Literarische Gespräche sind textbezogene
Sprechhandlungen, die in hohem Maße von der
volitionalen Bereitschaft
und der Motivation abhängen, sich über einen Text in der Gruppe
auszutauschen.
Die
Bereitschaft, sich aktiv in ein solches Gespräch einzubringen, hängt dabei
nur bis zu einem gewissen Grad vom Text selbst ab. Förderlich ist wohl
immer, wenn ein Text gut verständlich, vielfältige Zugänge und Lesarten
ermöglicht, vielleicht auch »kognitive
Dissonanz evoziert, die mit einer sehr offen angelegten, ▪
gemeinsamen Spurensuche nach ihren Ursachen in der Gruppe überwunden
werden kann. Dabei kann ein literarisches Gespräch, wenn es symmetrisch
verläuft, auch verschiedene ▪ Erfahrungen von
Fremdheit thematisieren, die ein Text auslösen kann.
Nimmt die Lehrperson die Auswahl vor, dann kann sie Texte auswählen, die
textseitig Anreize wie
Leerstellen und
Unbestimmtheiten ausweisen, erfolgt die Auswahl durch die Schülerinnen
und Schüler selbst spielen wohl stärker intuitive und emotionale Aspekte
eine Rolle.
Das literarische Gespräch kann nur dann seine Zwecke erfüllen, wenn der Text
bzw. der Textauszug aus einem größeren Text nicht zu
lang ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich das literarische
Gespräch, wie dies im Allgemeinen der Fall ist, mehr oder weniger direkt an
die Primärrezeption des Textes anschließt, Unter diesem Aspekt betrachtet
eignen sich für das literarische Gespräch wohl am ehesten Gedichte und
kürzere Prosatexte.
Darüber hinaus ist bei der Textauswahl wichtig, "dass einerseits die
leitende Person sich selbst von dem Text angesprochen fühlt, dass er sie
reizt und sie interessiert und sie sich andererseits vorstellen kann, dass
die Themen und die Sprache des Textes die Schülerinnen und Schüler zum
Gespräch anregen. Geeignet sind Texte, die nicht einfach eine Botschaft
transportieren, sondern durch ihre Mehrdeutigkeit, Rätselhaftigkeit und ihre
ungewöhnliche sprachliche Gestaltung einen Anreiz für ein Gespräch bieten.
Das ist wichtig, damit das Gespräch sich auch um den Text selbst und dessen
Sprache und nicht nur um die von ihm angesprochenen Themen drehen kann." (Steinbrenner/Wiprächtiger-Geppert
2006a/2010, S. 7)
Zudem gilt natürlich immer bis zu einem gewissen Grad: Je mehr die
Schülerinnen und Schüler in den Gesamtprozess der Vorbereitung eines
literarischen Gesprächs einbezogen sind und eigenverantwortliche
Entscheidungen über den Verlauf des Gesprächs sowie über die Auswahl der
Texte (z. B. aus einer von ihnen selbst erstellten Auswahlliste) treffen
können, um so stärker dürfte ihre
volitionale Bereitschaft zur aktiven Beteiligung und ihr emotionales
Involvement in einem solchen Verfahren ausfallen.
Aber natürlich lassen sich literarische Gespräche auch zu Texten
inszenieren, die eben auf dem "Lehrplan" stehen.