Da das literarische Gespräch im Literaturunterricht im Allgemeinen nicht als
Streitgespräch nach dem Muster entsprechender Fernsehformate mehr oder
weniger berufener Literaturkritiker*innen inszeniert wird, sondern das
kooperative Von-Einander-Lernen im Vordergrund stehen sollte, fließen
natürlich auch ▪
Feedbackhandlungen in das
literarische Gespräch ein. Gut also, wenn die Schülerinnen und Schüler auch
in anderen Unterrichtssituationen und das natürlich über die Fächer hinweg
gelernt und geübt haben, wie man ein ▪
förderliches Feedback
gestaltet.
Um die Schülerinnen und Schüler darin zu stärken, könnte ähnlich wie beim ▪
Kontrollierten Dialog ein
Bebachter oder eine Beobachterin oder eine Beobachtergruppe eingerichtet
werden, die den Teilnehmer*innen des literarische Gesprächs unmittelbar
danach ihre Eindrücke über den Verlauf des Ganzen und ihr verbales und
nonverbales Verhalten rückmeldet.
Wenngleich der Akzent beim literarischen Gespräch auf eigenverantwortlichem
Lernen in einer symmetrisch gestalteten Kommunikationssituation liegt, die
von
Peer-Feedback geprägt ist, sollte sich die Lehrperson nicht
grundsätzlich heraushalten, sondern ▪
als Coach in
einem offenen Lernprozess agieren und verschiedene Angebote der ▪
Lernberatung
(Scaffolding) machen.

Ob die Lernberatung auch zumindest zeitweise die unmittelbare Leitung des
literarischen Gesprächs umfasst oder diese an Schülerinnen und
Schülern, die sich das zutrauen, übergeben werden kann, wird dagegen von Mal
zu Mal zu entscheiden sein.
Oft wird dabei sicher auf leitende Eingriffe der Lehrperson in das Gespräch
nicht verzichtet werden können. Erfahrungen, dass die Schülerinnen und
Schüler in einem eigenverantwortlich ablaufenden literarischen Gespräch vor
sich hinplaudern und "unter dem Strich" auch nach Ansicht der Beteiligten
"nichts herauskommt", scheint der Lehrperson die Leitungsrolle geradezu
aufzudrängen, will sie nicht nachhaltige Motivationsverluste und eine
Verringerung der volitionalen
Bereitschaft, sich auf diese und auch andere Weise auf literarische
Texte und einen dialogischen Prozess des Verstehens in der Öffentlichkeit
einer Gruppe riskieren.
So betrachtet können nicht autoritativ vorgenommene, lenkende Eingriffe der
Lehrperson, als ▪
Lernberatung
(Scaffolding) verstanden, durchaus konstruktiv wirken, "wenn sie
Prozesse initiieren, die die Differenz zwischen den Textanforderungen und
vorhandenen Potenzialen von Schülern verringern, Ideen und Vorstellungen von
Schülern aktivieren und die Kommunikation untereinander anregen. Kompetenzen
des Lehrers bestehen darin, die Schüleräußerungen im Hinblick auf das
Textverstehen und Verstehenskompetenzen einzuordnen, den literarischen
Kenntnisstand einzuschätzen, Verstehensschwierigkeiten zu identifizieren,
Inhalte zusammenzufassen, Beiträge von Schülern wieder aufzugreifen und mit
einer Fragestellung zu verbinden, die neue Impulse für die Texterschließung
anregt." (Ehlers 2016,
8.1.4. Das literarische Unterrichtsgespräch, Kindle-Version)
Wichtig ist es, dass der Leiter bzw. die Leiterin eines literarischen
Gesprächs sich auf die Rolle als Moderator beschränkt, also außer zur
Impulssetzung keine eigenen
Erfahrungen und Wertungen einbringt, sondern sich bemüht, den Austausch
durch andere Impulse aufrechtzuerhalten und bei Stockungen die Teilnehmer*innen
wieder ins Gespräch zu bringen versucht. Seine inhaltliche Zurückhaltung und
der Verzicht auch in non-verbaler Weise zu kommentieren, was die
Gesprächsteilnehmer*innen äußern, muss hingegen nicht zum Verzicht auf
jegliche emotionale Beteiligung geschehen. So kann es auch Aufgabe der
Gesprächsleitung sein, allzu dominierenden Sprecher*innen quasi ins Wort zu
fallen und denen zum Wort zu verhelfen, die sich nicht so ohne Weiteres in
der Gesprächsrunde durchsetzen können.
Es kann auch sein, dass die Anregung von Lernprozessen auf der einen Seite
und Impulssetzung für den weiteren Gesprächsverlauf auch das
Bereitstellen
von Kontextinformationen durch die Gesprächsleitung umfasst. In
Fernsehformaten von Gesprächsrunden aller Art kennt man dies auch als
"Einspielungen", in denen kurze und knappe Informationen über einen
bestimmten Sachverhalt in einem kurzen Filmbeitrag den Gesprächsverlauf
unterbrechen und als Informationsimpuls den Fokus der Teilnehmer*innen auf
bestimmte Fragen richten soll. Die Bereitstellung derartiger
Kontextinformationen verlangt natürlich, ob die Gesprächsleitung von einer
Lehrperson oder einer Schülerin oder einem Schüler übernommen wird,
entsprechende Vorbereitung. Aber auch die Vorbereitung eines Schülers oder
einer Schülerin auf diese Rolle sollte in dem insgesamt offen angelegten
Verfahren weitgehend eigenverantwortlich erfolgen und die dazu nötigen
Lernhandlungen von der Lehrperson lediglich ▪
gecoacht
werden.