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Literarisches Gespräch

Verlauf

LiteraturunterrichtMethoden des Literaturunterrichts

 
FAChbereich Deutsch
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Literaturgeschichte Motive der Literatur Grundlagen der Textanalyse und Interpretation Literaturunterricht Überblick ▪ Literarische Kompetenz Zugänge zu literarischen Texten Methoden des Literaturunterrichts Überblick Literaturbezogene LeseanimationLesetagebuchVorlesen durch die LehrpersonGestaltendes LesenSzenisches LesenBuchvorstellung [ Literarisches GesprächÜberblick Kompetenzen und Kompetenzerwerb Funktionen Eigenverantwortliches Lernen und LernberatungDie Bedeutung der Textauswahl Förderliches Gesprächssetting Verlauf ] Fragend-entwickelndes InterpretierenAufgaben zur TextanalyseHinzuziehen von Kontexten (Kontextualisierung)TextvergleichText-Bild-VergleichOperative VerfahrenTextproduktive VerfahrenBildnerisches und musikalisches Gestalten zu literarischen TextenDarstellendes Spiel und szenische Interpretation Projektorientiertes ArbeitenPortfolio-Arbeit im Umgang mit literarischen Texten und Themen Phasenmodelle für Einzelstunden und Kurzsequenzen (Mikromodelle) Künstliche Intelligenz (KI) und Literaturunterricht Handlungs- und produktionsorientierter UnterrichtVerschiedene literaturdidaktische Aspekte und Aufgaben Literaturkanon Schreibaufgaben im Literaturunterricht Textauswahl   Schreibformen  Operatoren im Fach Deutsch
  

 

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Auch wenn ein prozessorientiertes, offenes Verfahren des Literaturumgangs in der Schule wie das • Literarisches Gespräch sich schematischen Vorgaben keineswegs beugen muss, gibt es doch ein idealtypisches Verlaufsschema, das aber nicht als Phasen des literarischen Gespräch, die nacheinander zu inszenieren sind, verstanden werden darf.

Heidelberger Modell des literarischen Gesprächs

Das so genannte Heidelberger Modell des literarischen Gesprächs verfolgt das Ziel, literarisches Verstehen auf einer den Lernenden angemessenen Stufe anzubahnen und zu vertiefen. Es sorgt für einen für alle Beteiligten verfügbaren  "Denk- und Erfahrungsrahmen, sich selbst als Lernende und Geleitete sowie als Lehrende und Leitende zu erproben und zu reflektieren und sich dabei mit zentralen Fragen der Literaturvermittlung auseinander zusetzen: mit der Textauswahl, mit dem Balanceakt des Leitens von Gesprächen, mit der Suche nach Authentizität und Selektivität eigener Beiträge, mit den institutionellen Bedingungen und mit dem Anspruch an Freiheit und Offenheit des Gesprächs im schulischen Kontext." (Steinbrenner/Wiprächtiger-Geppert 2006a/2010, S. 9f,)

Nach Steinbrenner/Wiprächtiger-Geppert (2006a/2010, S. 7-9) lässt sich der idealtypische Verlauf eines literarischen Gesprächs, das unter Leitung der Lehrperson stattfindet, in sechs verschiedene Phasen gliedern. Diese werden hier mit eigenen Ergänzungen vorgestellt.

  1. Die Lehrperson wählt einen Text aus, der eine mehr oder weniger offenkundige Mehrdeutigkeit besitzt und sich durch eine gewisse Rätselhaftigkeit auszeichnet. In der Vorbereitung auf das Gespräch ist es dabei sinnvoll, sich Fragen und Impulse genau zu überlegen, mit denen man als Lehrperson das literarische Gespräch strukturieren möchte.

  2. Am Anfang steht die Schaffung eines • förderlichen Gesprächssettings, dessen Regeln den Schülerinnen und Schülern transparent gemacht werden müssen. Dazu muss - gemeinsam mit den Schüler*innen - z. B. auch die Änderung der Sitzordnung (Kreis) besprochen und umgesetzt werden. Die symmetrische Sitzanordnung kann auch dazu beitragen, dass die für das Gespräch erforderliche Ruhe und Konzentration geschaffen wird, die Voraussetzung für die partnerorientierte Teilhabe am Gespräch und das Zuhören darstellt, das dabei als eine aktive Tätigkeit zu verstehen ist (vgl. auch Hörerrolle und Höreraktivitäten). In manchen Fällen kann es auch hilfreich sein, bestimmte, konstruktive • Feedbackregeln zu vereinbaren und darauf aufmerksam zu machen, was, man beim partnerschaftlichen Argumentieren unterlassen sollte.

  3. Dann wird der Text vorgelesen und in der Regel auf einem Arbeitsblatt ausgeteilt. In einem zweiten Lektüredurchgang soll er danach von den Schülerinnen jede/r für sich ein weiteres Mal still gelesen werden. (Textbegegnung)

  4. Ein anregender Gesprächsimpuls der leitenden Lehrperson (z. B. "Welche Stelle aus dem Text hat mich besonders angesprochen oder auch irritiert“) gibt allen Teilnehmer*innen Gelegenheit sich mit seiner ganz persönlichen Bezugnahme auf den Text zu äußern.

  5. Nach dieser Gesprächseröffnung können die Schülerinnen und Schüler sich in einem "offenen Gespräch" zu ihren Erstleseeindrücken äußern, diese ggf. auf den Text oder auf ihr Weltwissen beziehen und sich von den Äußerungen der anderen anregen lassen. Als gut gilt ein Gesprächsverlauf dann, wenn er " gekennzeichnet (ist) durch Bewegung und Balance von − freier Entfaltung und zielorientierter Bündelung/Strukturierung der Beiträge, − Irritation und Bestätigung der Schülerinnen und Schüler, − Leser/Schüler- und Textorientiertheit." (Steinbrenner/Wiprächtiger-Geppert (2006a/2010, S.8) Dabei darf sich ein "lebendiges Gespräch" immer wieder in die eine oder andere Richtung bewegen. Die Lehrperson sorgt als Gesprächsleiter*in mit ihren gesprächsfördernden Impulsen dafür, das die Gesprächssituation aufrechterhalten wird. Sie gibt Support dadurch, das sie den Gesprächsverlauf mit der Spiegelung, Bündelung oder Verknüpfung gemachter Schüleraussagen strukturiert. Zu dem kann sie, um dem Gespräch eine bestimmte Richtung zu geben, auch Wissen einbringen, das sie bei ihrer didaktischen Reflexion des Gesprächsgegenstands als für die intendierten Verstehensprozesse für hilfreich beurteilt hat. Dabei kann es sich um Informationen über den biografischen Hintergrund (Autorenwissen), über die Literaturgattung (Gattungswissen), über die Literaturepoche, der ein Text gewöhnlich zugeordnet wird oder auch zu den Themen sein, die in einem bestimmten Text gestaltet sind. Allerdings muss dabei stets darauf geachtet werden, dass damit keine zu sehr ereinseitigenden Interpretationen auf Seiten der Schülerinnen und Schüler gefördert werden.

  6. Am Ende werden in einer rechtzeitig angekündigten Schlussrunde, bei der möglichst alle Schülerinnen und Schüler noch einmal zu Wort kommen sollen, wichtige Erkenntnisse und Aspekte, die zum Verstehen des Texte aus dem Verlauf des Gesprächs gewonnen werden konnten, zusammengefasst. Wenn die Schüler*innen hinreichend Erfahrung damit haben, kann das Gespräch auch auf die Reflexion der Erfahrungen ausgedehnt werden, die die Schüler*innen im Verlauf der sprachlichen Kommunikation gemacht haben.

Das literarische Gespräch kann damit enden. Seine Ergebnisse können aber aber auch in die weitere Textarbeit einfließen, die "m Idealfall Fragen und Themen, die im Gespräch aufgekommen sind, gemeinsam und in unterschiedlichen Arbeitsformen weiterverfolgt". (ebd., S.9)

Das Modell kann aber, das liegt in der Natur der Sache, nur eine sehr grobe Richtschnur vorgeben und hat insbesondere wegen seines Endes die Fachdidaktiker nicht rundum überzeugt. (vgl. Kepser/Abraham 42016, S.257)

Offenes Konzept des Literarischen Gesprächs

Statt eines solchen Modells, das im Grunde oberflächliche Organisationsstrukturen in einem sehr vom Leitungsverhalten abhängigen Prozess darstellt, ist eine allgemeine Beschreibung der Kennzeichen eines literarischen Gesprächs, in die auch Organisationsaspekte einfließen, dem offenen Konzept des literarischen Gesprächs eher angemessen.

Zu Beginn des literarischen Gesprächs geben die Teilnehmer*innen gewöhnlich wieder, was ihnen spontan zum Text einfällt. Diese ▪ Erstleseeindrücke sollten reihum geäußert werden, selbst dann, wenn es dabei zu Wiederholungen kommt. Auch wenn das Hören anderer Rezeptionserfahrungen im Zuge des Gesprächs eine eigene Dynamik entwickeln und damit einzelnen Schülerinnen und Schülern helfen kann, im Laufe des Gesprächs auch ihren eigenen ▪ Erstleseeindrücken auf die Spur zu kommen, ist dies keineswegs sicher. So kann es durchaus hilfreich sein, in einer dem literarischen Gespräch vorausgehenden Einzelarbeit mit einem ▪ Fragenkatalog dazu vor allem die Schülerinnen und Schüler zu stützen, die sich Fragenkatalog damit schwertun und damit von vornherein in eine Nebenrolle im literarischen Gespräch gedrängt werden.

Sehr wichtig ist dabei, dass die Schülerinnen und Schüler ihre Rezeptionserfahrungen in einem vertrauensvollen und förderlichen Gesprächsklima äußern können, das sämtliche Teilnehmer*innen ermuntert, ihre kognitiven als auch affektiv geprägten Eindrücke in der Gruppe ohne jede Scheu offen zu artikulieren. So lernen die Teilnehmer*innen auch, die subjektive Legitimation anderer, vielleicht auch gegensätzlicher Leseeindrücke zu akzeptieren und ihre Gleichwertigkeit anzuerkennen. "Ein Zwang zur Einigung (besteht)", wie auch Spinner (2010, S.202) betont, "dabei nicht."

Ein weiteres Kennzeichen des literarischen Gesprächs sollte es im Idealfall sein, dass die Äußerungen der Teilnehmer*innen mit einem mehr oder weniger klaren Bezug auf den Text erfolgen. Aber auch hier kommt es nicht prinzipiell darauf an, ob sich derartige Bezüge unmittelbar auf die Textebene beziehen. Es kann auch sein, dass textexterne Faktoren, die auf das jeweils vorhandene Wissen (Weltwissen, Textmusterwissen, Sprachwissen etc.) zurückzuführen sind, Grundlage einer mehr oder weniger gelungenen Kohärenzbildung ist, die im Austausch mit den anderen im literarischen Gespräch erhellt werden kann.

Wenn man den Textbezug im engeren Sinne von Anfang an stärken will, kann man die Schülerinnen und Schüler auch auffordern, ihre Erstleseeindrücke von der Präsentation eines bestimmten Satzes oder einer etwas längeren Textstelle ausgehend zu äußern.


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Auch in diesem eher kognitionspsychologischen Sinne gilt also, was Spinner (2010, S.202), wohl im Anschluss an Härle/Steinbrenner (2004) betont und was den Prozesscharakter dieses literaturdidaktischen Verfahrens unterstreicht, nämlich, dass der Textbezug "nicht ein argumentatives Belegen mit Textstellen sein muss, sondern auch eine eher kreisende, sich annähernde Suchbewegung sein darf", die das Nicht-Verstehen als Teil des literarischen Verstehens zulässt und damit akzeptiert, wenn manches rätselhaft oder eben fremd bleibt.

In jedem Fall schließt das literarische Gespräch in besonderer Weise an gesellige Formen des Literaturumgangs in der Gesellschaft an und verwirklicht daher auch in besonderer Weise die eigentliche Zieldimension des Literaturunterrichts, nämlich Teilhabe im kulturellen ▪ Handlungsfeld Literatur. (vgl. Spinner 2010.,  vgl. Kepser/Abraham 42016, S.26)

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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 19.09.2024

   
 

 
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