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Unter textuellem Aspekt unterscheiden sich Mündlichkeit (Oralität) und Schriftlichkeit (Literalität) allerdings grundlegend voneinander. Dies wird auch bim Argumentieren deutlich. Während mündliches Argumentiers eine offene, meist dialogische (Text-)Struktur aufweist, bei der es durchaus zu Brüchen im thematischen Zusammenhang (Kohärenzbrüche) kommen kann, zeichnet sich schrfitliches Argumentieren durch seine stärkere Strukturiertheit (▪ Textordnungsmuster zur Strukturierung argumentativer Texte) aus, die auf thematischer, struktureller und grammatischer Kohärenz und dem Einsatz entsprechender Kohäsionsmitteln wie Verknüpfungswörter etc. (vgl. Fix 2006/2008, S. 65f.) beruht. Schriftliches Argumentieren stellt eine "zerdehnte Kommunikation" (asynchrone Kommunikation) dar, bei der Schreiber und der Rezipient mit Hilfe des Schreibkommunikats (Text) in einem zeitlichen Abstand und in räumlicher Ferne miteinander kommunizieren. In einer solchen Kommunikation hat der Schreiber bei seiner Textproduktion keine Kontrolle darüber, wie der Empfänger (Rezipient Hörer, Leser) den Text verstehen wird. Um zumindest bis zu einem gewissen Grade gewährleisten zu können, dass der Rezipient des Textes diesen in der beabsichtigten Weise versteht, muss der Textproduzent sich klar, präzise und verständlich ausdrücken, d. h. sprechakttheoretisch ausgedrückt, insbesondere den propositionalen Gehalt seiner Aussagen mit den entsprechenden sprachlichen Mitteln sichern. (vgl. Ehlich 1983) Um entsprechend der ▪ in bestimmten sozialen Gruppen (Bayer 1999, S.149) oder der ▪ in einer Gesellschaft als Ganzes vorhandenen Vorstellungen darüber, "was in einer Alltagsargumentation geeignet ist - oder ungeeignet, plausibel - oder unplausibel, zulässig - oder unzulässig" ist (Kolmer / Rob-Santer 2002, S.150), seine Standpunkte argumentativ vertreten zu können, erwerben wir schon unseren Kindheitsjahren erste ▪ Grundkompetenzen. Heranwachsende Kinder erwerben schon vorschulisch und ohne jede spezielle Förderung in allen diesen Bereichen bemerkenswerte Fähigkeiten, die belegen, dass damit die Annahmen der ▪ Entwicklungspsychologie »Jean Piagets (1896-1980) in seiner »Theorie der kognitiven Entwicklung, wonach Kinder erst im Alter von 11 Jahren aussagenlogische Fähigkeiten entwickeln (vgl. Piaget 2003, S.66), in Frage stehen. So können zwei- bis vierjährige Kinder offensichtlich eigene strittige Handlungen rechtfertigen, können Behauptungen begründen und Vierjährige haben offenbar keine Schwierigkeiten damit, Oma und Opa mit ihren Aussagen als ▪ Autoritäten gegen Meinungen ihrer Eltern heranzuziehen, ohne dass ihnen irgendjemand die formal-logischen Strukturen bei der Bildung von ▪ Argumente aus der Autorität konkret beigebracht hat. (vgl. Feilke 2010a, S.155f. unter Verweis auf Völzing 1981, S.67ff., vgl.) Wenn sie ihre Argumentationsfähigkeiten vor allem in Begründungs. und Rechtfertigungszusammenhängen entwickeln (vgl. Feilke 2010a, S.157), bedeutet dies indessen nicht, "dass begründende Aktivitäten nur in Konfliktsituationen auftauchen. Auch bei anderen verbalen Aktivitäten, wie z.B. bei Rollenbeschreibungen im Rollenspiel oder Erzählungen" konnte beobachtet werden, dass 3–6-jährige Kinder häufig Begründungen für bestimmte Entscheidungen geben. Damit demonstrierten sie, so Arendt (2014, S.309, Anm. 8) sehr eindrucksvoll die Fähigkeit zur Perspektivenübernahme. Kinder dieses Alters schätzen ihre Äußerungen, vor allem wenn sie strittig sind, als potenziell begründungsbedürftig und rahmen sie entsprechend (vgl. Arendt 2015, S.25) Sie verlangen damit "voneinander die Anpassung der Argumente an die geltenden Normen und erfordern und ermöglichen so zugleich ein kontextspezifisches Zuschneiden der Äußerungen [...] Die vorliegenden Daten zeigen, dass die Kinder in kooperativer Orientierung die Äußerungen der anderen Kinder überwiegend responsiv bearbeiten und ihnen damit eine Wertigkeit zuschreiben, die positive Interaktionserfahrungen ermöglicht. Zugleich werden die produzierten Argumente hinsichtlich ihrer Plausibilität innerhalb der kinderkulturellen Sozialwelt erprobt und evaluiert, was eine entsprechende Strategieveränderung bewirken kann". (vgl. Arendt 2015, S.25) Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang hier auch, dass schon Kleinkinder ab mindestens drei Jahren "Begründungen auf topischer Basis mit hoher konklusiver Kraft produzieren können" (vgl. Arendt 2015, S.25, Arendt 2014), indem sie dabei auch "Muster nutzen, die sie in Erwachsenen-Kind-Interaktionen erworben haben. Diese werden aber nicht nur imitiert, sondern an die situativen Bedürfnisse angepasst [...] , was ein Erfassen der sequentiellen Struktur voraussetzt." (Arendt 2015, S.31) Sie verstehen außerdem, dass es beim Argumentieren "um ein interaktives Aushandeln geht und nicht zwingend um einseitiges Bestätigen von problematisierten Geltungsansprüchen." (ebd. S.28) Feilke (2010a, S.157) hat dazu zusammengetragen, was die Forschung hinsichtlich der Alterszuordnung argumentativer Kompetenzen, die sich grundsätzlich sehr stark unterscheidet, herausgefunden hat. Danach lassen sich die "Tendenzen der Entwicklung" folgendermaßen strukturieren:
Eine Möglichkeit ist es, die komplexe Handlung des Argumentierens in Teilhandlungen zu zerlegen und damit bestimmte Teilkompetenzen zu fördern. Dafür stehen Zuordnungs- und Sortieraufgaben, textbezogene Einsetz- und Ordnungsaufgaben und direkt kontroversenbezogene Setting gestalten. (vgl. Feilke 2010a, S.159f.) Im Anschluss an Forschungsberichte Ende des vorigen Jahrhunderts stellt Feilke (2010a) hierzu die nachfolgenden Elemente zusammen:
Gemeinsam ist allen diesen Verfahren, dass sie den Kontext, in dem das Argumentieren erlernt werden soll, vorgeben und dass sie auch komplexe Teilkompetenzen schul- und lernbar machen. Allerdings geht diese gemeinhin als besonders effizient geltende Instrumentalisierung der Kontexte auf Kosten authentischer Lernsituationen, die nach dem Ergebnis anderer Studien weitaus entscheidender für den Erwerb von Argumentationskompetenz zu sein scheint. Kontexte, in denen die Schülerinnen und Schüler ein eigenes Anliegen argumentativ vertreten können, sind gegenüber vorgegebenen "Trockenübungen" also stets im Vorteil. (vgl. ebd., S.161f.)
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