei oder vier aufschlussreichen Augenblicken seiner Laufbahn. Wir sehen ihm zu, wie er seinen Werther schreibt, seine Römischen Elegien zensiert und seinen Faust für abgeschlossen erklärt;" (ebd.) Immer geht es eher darum zu erkunden, statt zu katalogisieren, die Literaturgeschichte wird damit zu einem Raum der Spurensuche, mit der angestrebt wird, "die Möglichkeiten des Anekdotischen und des nicht Kontinuierlichen" (ebd.,S.16) für eine "plötzliche Erhellung" (ebd.) zu nutzen. Die Literaturgeschichte soll damit "eine lebendige Quelle" (ebd.,S.20) werden, mit deren Hilfe sich die "vom menschlichen Denken geschaffenen Komplexitäten unserer Welt (...) erkunden" (ebd.) lassen. Dieses Konzept vertraut auf neugierige Leserinnen* mit ganz unterschiedlichen Interessen, die sich motiviert und mit der nötigen volitionalen Bereitschaft auf eine solche Spurensuche in einer Art »wahlfreiem Zugriff (random acess) begeben wollen, der "an vielen, nach Belieben gewählten Orten Zugang gestattet und unterschiedliche Lektüren ermöglicht" (ebd., S.21). Eine solche Literaturgeschichte, die sich auf die Chronologie statt auf Epochenkonstrukte bei ihrer Darstellung stützt, will bewusst "eine Geschichte (...) erzählen (...) viele Geschichten"  in Bezug zueinander setzen und damit "unterschiedlichen Typen von Neugierde, voneinander abweichenden Mustern Raum (...) geben" und "unterschiedliche – und oft dissonante – Resonanzen vernehmbar (...) machen. (ebd.) Zugleich, und dies gelte selbstredend auch für einen solchen Ansatz, dass es nur "um eine Geschichte der deutschen Literatur" handle, die aber ihrem Gegenstand nicht eine einzige Ordnung aufzwinge, sondern Spuren vieler Stränge aufnehme, die ihren Leserinnnen* auch das Setzen eigener Wegmarken und Konfigurationen durch die Literaturgeschichte ermögliche. (vgl. ebd., S.24)

Probleme der Epochenkonzepte

Das Epochenkonzept weist eine Reihe von Problemen auf, die vor allem damit zusammenhängen, dass sie traditioneller Weise auf Konstrukten beruhen, die einem meta-literarischen Diskurs im ▪ Handlungsfeld Literatur entstammen, in dem die jeweiligen Akteure (z. B. Fachwissenschaftlerinnen* unterschiedlicher Disziplinen, Literaturwissenschaft- und Literaturdikaktikerinnen* etc.), auf ihrer Grundlage mit zum Teil ganz verschiedenen Perspektive mit unterschiedlichen Interessen und Zielen agieren. (vgl. (Kepser/Abraham 42016, S.56)

Epochenkonzepte bringen, so griffig die aus der älteren Geschichtsschreibung stammenden Unterteilungen in Reformation/Renaissance - Barock - Aufklärung - Sturm und Drang - Klassik - Romantik - Realismus und spätere Fortsetzungen bis heute erscheinen und noch immer in einem epochenzentrierten Literaturunterricht wiederkehren, eine Menge Probleme  mit sich, die u. a. Matthis Kepser und Ulf Abraham in ihrer Literaturdidaktik ( 42016, S.56f.) zusammengestellt haben, die wir hier mit wenigen Ergänzungen referieren:

  • Epochen lassen sich von bloßen "Strömungen" wie z. B. "Biedermeier", "Vormärz" oder "poetischem Realismus" nicht wirklich abgrenzen.

  • Etliche Zeiträume der Literaturentwicklung tragen auch in der Fachwissenschaft ganz unterschiedliche Bezeichnungen, wie z. B. wenn die Zeit der Jahrhundertwende um 1900 mal als "Jugendstil", mal als "Impressionismus" oder einfach als "Beginn der Moderne" bezeichnet wird.

  • Wer abgegrenzte Epocheneinteilungen vornimmt, verschleiert damit, dass sich vieles gleichzeitig oder überschneidend entwickelt hat (z. B. ▪"Jakobinismus", ▪"(Weimarer) Klassik" und ▪"Romantik").

  • Es gibt etliche Autorinnen*, die sich nie wirklich überzeugend einer bestimmten Literaturepoche haben zuordnen lassen (z. B. "Außenseiter" wie »Friedrich Hölderlin (1770-1843), »Jean Paul (1763-1825) oder »Heinrich von Kleist (1777-1811). Wer nicht in die gängigen Epochenschemata passt, läuft Gefahr "marginalisiert und vergessen" (ebd., S.57) zu werden und bei der an den Epochen orientierten Kanonbildung unberücksichtigt zu bleiben.

  • Epochenkonstrukte orientieren sich stets an der sogenannten Höhenkammliteratur, der von bestimmten Akteuren im literarischen Feld eine besondere unbestritten zeitüberdauernde, besonders erinnerungswürdige, traditionsbildende und repräsentative Eigenschaft zugesprochen wird die als unabdingbar für das "kulturelle Gedächtnis" (Aleida Assmann) der Gesellschaft gilt. Damit vernachlässigen sie die populäre Unterhaltungsliteratur, fördern das dichotomische Denken in Kategorien von Hoch- und Trivialliteratur und blenden die Mediengeschichte aus. Daher wird man auch den Verdacht nicht los, dass es sich dabei weniger um Kategorien zur Ordnung der literarischen Entwicklung handelt, als um "Herrschaftswissen, das der bildungsbürgerlichen Schicht zur Abgrenzung von anderen Gruppen dient und als 'kulturelles Kapital" (Bourdieu) eingesetzt wird." (ebd., S.57)

  • Die Bezeichnungen für die Epochen resultieren oft aus ganz verschiedenen Beobachtungsperspektiven. Manchmal stammen sie wie z. B. beim "Barock" oder dem "Expressionismus" aus der Kunstgeschichte, ein ander Mal werden sie der politischen Geschichte entlehnt, wie z. B. "Literatur der Weimarer Republik", "Literatur während des Dritten Reichs", oder einfach nur an die Chronologie mit ausgewählten politischen Zäsuren deutscher Geschichte angelehnt wie z. B. bei "Literatur nach 1945", "Literatur nach 1989" oder "Literatur im 21. Jahrhundert". Für die Literaturepoche des "Sturm und Drang" muss ein gleichnamiges Drama der Zeit herhalten und "»Klassik« ist ein nationalstaatlich geprägter, kultureller Hochwertbegriff" (ebd.), der zudem bis heute mit beispielhaft und ideal konnotiert wird. Und von "Goethezeit" zu sprechen, macht die Sache auch nicht unbedingt leichter.

  • Die Zeiträume, die für bestimmte Literaturepochen angegeben werden, sind nicht einheitlich, insbesondere wenn sie in anderen Fachdisziplinen ebenfalls Verwendung finden. Dies ist z.B. beim "Barock" der Fall, der in der Literaturgeschichte von 1600 bis 1720, in der Musikgeschichte von 1570 bis 1750 reicht und in der Kunstgeschichte sogar bis 1770 dauert.

  • Epochenbezeichnungen verengen oft auch den Blick auf die Texte, die unter die jeweilige Kategorien fallen und legen sie mehr oder weniger auf die begrifflichen Inhalte des Epochenkonstrukts fest. So ist z. B. »Christian Hofmann von Hofmannswaldaus (1616-1676) Sonett "Vergänglichkeit der Schönheit" nicht nur ein typisches barockes Gedicht, das sich zwischen Vanitats-Motiv, Carpe diem und Memento mori bewegt, sondern eben auch ein Gedicht, das "die humorvolle Leichtigkeit (...) in der Tradition der Anakreontik" aufweist. (ebd.)

  • Im Endeffekt sind Epochenkonstrukte eben kaum mehr als "Haufenbildungen in bestimmten Zeiträumen" und ihr Erklärungswert ist im ▪ Handlungsfeld Literatur "äußerst begrenzt" und dies "selbst dann, wenn Literaturgeschichte als 'Sozialgeschichte' konzipiert ist (...) und die Lesekultur berücksichtigt wird." (ebd.)

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 23.12.2023

 
 

 
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