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Meine-Seite-Denken (Myside-Bias)

Meine-Seite-Denken beim Argumentieren

Vernunftorientierte Argumentation

 
FAChbereich Deutsch
Glossar RhetorikGeschichteBegriff und TheorieRhetorische Mittel Argumentieren ▪ Didaktische und methodische Aspekte Überblick V
ernunftorientierte ArgumentationÜberblick [ Meine-Seite-Denken (Myside-Bias) ÜberblickKognitive Verzerrungen Merkmale des Meine-Seite-Denkens Der Myside-Bias der kognitiven ElitenMeine Seite-Denken beim Argumentieren ◄ ▪ Strategien gegen das Meine-Seite-Denken ] Definitionen und LexikoneinträgeMündliches und schriftliches Argumentieren Partnerorientierung Geltungsansprüche Argumentationsmodelle Typen von Argumentationen Argumentationsstrategien Analyse von Alltagsargumentationen Probleme beim ArgumentierenTextordnungsmuster Häufig gestellte Fragen Bausteine   DiskutierenRede Kommunikationspsychologie Zuhören Feedback ▪ Kommunikationspsychologische Modelle Operatoren im Fach Deutsch
 

Plausible Muster der Alltagsargumentation (Kienpointner 1996)

Modelle der kritischen Argumentation und Diskussion
Überblick
Idealmodell der vernünftigen Argumentation (Habermas)
Regeln für vernünftiges Argumentieren

Vernunftorientierte Argumentation ist unserem gängigen Verständnis rational, d. h. sie orientiert sich an allgemein anerkannten Mustern des Denkens und steht, zumindest, prinzipiell, auf der Grundlage der Logik.

Beim Argumentieren sollen – so die übliche Lesart – "zwischen zwei Interaktanten strittige, konkurrentielle Wissenselemente durch verbale Interaktion in ihrem Status geklärt werden". Und im Idealfalle kommt "dem wechselseitige(n) Überzeugen der Interaktanten eine große Bedeutung zu." (Ehlich 1993/42010, S.53f.)

Allerdings wird nicht immer und überall versucht, das, was strittig ist, in einer argumentativen Auseinandersetzung, im Idealfall mit einem vorher in keiner Weise festgelegten Ausgang, zu klären. Oft wird Strittiges einfach "von oben" entschieden und immer wieder kommt es vor, dass Menschen lieber mit den Fäusten als mit Worten "argumentieren".

Ist also etwas strittig, dann ist noch lange nicht gesagt, dass es auch zu einer vernunftorientierten argumentativen Auseinandersetzung kommt.

Wenn Menschen nämlich weder die Fähigkeit noch die Bereitschaft haben, sich mit Argumenten "vernünftig" und rational miteinander auseinanderzusetzen, gibt es auch eigentlich kein Argumentieren im Sinne der obigen Definition. Dabei hängt das Ganze nicht allein daran, ob "Subjekte fähig und bereit sind, Problemlagen argumentativ zu bewältigen", sondern auch davon, ob die "gesellschaftlichen Verkehrsformen diese Form kommunikativer Problembewältigung strukturell fördern." (Kopperschmidt 1989, S.15)

Ob "gute" Argumente in Wirklichkeit allerdings auch einfach überzeugen können, ist zumindest fraglich und hängt nicht allein vom guten Willen der Beteiligten ab, sich auch auf andere Argumente einzulassen.

In jedem Fall wirken die vermeintlich besseren Argumenten nicht "wie rhetorische Vektoren, die Überzeugungen in ihre Richtung bewegen." (Abelson 1986)

Der Myside-Bias und die Voreingenommenheit beim Argumentieren

In den extrem polarisierten Gesellschaften, wie wir sie heute immer wieder auf der Welt erleben, sehen wir uns einer Situation gegenüber, die eine vernunftorientierte Verständigung zwischen den Lagern immer stärker verunmöglicht.

Ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken daher mehr und mehr die Prozesse dieser "Lagermentalität". Und dabei geht es weniger darum, welches Lager recht hat oder um die vermeintlichen Folgen einer katastrophalen gesellschaftlichen Abkehr vom Konzept der Wahrheit (vgl. Stanovich 2020), sondern um die wachsende Bedeutung kognitiver »Verzerrungen (cognitive bias), insbesondere dem sogenannten ▪ Meine-Seite-Denken (Myside thinking) Stanovich 2021).

Diese besondere Art der kognitiven Verzerrung, die "unser Denken im realen Leben (charakterisiert)" (Stanovich 2020a), steht dabei dem teht vor allem das ▪ Meine-Seite-Denken (Myside-Bias) (Stanovich 2021) dem Ideal ▪ vernunftorientierter Argumentation entgegen, das letzten Endes in argumentativen Auseinandersetzungen auf das bessere Argument vertraut.

Zugleich ist es wohl der maßgebliche Grund dafür, dass die kognitiven Schemata, mit denen wir ansonsten durch ▪ Wissenszuwachs, ▪ Feinabstimmung, ▪ Umstrukturierung und ▪ Integration die nötigen Anpassungen an die Realität vornehmen, sich nur noch im sozialen Rahmen eines bestimmten "Lagers" "weiterentwickeln" und Informationen, die von unserer sozial konstruierten Normalität abweichen, überhaupt nicht mehr wahrgenommen werden.

Auswirkungen des Myside-Bias beim Argumentieren

Beim ▪ Argumentieren spielt das Meine-Seite-Denken (Myside-Bias) sowohl bei der Bewertung von Argumenten anderer als auch bei der Generierung eigener Argumente eine maßgebliche Rolle. Die größte Bedeutung besitzt das Meine-Seite-Denken

  • So hat man in verschiedenen Studien herausgefunden, dass die Versuchsteilnehmer*innen eine weitaus größere Zahl von Argumenten für ihre Seite als die der Gegenseite fanden, wenn sie eine klare Meinung zu dem Thema hatten.
    Im Übrigen kam dieses Ergebnis auch zustande, wenn sie zuvor ausdrücklich angewiesen wurden, in ihrer Argumentation unvoreingenommen zu sein (Stanovich 2021, S.14f. Kindle-Version)

Myside-Bias bei der Risikowahrnehmung

Auch unsere Risikowahrnehmung läuft nicht unvoreingenommen ab, sondern ist durch unsere Affekte bestimmt. Wenn uns nämlich die Vorteile einer Sache gefallen, tendieren wir dazu, sie für ein geringes Risiko zu halten.

Wahrend z. B. in der realen Welt Risiko und Ertrag in der Regel miteinander korrelieren – je höher das Risiko, desto höher der Ertrag – nehmen wir in unserem Leben eine andere Risikobewertung vor. Hier gilt im Allgemeinen: "Wenn etwas mit hohem Nutzen bewertet wird, wird es tendenziell als risikoarm angesehen; und wenn etwas als risikoreich eingestuft wird, wird davon ausgegangen, dass es nur einen geringen Nutzen bietet." (Stanovich 2021, S.14f. Kindle-Version)

 

Ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken daher mehr und mehr die Prozesse dieser "Lagermentalität". Und dabei geht es weniger darum, welches Lager recht hat oder um die vermeintlichen Folgen einer katastrophalen gesellschaftlichen Abkehr vom Konzept der Wahrheit (vgl. Stanovich 2020), sondern um die wachsende Bedeutung kognitiver »Verzerrungen (cognitive bias), insbesondere dem sogenannten ▪ Meine-Seite-Denken (Myside thinking).

Unsere Neigung zu ▪ kognitiven Verzerrungen verschiedener Art ist wissenschaftlich in zahlreichen Experimenten und Studien belegt. Dabei können gewöhnlich in einem Bereich mehr und in einem anderen Bereich weniger zu solchen Verzerrungen tendieren.

Neben anderen Verzerrungen steht vor allem das ▪ Meine-Seite-Denken (Myside-Bias) (Stanovich 2021) dem Ideal ▪ vernunftorientierter Argumentation entgegen, das letzten Endes in argumentativen Auseinandersetzungen auf das bessere Argument vertraut.

Zugleich ist es wohl der maßgebliche Grund dafür, dass die kognitiven Schemata, mit denen wir ansonsten durch ▪ Wissenszuwachs, ▪ Feinabstimmung, ▪ Umstrukturierung und ▪ Integration die nötigen Anpassungen an die Realität vornehmen, sich nur noch im sozialen Rahmen eines bestimmten "Lagers" "weiterentwickeln" und Informationen, die von unserer sozial konstruierten Normalität abweichen, überhaupt nicht mehr wahrgenommen werden.

Wenn Stanovich (2020) im ▪ Meine-Seite-Denken (Myside thinking) ein allgemeines gesellschaftliches Phänomen sieht, müssen aber auch die "gesellschaftlichen Verkehrsformen" (Kopperschmidt 1989, S.15), die dem vernunftorientierten Argumentieren im Weg stehen, in den Blick genommen werden.

In jedem Fall ist das Meine-Seite-Denken ein allgemeines gesellschaftliches Problem und zugleich handelt sich um eines der am weitesten verbreiteten und universellsten kognitiven Vorurteile überhaupt. (vgl. Stanovich 2020; S.3)

 

Plausible Muster der Alltagsargumentation (Kienpointner 1996)

Modelle der kritischen Argumentation und Diskussion
Überblick
Idealmodell der vernünftigen Argumentation (Habermas)
Regeln für vernünftiges Argumentieren

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 17.12.2023

  
 

 
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