teachSam- Arbeitsbereiche:
Arbeitstechniken - Deutsch - Geschichte - Politik - Pädagogik - PsychologieMedien - Methodik und Didaktik - Projekte - So navigiert man auf teachSam - So sucht man auf teachSam - teachSam braucht Werbung


deu.jpg (1524 Byte)

 

Meine-Seite-Denken (Myside-Bias)

Strategien gegen das Meine-Seite-Denken

Vernunftorientierte Argumentation

 
FAChbereich Deutsch
Glossar RhetorikGeschichteBegriff und TheorieRhetorische Mittel Argumentieren ▪ Didaktische und methodische Aspekte Überblick V
ernunftorientierte ArgumentationÜberblick [ Meine-Seite-Denken (Myside-Bias) ÜberblickKognitive Verzerrungen Merkmale des Meine-Seite-Denkens Meine Seite-Denken beim Argumentieren Der Myside-Bias der kognitiven ElitenStrategien gegen das Meine-Seite-Denken ] Definitionen und LexikoneinträgeMündliches und schriftliches Argumentieren Partnerorientierung Geltungsansprüche Argumentationsmodelle Typen von Argumentationen Argumentationsstrategien Analyse von Alltagsargumentationen Probleme beim ArgumentierenTextordnungsmuster Häufig gestellte Fragen Bausteine   DiskutierenRede Kommunikationspsychologie Zuhören Feedback ▪ Kommunikationspsychologische Modelle Operatoren im Fach Deutsch
 

Regeln für rationales Argumentieren
7-Punkte-Programm
Plausible Muster der Alltagsargumentation (Kienpointner 1996)

Die negativen Auswirkungen des ▪ Meine-Seite-Denken (Myside thinking) auf das einzelne Individuum und die Gesellschaft als Ganzes sind erheblich und tragen dazu bei, dass sich bestehende Polarisierungen, aber auch Abgrenzungen in verschiedenen "Informationsblasen" mit ihren Echokammern, in denen nur widerhallt, was die Gruppenidentität stärkt, immer stärker verfestigen. Und was das eigentlich Besorgniserregende ist, ist, dass sich die Akteure in diesen sozialen Prozessen meistens gar kein rechtes Bild davon machen können, warum das so ist. Am Ende jedenfalls entsteht nach Ansicht von Stanovich (2020, S.5) "eine Gesellschaft, die sich scheinbar nicht auf empirisch nachweisbare Fakten einigen kann."

Hoffnungen, den Einzelnen sowie die Gesellschaft mit verschiedenen Standards der Argumentationsintegrität, Regeln für rationales Argumentieren, ▪ für vernünftiges Argumentieren im Alltag oder dem ▪ Konzept der kritischen Argumentation auf den Pfad der ▪ vernunftorientierten Argumentation zu führen oder dauerhaft darauf zu halten, scheinen vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Bedeutung des Meine-Seite-Denkens, das eng mit der Konstruktion von Identitäten verbunden ist, wenig begründet. Und die Vorstellung, Schule und vor allem der Deutschunterricht könne hier wirksam entgegensteuern, muss wohl ebenfalls hinterfragt werden, um den Fokus auf Kompetenzen zu richten, die dem Myside-Bias die rote Karte zeigen sollen.

Ganz auf verlorenem Posten aber stehen wir auch nach Ansicht von Keith Stanovich und der Myside-Forscher*innen nicht.

So sieht Stanovich (2020a) durchaus noch sechs verschiedene Möglichkeiten, mit denen wir die Myside Voreingenommenheit, wenn wir um ihre Bedeutung und Wirkung wissen, verringern oder auch vermeiden können.

  1. Wir müssen verstehen, "dass wir uns von unseren Gegnern nicht deshalb unterscheiden, weil wir bestimmte Fakten kennen, die diesen unbekannt sind, sondern unsere politischen Gegner widersprechen uns stattdessen wegen legitimer Wertunterschiede." (Stanovich 2020a) Statt in politischen Auseinandersetzungen mit Gegnern immer um die Fakten und ihren Stellenwert zu ringen, muss sich der Fokus der Auseinandersetzung auf die den jeweiligen Positionen zugrunde liegenden verschiedenen Werte richten, die als legitim anerkannt werden müssen, um auch die Interessen, die sich daraus ergeben als legitim anzuerkennen.

  2. Wir müssen erkennen, "dass wir selbst widersprüchliche Werte vertreten". (ebd.)

  3. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, "dass der Tatbestand der ständigen Einflussnahme durch soziale Medien eine `Adipositas-Epidemie des Denkens' verursacht". (ebd.)  So müssen wir uns also darüber im Klaren werden, welche Einflüsse insbesondere die sozialen Medien dafür haben, dass Myside-Voreingenommenheit bestimmten Sachverhalten gegenüber oder in bestimmten Situation entsteht und oder verfestigt und kultiviert wird.

  4. Wir müssen zur Einsicht gelangen, "dass wir den ideologischen Überzeugungen, die unsere Voreingenommenheit antreiben, nicht ausreichend auf den Grund gegangen sind. Und dass Basis-Überzeugungen – ohne dass wir uns dies bewusst machen – durch unsere genetischen Dispositionen sowie aus unserem sozialen Milieu bewirkt wurden".(ebd.)

  5. Wir müssen uns bewusst machen, "dass Parteienbindungen voreingenommener machen, als dies zu unseren politischen Themen passt." Dazu sollten wir versuchen, unsere individuellen Überzeugungen, die mit denen grundlegenden Positionen politischer Organisationen, wie z.B. politischer Parteien, übereinstimmen, mit denen wir uns identifizieren abkoppeln. Indem wir uns damit der von politischen Parteien praktizierten prinzipienlosen Bündelung von Themen bewusst widersetzten, könnten wir vermeiden, "Überzeugungen zu aktivieren, die zu einer Myside-Voreingenommenheit führen". (ebd.)

  6. Wir sollten in dem Bewusstsein handeln, uns bei politischen Fragen nicht mit einer spezifischen Gruppe zu identifizieren und damit auch deren Positionen zu übernehmen. Ziel ist es dabei, die Einseitigkeit einer entsprechenden Identitätspolitik zu durchschauen. (vgl. ebd.)

Im Grunde genommen läuft die Gegenstrategie Keith Stanovichs auf den Erwerb von Wissen über die Entstehungsbedingungen, die Wirkungsweise und die Funktion des Meine-Seiten-Denkens hinaus. Auf diese Weise könnte am Ende eines solchen Weges stehen, "Gemeinsamkeiten zu finden und aus 'meiner Seite" so etwas wie 'unsere Seite' zu machen", wie Sebastian Herrmann 2023, SZ v. 13./14.05.2023) es ausdrückt.

Ob damit allerdings, wenn es dem eigenen Machterhalt doch so dienlich ist, wirklich gelingen kann, dass die Gegenseite in einer politischen Auseinandersetzung nicht als "ignorantes Pack" dargestellt und ihr mit einer Beilage von Beleidigungen die Fakten vor den Latz zu geknallt wird (vgl. ebd.), ist nicht gesagt, aber zumindest wünschenswert.

Aufklärung über das Meine-Seite-Denken tut in jedem Falle not, auch wenn das Aufklärungskonzept selbst so manchem wie ein alter Hut vorkommen mag. Es ist alternativlos, würden manche dazu sagen, im Übrigen auch für alles institutionelle Lernen, den Deutschunterricht und die fachdidaktischen Umsetzungen vernunftorientierter Argumentation.

Wenn, in den sozialen Medien allen voran, die eigene Identität allerdings weiter stets an erster Stelle steht und man hier wie dort "für die eigene Seite (streitet), ohne deren Inhalte notwendigerweise zu 100 Prozent zu vertreten", wenn man "Angehörige der anderen Seite verachtenswert (findet), obwohl man eigentlich viele Meinungen mit diesen teilt" und dabei einfach hinnimmt, dass sich "dabei Ansichten aus dem eigenen Meinungskabinett widersprechen oder einander ausschließen" (vgl. ebd.), haben es Gegenstrategien gegen das Meine-Seite-Denken weiter schwer.

7-Punkte-Programm für vernünftiges Argumentieren im Alltag
Plausible Muster der Alltagsargumentation (Kienpointner 1996)

docx-Download - pdf-Download

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 17.12.2023

  
 

 
ARBEITSTECHNIKEN und mehr
Arbeits- und Zeitmanagement Kreative Arbeitstechniken Teamarbeit ▪ Portfolio ● Arbeit mit Bildern  Arbeit mit Texten Arbeit mit Film und VideoMündliche Kommunikation Visualisieren PräsentationArbeitstechniken für das Internet Sonstige digitale Arbeitstechniken 

 
  Creative Commons Lizenzvertrag Dieses Werk ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International License (CC-BY-SA)
Dies gilt für alle Inhalte, sofern sie nicht von
externen Quellen eingebunden werden oder anderweitig gekennzeichnet sind. Autor: Gert Egle/www.teachsam.de
-
CC-Lizenz