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Literarisches Gespräch

Überblick

LiteraturunterrichtMethoden des Literaturunterrichts

 
FAChbereich Deutsch
Glossar LiteraturAutorinnen und Autoren Literarische Gattungen
Literaturgeschichte Motive der Literatur Grundlagen der Textanalyse und Interpretation Literaturunterricht Überblick ▪ Literarische Kompetenz Zugänge zu literarischen Texten   Methoden des Literaturunterrichts Überblick Literaturbezogene LeseanimationLesetagebuchVorlesen durch die LehrpersonGestaltendes LesenSzenisches LesenBuchvorstellung [ Literarisches Gespräch Überblick ◄ • Kompetenzen und Kompetenzerwerb FunktionenEigenverantwortliches Lernen und Lernberatung Die Bedeutung der Textauswahl Förderliches Gesprächssetting Verlauf ] Fragend-entwickelndes InterpretierenAufgaben zur TextanalyseHinzuziehen von Kontexten (Kontextualisierung)TextvergleichText-Bild-VergleichOperative VerfahrenTextproduktive VerfahrenBildnerisches und musikalisches Gestalten zu literarischen TextenDarstellendes Spiel und szenische Interpretation Projektorientiertes ArbeitenPortfolio-Arbeit im Umgang mit literarischen Texten und Themen Phasenmodelle für Einzelstunden und Kurzsequenzen (Mikromodelle) Künstliche Intelligenz (KI) und Literaturunterricht Handlungs- und produktionsorientierter UnterrichtVerschiedene literaturdidaktische Aspekte und Aufgaben Literaturkanon Schreibaufgaben im Literaturunterricht Textauswahl   Schreibformen  Operatoren im Fach Deutsch
  

 

Das • literarische Gespräch zählt zu den mündlichen ▪ Methoden des Literaturunterrichts (Spinner 2010, S.202f.) Neben dem Textverstehen zielt es vor allem auch auf "kooperative Formen der Verständigung über das Verstehen" (Ehlers 2016,  8.1.4. Das literarische Unterrichtsgespräch, Kindle-Version) Dabei kann es verschiedene • Funktionen übernehmen.

Heute kursieren unterschiedliche Konzepte des literarischen Gesprächs und konkurrieren miteinander. Ursprünglich wurde es als offenes Format vor allem von dem durch die Lehrperson stark gelenkten ▪ fragend-entwickelnden Interpretieren abgegrenzt, das  den klassischen »fragend-entwickelnden Methode im »Frontalunterricht im • Literaturunterricht umsetzte.

Im Zuge der heute in der Literaturdidaktik wieder stärker in den Vordergrund gerückten Frage, mit welchen Methoden Lehrerinnen und Lehrer erfolgreich Lernunterstützung leisten können, wird diese Polarisierung aber wieder überwunden. Dennoch: Inhaltliche Unterstützungsmaßnahmen (Support), werden heute, auch wenn dies kaum mehr haltbar ist, wohl immer noch sehr kritisch gesehen. Die Begriffe (z.B. Steuerung, Lenkung, Fremdregulation oder Vorgaben), die dabei verwendet werden, sind in einem bestimmten "pädagogischen Milieu" bereits durch pejorative Konnotationen gründlich vorbelastet. Daher wird  einem "dominant gelenkte(n) Textverstehen" immer noch, ohne hinreichende empirische Befunde, der Hauptvorwurf gemacht, dass es "selbstständige Texterschließung (verhindert) und (...) dadurch die Motivation, sich mit dem Text intensiv auseinanderzusetzen, (hemmt)" (Steinmetz 2016, S.77)

Das literarische Gespräch ist heute eine prozess- und partnerorientierte, offene Form, in der sich die Schülerinnen und Schüler – mit und ohne explizite Unterstützung durch ihre Lehrpersonen – ohne Leistungsorientierung über ihre Lese- bzw. Lektüreerfahrungen und ihre dabei vorgenommenen Deutungen austauschen können.

Die Entwicklung offener Formate des literarischen Gesprächs, die sich von den gelenkten Verfahren des fragend-entwickelnden Unterichtsgesprächs abgrenzten, setzte in den 1980er Jahren ein, als die Subjektivität des Literaturverstehens mehr und mehr zu einem der wichtigsten Themen der Literaturdidaktik geworden war.

Unter dem Eindruck der vorherrschenden • Handlungs- und Produktionsorientierung des Literaturunterrichts bis in die 1990er Jahre galt das literarische Gespräch im Anschluss an gesprächsdidaktische und gesprächsanalytische Untersuchungen als ein Verfahren, das eine neue Gesprächskultur im Literaturunterricht fördern sollte. Dabei sollte unter Berufung auf die Vieldeutigkeit (Polysemie) literarischer Texte das Verstehen Ergebnis eines dialogischen Prozesses sein und damit die Existenz unterschiedlicher Lesarten zulassen.

Die neuen Konzepte für literarische Gespräche, bei denen die Lehrperson das Geschehen nicht mehr als Experte für die "richtige" Deutung lenkt, schlossen dabei an die kulturelle Tradition des geselligen Lesens an und verzichteten unter Hinweis auf die prinzipielle Mehrdeutigkeit literarischer Texte darauf im Gespräch, eine einzige, mehr oder weniger als endgültig ausgewiesene Interpretation zu erarbeiten, sondern stellten die Artikulation und Verständigung über die Texte in den Vordergrund. Stattdessen akzentuieren sie "ein prozesshaftes Wechselspiel [...]z wischen eher assoziativen und häufig auf individuelle Erfahrungen bezogenen Beiträgen und solchen, die sich eher auf den Text und seine einzelnen Elemente und Strukturen beziehen: ein für literarisches Verstehen charakteristisches Wechselspiel zwischen subjektiver Involviertheit und genauer Wahrnehmung des Textes in der Weise, dass sich dadurch beides steigert." (Steinbrenner/Wiprächtiger-Geppert 2006/2010, S.4)

Das bekannteste Gesprächsmodell dürfte dabei das so genannte • "Heidelberger Modell des Literarischen Unterrichtsgesprächs" sein, das von verschiedenen empirischen Studien begleitet worden ist. Das Modell "dient der Anbahnung und Vertiefung literarischen Verstehens auf der den Lernenden angemessenen Stufe und entwirft dabei eine Option auf die Zone der nächsten Entwicklung. Es bietet allen Beteiligten den Denk- und Erfahrungsrahmen, sich selbst als Lernende und Geleitete sowie als Lehrende und Leitende zu erproben und zu reflektieren und sich dabei mit zentralen Fragen der Literaturvermittlung auseinander zusetzen" (Steinbrenner/Wiprächtiger-Geppert 2006a/2010, S. 9f,)

Das Heidelberger Modell lässt im Gegensatz zu dem von Forscher*innen um Valentin Merkelbach entwickelten Vorgehen, "das auf maximale Zurückhaltung der Lehrkraft setzt" (Magirius/Scherf/Steinmetz (2022, S.4f.) auch Eingriffe der Gesprächsleiterin bzw. des Gesprächsleiters vor. Diese setzen aber voraus, dass die gesprächsleitende Lehrpersonen keine Rolle als Expertinnen oder Experten einnehmen, sondern "als Leser*in authentisch und gegenüber den übrigen Gesprächsteilnehmer*innen partnerschaftlicher und zurückhaltender" (ebd.) Was dabei im Hinblick auf das Verstehen von Texten - Irritationen und partielles Nichtverstehen gehören dazu -  geleistet wird, ist "stark an die persönlichen Lektüreresultate der Lernenden gebunden, über die man sich im Gespräch austauscht". (ebd.)

Wie so oft zeigt sich auch bei dieser nicht selten polemisch geführten Diskussion über offene vs. gelenkte Formate, dass auf Dauer solche Polarisierungen in der Praxis wenig weiterhelfen, sondern ein pragmatischer und zugleich reflektierter Umgang mit ihnen angezeigt ist, der die Vor- und Nachteile beider Formate im Blick hat.

Neuere Forschungen haben daher zwei Gesprächstypen (kognitiv orientierte Kommunikation vs. subjektiv, emotional und kognitiv orientierte Kommunikation im Literaturunterricht) und zwei Interaktionsformen (lehrer*innenzentrierte vs. schüler*innenzentrierte Interaktion) unterschieden.

Wie die Lehrperson ihre Rolle in nicht-direktiven literarischen Gesprächen wahrnehmen und ausfüllen kann, wird u. a. mit dem Begriff der so genannten Konstruktiven Unterstützung beschrieben, der auf verschiedene andere Konzepte (z. B. • Scaffolding) zurückgreift.

Eine Form des Literaturumgangs in Kleingruppen

Am besten wird das literarische Gespräch in ▪ Kleingruppen durchgeführt. Das bedeutet aber auch, dass sein Erfolg oder Misserfolg auch von der Art der Gruppenbildung und von weiteren ▪ gruppendynamischen Prozessen abhängig ist, die mit der Beziehung der Gruppenmitglieder u. v. a. mehr zusammenhängen. Diese didaktisch zu reflektieren und ggf. auf diese einzuwirken gehört zu den Voraussetzungen, die eine Lehrperson bedenken muss, ehe sie diese vergleichsweise offene Form des Literaturumgangs im Unterricht anbietet.

In der Regel findet das Gespräch im Rahmen einer einzelnen Unterrichtsstunde statt, in der ein vergleichsweise kurzer literarischer Text oder Textauszug, der den Schülerinnen und Schülern bis dahin unbekannt ist, mit dieser Form des unterrichtlichen Umgangs mit Literatur "abschließend" behandelt wird. Eine vertiefte textanalytische Betrachtung des Textes. z. B. im Anschluss mit anderen Unterrichtsmethoden, wird nicht angestrebt, um die "Ergebnisse" des Dialogs über den Text nicht im Nachhinein zu "korrigieren" oder autoritativ zu bestätigen. Dementsprechend fällt auch die Ergebnissicherung des Gesprächs anders aus.

Sie kann Teil eines Feedbackprozesses sein, könnte aber auch in einer Selbstbeurteilung der Teilnehmer*innen münden, die aufgefordert werden, am Ende des literarischen Gesprächs - jede/r für sich - zu notieren, wie er das Gespräch erlebt hat und welche Erkenntnisse er/ sie gewonnen hat

Dabei strebt es eine symmetrische Kommunikation an, die nach Watzlawick u. a. 1972 "durch Streben nach Gleichheit und Verminderung von Unterschieden zwischen den Partnern" charakterisiert ist, bei der sich die Partner bemühen, wissensmäßige oder anderswie bedingte Asymmetrien auszugleichen.

 

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 19.09.2024

   
 

 
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