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Sturm und Drang (1760-1785)

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Siegrist (1978/21989, S.1) betont, dass der • Sturm und Drang und die • Aufklärung in ihrem komplementären Wechselverhältnis aufgefasst werden müssen, denn Aufklärung laufe durchaus weiter neben dem, was sich von ihr als Empfindsamkeit und Sturm und Drang loszulösen versucht habe. Dabei habe sie sich in einem Differenzierungsprozess verändert und damit wiederum die anderen Konzepte beeinflusst. Unter dieser Perspektive werde der Sturm und Drang auch nicht zur Gegenbewegung gegen die Aufklärung erklärt, sondern müsse "als deren Abwandlung und Ergänzung" (ebd., S.2) verstanden werden.


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Der Sturm und Drang ist ohne die • Entstehung und Entwicklung eines literarischen Markts, der zu einer vergleichsweise schnellen Vergrößerung des bürgerlichen Lesepublikums und damit zu einer neuen literarischen Öffentlichkeit geführt hat, kaum zu erklären.

So manch einem der jungen Literaten erschien sich nun, die allerdings,, die Chance zu eröffnen, eine Existenz als freier Schriftsteller zu führen ohne die üblichen Abhängigkeiten von fürstlichen Mäzenaten. Allerdings zeigten die Beispiele • Gotthold Ephraim Lessings (1729-1781) und »Friedrich Gottlieb Klopstocks (1724-1803), dass solche Hoffnungen sich unter den herrschenden Verhältnissen nicht erfüllen ließen. Erwartungen an einen sozialen Aufstieg und dichterische Selbstverwirklichung waren oft eben nicht mehr als Luftschlösser, auch wenn die Literatur "das bevorzugte Kommunikationsfeld innerhalb des Öffentlichkeitskonzeptes dar, an welchem das aufgeklärte und aufzuklärende Publikum unter den Bedingungen des herrschenden Absolutismus zu partizipieren vermochte. In der symbolischen Sprache der Literatur konnte artikuliert werden, was offen auszusprechen verboten oder doch nur andeutungsweise möglich war, wie die in den siebziger Jahren sich entfaltende Publizistik belegt." (ebd., S.3) Unter den herrschenden Verhältnissen blieb der Sturm und Drang daher eine "Literaturrevolution" und "seine Verlautbarungen Theaterdonner" (ebd., S.5), da seine über diesen Kommunikationsbereich hinausgehenden Ambitionen eigentlich keine oder bestenfalls nur eine vergleichsweise geringe Wirkung entfalteten. Kein Wunder, dass die Stürmer und Dränger dazu übergingen, ihren Protest idealisierend zu einer Revolte zu stilisieren die sich allgemein gegen alles ›Alte‹ richtete.

In diesem Protest-Konzept spielte die Forderung nach einer Aufwertung des Gefühlsbereichs im Rahmen der einer Vorstellung vom Menschen, bei dem Denken, Fühlen und Handeln eine Einheit bilden, eine besonders wichtige Rolle. Angeregt von englischen und französischen Vorbildern im Sensualismus und in der Empfindsamkeit sollte dabei das Gefühl nicht gegen den Verstand ausgespielt werden, sondern in einen ausgewogenes. gleichberechtigtes und, komplementäres Verhältnis zueinander gebracht werden. In der neuen Gefühlskultur, die in den Kreisen der vom Sturm und Drang erreichten Bevölkerungsgruppen daraus erwuchs, pflegte man einen bis dahin nicht da gewesenen Freundschaftskult und in zahlreichen bürgerlichen Kleinfamilien gewannen die Gefühlsbedingungen ihrer Mitglieder immer mehr an Bedeutung. (vgl. ebd.) Zu der neuen Gefühlskultur trug auch die Frömmigkeitsbewegung des »Pietismus bei, der sich "als Widersacher institutionalisierter Gläubigkeit (versteht), als Bewegung, die ganz auf eine im Gefühl verankerte Herzensfrömmigkeit setzt, mit deren Hilfe ein unmittelbarer, teilweise mystisch gefasster, im Moment der Versenkung möglicher Zugang zu Gott und Christus geschaffen werden soll" (Alt 2007, S.41). Der Pietismus spielte eine maßgebliche Rolle "im Prozess der Entfaltung einer empfindsamen Affektkultur" (ebd. S.43) und hat sich vor allem mit seinen sprachlich-stilistischen Wortkreationen (z. B. "Liebesneigung", "Selbsterfahrung", "überfließen", "einschreiben" u. ä. m.) als gern genutzter Stichwortgeber für die Literatur der Zeit erwiesen und ihr eine Vielzahl von Wendungen, die ursprünglich der Intensität des Gefühls bei der Annäherung Gott Ausdruck verliehen haben, von den Dichtern der Zeit "zumeist ihres religiösen Bezugs entkleidet und auf die diesseitige Welt der Stimmungen und Leidenschaften übertragen werden." (ebd. S.43f.)

Die Stürmer und Dränger gingen bei ihrer Aufwertung des Gefühlsbereichs allerdings einen Schritt weiter und machten sie für eine vollständige Autonomie der Gefühle und Leidenschaften von allen vernunftbestimmten Moralvorstellungen stark. Sie forderten die umfassende Selbstbestimmung des Einzelnen und zwar nicht nur in geistiger Hinsicht  wie die Aufklärung: "Sie bejahten die Genußfähigkeit des Menschen und anerkannten die Körperlichkeit als zentralen Erfahrungsbereich bis hin zu Übersteigerungen wie Kraftmeierei und Sexualprotzentum." (Siegrist 1978/21989, S.5) Wenn sie plötzlich Vorlieben für Schlittschuhlaufen, Nacktbaden, Wandern etc. gezeigt hätten, sei dies "nicht als bloß modischer Spleen, sondern als Ausdruck eines neuen Selbstverständnisses zu werten, das den Alltag verändert: der Verzicht auf die Perücke zugunsten des natürlichen Haarwuchses erscheint symptomatisch für die Richtung dieses Befreiungsprozesses von aller Konventionalität, gleichzeitig aber auch für die private Einschränkung dieser Rebellion."

Der Kampf gegen das "Alte" und im "unbedingte(n) Bestreben, alle Begrenzungen zu durchbrechen" (Goethe) wurden die herkömmlichen Zielvorstellungen bürgerlichen Glücks wie z. B. Ruhe, Zufriedenheit und Ausgeglichenheit, die auch zu den von der Aufklärung bevorzugten Tugenden zählten, "zugunsten des Sich-Selber-Fühlens und -bestimmens" (ebd., S.6) entsorgt. Unter diesem Blickwinkel erschienen Normen, Vorschriften und allgemeine Postulate gleich welcher Provenienz als ausgeübter Zwang. Um ihre Position zu verdeutlichen und zu verteidigen, verwiesen die Stürmer und Dränger gerne auf Jean-Jaques Rousseaus Antagonismus von Natur und Kultur. Oftmals bedienten sie sich "auch der Naturmetaphorik, indem sie von Tod und Leben sprachen: bloßes Denken erscheint als Zeichen von Erstarrung und Vergreisung, das aus der Einschränkung befreit werden muß; das Neue steht im Zeichen des Lebendig-Zeugenden, des Naturhaft-Dynamischen, der Selbstverwirklichung und Totalität. Dabei attackiert man nicht bloß die Abstraktionen des ›tintenklecksenden Säkulums‹ [Karl  Moor, in Schillers Drama Die Räuber, I,2, d. Verf.] sondern ebenso den als seelenlos empfundenen Materialismus, der überdies durch seine Favorisierung durch Feudalherrscher diskreditiert war." (ebd.)

Die Forderung des Sturm und Drang nach völliger Selbstbestimmung des Individuums hat seine maßgeblichen Vertreter allerdings in politischer Hinsicht nicht zu Vordenkern und Verfechtern einer grundsätzlich anderen politischen und gesellschaftlichen Ordnung gemacht. Zwar äußeren einzelne von ihnen scharfe Kritik an Feudalismus und Fürstenwillkür (z. B. Lenz, Bürger, Schubart und Schiller), stellen sich in ihren Werke gegen Unterdrückung und Ausbeutung der Bauern (Schubart, Bürger, Voß), doch keiner entwickelt darüber hinaus eine politisch-gesellschaftliche Gesamtperspektive geschweige denn politische Konzepte zur gesellschaftlichen Veränderung. Stattdessen bleiben sie bei der Kritik an einzelnen Missständen stehen. Für die feudalen und städtischen Obrigkeiten im Absolutismus war es vielleicht auch deshalb nicht sonderlich schwer, die Rebellion der Stürmer und Dränger "relativ mühelos, wenn auch nicht ohne Gewalt (Schubart!) in die literarische Sphäre (abzudrängen). Die Ausweichbewegung führte schließlich auf der Grundlage eines Kompromisses mit den bestehenden Mächten in die idealistische Konstruktion einer Kunstautonomie (anstelle der realen), welche den emanzipatorischen Anspruch nun ausschließlich in den bloßen, wenngleich durchaus nicht wertlosen Schein des Schönen aufzuheben und dem interesselosen Wohlgefallen zu überlassen sich gezwungen sah: der Sturm und Drang ging am Fürstenhof zu Weimar unter." (ebd.,S.11)

Das Ästhetische bot den Stürmern und Drängern also den Ausweg aus dieser Misere. Sie werteten in ihren Werken das "einfache Leben" auf, von dem sie annahmen, dass "die Ganzheit des Individuums" darin "besser aufgehoben (ist) als unter den einschränkenden Bestimmungen einer feudalen Gesellschaft: der unverbildete (aber auch ungebildete) Bauer, das gefühlssichere Mädchen aus dem Volk werden zu neuen Idealen erhoben, denen man lasterhafte Adlige und engstirnige Bürger gegenüberstellte." (ebd.)  Eine verlässliche oder gar konzeptionell begründete politische Parteinahme für die Unterschichten steckt dabei allerdings nicht dahinter.

Im zwischenmenschlichen Bereich gewann der Kampf gegen das "Alte" und im "unbedingte(n) Bestreben, alle Begrenzungen zu durchbrechen" (Goethe) in den Werken des Sturm und Drang allerdings deutliche Konturen. Hier geriet die paternalistische Rolle des Vaters mit seiner Autorität häufiger ins Zentrum der Kritik, so dass man sogar davon gesprochen hat, die Werke thematisierten den zeitgenössischen Vater-Sohn-Konflikt schlechthin. Allerdings wehren sich die Söhne in der Regel nicht gegen Paternalismus und Patriarchat als solches, sondern nur gegen bestimmte Auswüchse. Zugleich während aber immer wieder die "natürlichen“ Bande der Familienmitglieder untereinander gefühlshaft vertieft [...] im Rahmen freiwilliger Bindung. Noch deutlicher faßbar wird diese Tendenz bei der Liebe': hier werden ganz entschieden alle Fremdbestimmungen der Moral, Konvention, der elterlichen Gewalt oder der gesellschaftlichen Hierarchie abgelehnt; vehement wird das Recht auf Selbstbestimmung, bei der einzig die Stärke des gegenseitigen Gefühls maßgebend sein darf, verteidigt." (ebd., S.8)

Im Ästhetischen zeigt sich der Kampf gegen das "Alte" und das "unbedingte Bestreben, alle Begrenzungen zu durchbrechen" (Goethe) in besonders klarer Weise. Auf diesem Feld hat er "die überzeugensten Resultate seiner Bemühungen hinterlassen", weil er  hier "die deutlichsten und bewegendsten (Wunsch-)Bilder einer gelungenen Emanzipation" liefern konnte, "während die Aufklärung in ihrer Ausrichtung auf das Allgemeine in den Wissenschaften und der Philosophie ihre gültigsten. Resultate erzielte." (ebd., S.11) Im Bereich der Ästhetik richtete sich der Kampf gegen das "Alte"  gegen die Bevormundung durch die Regelpoetik des französischen Klassizismus, auf dem Feld der Ästhetik ließ sich " der fremden und höfisch-feudalen Kulturkonzeption [...] eine auf dem Eigenen und Volkstümlichen basierende" entgegenstellen. Und vor allem: "An die Stelle der (sklavischen) Nachahmung tritt die schöpferische Eigenleistung des Einzelnen, der sich nicht mehr einem vorgegebenen Regelkanon 'unterwirft, sondern aus sich selbst heraus frei etwas Unvergleichliches,  "Originales“ schafft: das Kunstwerk wird analog zu seinem Produzenten als Individuelles aufgefaßt, Genie ist der produktionsästhetische Ausdruck für den ästhetischen Citoyen, den aus der Knechtschaft der Regeln ausgebrochenen Selbsttäter." (ebd., S.8)

"Parallel zu dieser Befreiung der poetischen Produktion kommt es zu einer Neukonzeption der Rezeption, die nicht mehr primär rational ausgerichtet ist und an Regeln mißt, sondern sich nachempfindend dem Eindruck hingibt, der die Totalität des Aufnehmenden ergreift (bis hin zu somatischen Äquivalenzen wie Tränen, Herzklopfen etc). Der Tragedie classique als Inbegriff unnatürlich-gezwungener Kunst wird die Wucht Shakespearscher „Natur“-Dichtung („Natur, nichts so Natur als Shakespeares Menschen“)25 gegenübergehalten. Hier wäre 9 nun der Ort, wo konkret die stilistischen und formalen Konsequenzen der ästhetischen Selbstbestimmung, die Innovation namhaft zu machen wäre, welche der Sturm und Drang in die deutsche Literatur eingebracht hat. Ganz ohne Vorbilder kommt er auch nicht aus, doch sind es selbstbestimmte: an die Stelle der Griechen und Franzosen traten die Engländer - grosso modo die eigene nationale Vergangenheit." (ebd., S.8)

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 11.12.2024

 
 

 
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