▪
Mündliches und schriftliches Argumentieren
▪ Überblick
▪
Oralität und
Literalität
▪ Kompetenzerwerb beim
Argumentieren
▪
Argumentative
Grundkompetenzen und besondere Kompetenzen beim schriftlichen
Argumentieren
▪
Textordnungsmuster zur Strukturierung beim schriftlichen
Argumentieren
▪
Thematische Entfaltung
▪
Überblick
▪
Deskriptive Themenentfaltung
▪
Narrative Themenentfaltung
▪
Explikative
Themenentfaltung
▪
Argumentative Themenentfaltung
"Argumentierenkönnen",
betont
Kopperschmidt (2000, S.81) "ist Anschließenkönnen an ergiebige
Geltungsressourcen bzw., was das Gleiche meint, ein Auffindenkönnen
von einschlägigen Geltungsbeziehungen." Um dies zu erreichen, müssen
unterschiedliche Kompetenzen erworben werden. Dies geschieht im
Verlauf der Sozialisation, in Familie, Schule und Beruf, überall
dort, wo in einer pluralistischen Gesellschaft unterschiedliche
Wahrnehmungen und Sichtweisen aufeinandertreffen und ihre jeweiligen
Maßstäbe miteinander konkurrieren.
Grundsätzlich
gehört das ▪ Argumentieren sowohl in den
Bereich der medialen Mündlichkeit als auch der konzeptionellen
Schriftlichkeit. Die Kompetenzen und Lernbereiche, die beim
Argumentieren in der Schule von Bedeutung sind, müssen daher
zunächst einmal auf dem Hintergrund der ▪
Unterschiede von mündlichem und schriftlichem Argumentieren
gesehen werden. Dabei lassen sich
Oralität (Mündlichkeit) und Schriftlichkeit (Literalität) unter
pragmatischem
und/oder textuellem Aspekt
betrachten, um sich die grundlegenden Unterschiede zu
verdeutlichen.
Unter
textuellem Aspekt zeigt sich, dass
Argumentieren stellt
dabei grundsätzlich eine sehr komplexe Sprech- bzw. Texthandlung dar, die je nach
Niveau umfangreiche kognitive Operationen verlangt (vgl.
Ludwig/Spinner 2000, S.16-22). Während alltagssprachliches
Argumentieren uns einfach über die Lippen kommt, ist eine reflexive
Sicht auf das, was beim Argumentieren geschieht, eine durchaus
komplizierte Angelegenheit. Dabei "(beginnen)", wie
Feilke (2010a,
S.158) darlegt, "die Schwierigkeiten schon bei der Wahrnehmung
argumentativer Texte als argumentative Texte. Das Erkennen von
Argumentationen ist schwieriger als bei anderen Texttypen." Das
liege vor allem daran, dass sie eine große strukturelle Offenheit
besäßen, lange deskriptive Passagen umfassen können, die in eine
Erklärung eingebaut sein könnten oder auch daran, dass
Argumentationen die sich auf Beispiele stützten auch stark narrativ
angelegt seien. Dies deckt sich mit der textlinguistischen Sicht der
▪
textuellen Grundfunktionen und der ▪
Textfunktion, bei der im Zusammenhang mit konkreten Texten stets
von einer dominierenden kommunikativen Funktion ausgegangen wird.
Dies zeigt sich darin, dass Texte mit überwiegend ▪
argumentativer Themenentfaltung auch mehr oder weniger
umfangreiche Textpassagen mit ▪
beschreibender, ▪
erklärender
oder auch ▪
narrativer
Entfaltung des Themas enthalten können. (vgl.
Brinker
92018, S.87)
"Die dialogische
Grundstruktur der Argumentation", betont
Feilke (2010a,
S.158) weiter, "ist oft sehr verdeckt und kaum zu erkennen.
Schlussfolgerungen und Begründungen bleiben oft implizit und werden
im Normalfall gerade nicht durch Konnektive und andere Indikatoren
angezeigt." (Feilke
2010a, S.158) Hinzukommt dass, die
▪
lineare Reihenfolge von Sätzen und Äußerungen oder die Abfolge von
Redebeiträgen in Alltagsargumentationen meist wenig über ihren funktionalen
Bezug aussagt.
▪
Alltagsargumentationen,
zu denen mündliche Auseinandersetzungen genauso gehören wie
gedruckte Zeitungsartikel (Kommentare, Glossen) (vgl.
Bayer
1999, S.93f.),
sind eben ohnehin nicht ohne Weiteres zu durchschauen. Wer schon einmal versucht hat,
ihre Formulierungen zu präzisieren oder ihre intuitionsgeleiteten Schlüsse
oder
den funktionalen Bezug von Äußerungen herauszuarbeiten, hat
wahrscheinlich mehr als einmal die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen
und resigniert.
Aber selbst wenn Argumente "häufig mehr intuitiv als reflektiert
gebraucht (werden)" existieren aber wohl doch "gesellschaftliche
Vorstellungen" darüber, "was in einer Alltagsargumentation geeignet
ist - oder ungeeignet, plausibel - oder unplausibel, zulässig - oder
unzulässig." (Kolmer / Rob-Santer 2002,
S.150)
Und: In der Alltagsargumentation wird dann auf dieses
"stillschweigende Wissen" (ebd.)
zurückgegriffen, das auf "- gewöhnlich unreflektierten -
Konventionen eines kollektiven Wissens- und Wertesystems
(gesellschaftliche, soziale, historische, ideologische - d. h.
weltanschauliche, religiöse Hintergründe, Annahmen)" beruht. (ebd.)
Dass es für das
Argumentieren bis heute weder eine allgemein anerkannte Didaktik
gibt noch "ein empirisch fundiertes Kompetenzmodell, das die
Entwicklungsstufen der Argumentationsfähigkeit beschreiben
würde" (Spinner
2007, S.22), gibt, ist dabei immer wieder festgestellt worden.
Angesichts der Jahrtausende währenden
▪
Geschichte
der Rhetorik sowie der Vielzahl der darauf bezogenen
wissenschaftlichen Disziplinen,
▪
Theorieansätzen, ▪
Systemen und ▪
Modellen ist dies allerdings auch
nicht weiter verwunderlich. Das ändert allerdings nichts daran,
dass die herausragende Rolle der Sprech- bzw. Texthandlung des
Argumentierens in der Fachdidaktik unstrittig ist.
Im Deutschunterricht ist Argumentieren
immer dann, wenn es um mündliche und schriftliche Kommunikation
geht, in gewisser Weise "Alltagsgeschäft". Dementsprechend ist die
schulische Praxis auch schon seit jeher ein Exerzierplatz für
unterschiedliche Konzepte, Ansätze und vielfältige Übungsformen. Die jeweiligen Besonderheiten des ▪
mündlichen und des schriftlichen Argumentierens
zeigen sich dabei in unterschiedlichen Lernarrangements und
Aufgabenstellungen, können aber auch immer wieder so aufeinander bezogen
werden, dass schriftliches und mündliches Argumentieren sich beim Aufbau
einer allgemeinen Argumentationskompetenz gegenseitig fördern. Oft kommt
es auch vor, dass dem mündlichen Argumentieren eine mehr oder weniger umfangreiche bzw. detaillierte schriftliche
Planung vorausgeht.
Die Frage,
wie man das Argumentieren lernt, ist in der langen
▪
Geschichte
der Rhetorik und in der modernen Didaktik des
Deutschunterrichts dabei auf verschiedene
Art und Weise beantwortet worden.
Die Kompetenzen,
die beim Argumentieren vorausgesetzt werden, lassen sich nach
Feilke (2010a,
S.158) in Grundkompetenzen, die sowohl für mündliches wie
auch schriftliches Argumentieren erforderlich sind, und in besondere
Kompetenzen für das schriftliche Argumentieren unterteilen.
Ausgangspunkt ist dafür die Erkenntnis, dass bestimmte
Grundkompetenzen
und das "»natürliche«" Argumentationsverhalten" (Feilke
2010a, S.153) für das schriftliche/textuelle Argumentieren nicht
ausreichten. Man könne es nur "unter größeren Schwierigkeiten" (ebd.)
für das schriftliche Argumentieren gebrauchen. Soll der Erwerb der
besonderen konzeptionell-literalen Kompetenzen in schulischen Lehr-
und Lernprozessen gefördert werden, bedarf es einer speziell daran
orientierten Didaktik mit spezifischen für den Erwerb dieser
Kompetenzen arrangierten Kontexten. (vgl.
ebd.)
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Unter dem
Blickwinkel des ▪ Kompetenzerwerbs und der Kompetenzentwicklung können
über das
▪ Argumentieren
wichtige Erkenntnisse gewonnen werden, die
auch die Didaktik des Argumentierens in der Schule nachhaltig
beeinflussen können.
Grundkompetenzen
Schon ▪
heranwachsende Kinder
erwerben Grundkompetenzen beim Argumentieren, noch ehe sie
schreiben und lesen können. Sie gelangen also schon vor der Schule
und ohne jede spezielle Förderung bemerkenswerte Fähigkeiten beim
mündlichen Argumentieren. Dabei nutzen sie "Muster [...], die sie in
Erwachsenen-Kind-Interaktionen erworben haben. Diese werden aber
nicht nur imitiert, sondern an die situativen Bedürfnisse angepasst
[...], was ein Erfassen der sequentiellen Struktur voraussetzt." (Arendt
2015, S.31) Sie verstehen außerdem, dass es beim Argumentieren
"um ein interaktives Aushandeln geht und nicht zwingend um
einseitiges Bestätigen von problematisierten Geltungsansprüchen." (ebd.
S.28)
Dabei erlangen sie
in vier Bereichen Grundkompetenzen, die im Laufe ihres Heranwachsens
weiter entwickelt werden. Wer, in welcher medialen Form auch immer,
argumentiert, muss also über solche Grundkompetenzen verfügen.
-
Wer – in welcher
medialen Form auch immer – argumentiert, muss Kompetenzen im Bereich
der Werte und Normenkenntnis
haben und sich an den Vorstellungen orientieren können, die
▪
in bestimmten sozialen Gruppen
(Bayer
1999, S.149) oder in der ▪
in der Gesellschaft als Ganzes
gelten. Wer mit dem Ziel, sich zu
positionieren und andere zu beeinflussen, im besten Fall zu
überzeugen, zu etwas Strittigem argumentiert, kann also nicht einfach so vor sich
hinquatschen. Er muss wissen, was im Allgemeinen in diesen Bereichen
für wichtig angesehen wird oder was gewünscht, erlaubt oder
unzulässig ist.
-
Weltwissen und
sprachliches Wissen,
z. B. darüber wie elementare Begründungszusammenhänge (aus-)formuliert
werden, zählen ebenso zu den Grundkompetenzen.
-
Ohne ein
grundlegendes Argumentationsstrukturwissen, "das zum Teil sicher auch
sprachlich ist" (Feilke
2010a, S.155), und
Wissen über
bestimmte Argumentationsarten, die sich z. B. auf
Wert- oder
Sachfragen beziehen und im Formulieren entsprechender
Wert- oder
Sachurteile münden,
"funktioniert" das Argumentieren wohl kaum.
-
Auch grundlegende
Kenntnisse über die »Fundstätten« oder »Orte«, an denen man Argumente finden
kann (Topoi)
bzw. Kenntnisse über die allgemeinen Formprinzipien für
Beweisgründe oder "Argumentationsgesichtspunkte", die in
rhetorischen Plausibilitätsbeweisformen" (Knape
2000 S.756) zum Einsatz kommen (z. B. Topoi der Kausalität,
der Zeit, der Einordnung oder des Vergleichs)
(Kolmer / Rob-Santer 2002,
S.151ff.) oder über bestimmte Regeln, die beim Argumentieren
zu beachten sind, allgemein Argumentationsmuster und
Denkfiguren, fallen unter die
Grundkompetenzen.
Spezifische Kompetenzen beim schriftlichen Argumentieren
Für das
konzeptionell literale Argumentieren reichen indessen die
Grundkompetenzen nicht aus, denn "argumentativ überzeugende Texte
sind quantitativ und qualitativ etwas anderes als eine Liste guter
Argumente für oder gegen eine strittige Behauptung." (Feilke
2010a, S.156) Dementsprechend ist das "»natürliche«"
Argumentationsverhalten" (ebd., S.153) nur "unter größeren Schwierigkeiten" (ebd.)
für das schriftliche Argumentieren zu gebrauchen.
So muss man beim
schriftlichen Argumentieren die gegenüber dem mündlichen Argumentieren
noch einmal deutlich höheren "Anforderungen an die Fähigkeit zur
Perspektivenantizipation, Perspektivenwechsel und
Perspektivenintegration" (ebd.,
S.157) bewältigen, wenn man erfolgreich kommunizieren will.
Drei
Kompetenzbereiche sind es nach Feilke
(2010a, S.156) vor allem, die den quantitativen
und qualitativen Unterschied zu den oben dargestellten
Grundkompetenzen ausmachen:
Die
textpragmatische Rahmungskompetenz umfasst Fähigkeiten, mit
denen nichtargumentative
▪
Sprechakte
wie z. B.
▪
BITTEN,
▪
DROHEN oder
▪
DANKEN
als Texthandlungen beim schriftlichen Verfassen von Texten unterschieden werden.
Außerdem gehören dazu Fähigkeiten zur Ansprache des Adressaten wie
auch explizit formulierte, metakommunikative Formen, mit denen
Verständnishilfen oder Hilfen bei der Gliederung formuliert werden
sowie
andere Formen der Lesersteuerung.
Kompetenzen zum
Argumentausbau beziehen sich auf Fähigkeiten, mit denen
weitere topische Muster erworben oder ausgebaut werden und darauf,
mit welchen Makroschemata ein Argument mit Weltwissen angereichert
werden kann.
Kompetenzen
spezifisch literaler Argumentation sind gefragt, wenn eine
Dialogsituation, z. B. mit Fragen, fingiert wird oder wenn
Widerspruch textlich organisiert
werden soll. Dazu muss man die Mittel kennen und beherrschen, die
zum kontroversen, konzessiven und hypothetischen Argumentieren
gehören.
Der Erwerb und die Entwicklung der spezifischen Kompetenzen für das
konzeptionell-literale Argumentieren in schulischen Lehr- und
Lernprozessen stellt auch die Fachdidaktik vor besondere
Herausforderungen. So kann das mündliche Argumentieren im Unterricht
eben nur zum Teil hilfreich sein, um die besonderen Fähigkeiten, die
das schriftliche Argumentieren verlangt, zu fördern.
Soll der Erwerb
der besonderen Kompetenzen gefördert werden, bedarf es einer speziell
daran orientierten Didaktik mit spezifischen für den Erwerb dieser
Kompetenzen arrangierten Kontexten. (vgl. Feilke
2010a, S.153)
Solche kompetenzfördernden Lernkontexte müssen das Sprachangebot
steuern und mit geeigneten ▪
Lern-
und ▪ Übungsaufgaben
mit ihren verschiedenen
Settings (▪
Lernraum-,
▪ Übungsraumsetting)
und ▪
Anforderungen an die
Lehrerrolle dafür sorgen, dass diese Kompetenzen auch im
Unterricht erworben werden können. (vgl.
ebd,
S.159)
▪
Mündliches und schriftliches Argumentieren
▪ Überblick
▪
Oralität und
Literalität
▪ Kompetenzerwerb beim
Argumentieren
▪
Argumentative
Grundkompetenzen und besondere Kompetenzen beim schriftlichen
Argumentieren
▪
Textordnungsmuster zur Strukturierung beim schriftlichen
Argumentieren
▪
Thematische Entfaltung
▪
Überblick
▪
Deskriptive Themenentfaltung
▪
Narrative Themenentfaltung
▪
Explikative
Themenentfaltung
▪
Argumentative Themenentfaltung
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
17.12.2023
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