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Wer argumentiert, sollte
versuchen weitgehend sachlich zu bleiben. Gründe, die mit der Sache nichts
zu tun haben, Appelle an Gefühle und Berufen auf irgendwelche
Autoritäten sollten außen vor bleiben. (Sachlichkeitsgebot) |
In vielen Diskussionen halten die Kontrahenten einander vor, dass sie nicht
sachlich blieben, sondern sich von ihren Gefühlen treiben ließen oder
Gesichtspunkte vorbrächten, die mit der (eigentlichen) Sache gar nichts zu
tun hätten. Insode
Auf den britischen Philosophen der Aufklärung John Locke (1632-1704) geht
die strenge Unterscheidung zurück, die "seriöse Sachargumente, die
rationaler Prüfung standhalten ('argumenta
ad iudicium')" von allen übrigen beliebigen Argumenten wie den 'argumenta
ad hominem' (welche die vom Kontrahenten konzedierten Prinzipien
übernehmen bzw. auf dessen Person statt auf die Sache eingehen) und den
'argumenta ad X', die sich nur auf
Wahrscheinliches bzw. gar evident Falsches beziehen und eine Argumentation
z. T. demonstrativ ad absurdum führen." (Rädle, in:
Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft, Bd. I A-G, 1997, S.132,
Hervorh. d. Verf.)
- Drohen und Einschüchtern (Argumentum
ad baculum (baculum = Stock, Prügel)
Wer einem Kontrahenten verbal oder nonverbal droht oder ihn sonst wie
einschüchtern will, verlässt den Boden vernunftorientierter und
partnerschaftlicher Argumentation. Indem man damit Angst erzeugen will,
appelliert man an die Emotionen seines Gegenübers, ohne sich auf dessen
Argumentation einzulassen. Werden Drohungen explizit vorgenommen, dann
ziemlich unmissverständlich klargemacht, dass der weitere Fortgang der
argumentativen Auseinandersetzung vollkommen unsymmetrisch verlaufen
soll und der Kontrahent in seiner
Redefreiheit eingeschränkt werden soll.
Beispiele:
"Ich kann Sie nur warnen, mit dieser Meinung kommen Sie bei uns
nicht durch." - "Auch wenn alle Kolleginnen und Kollegen hier meinen,
wir sollten die Verspätungen der Schüler konsequent ins Klassenbuch
eintragen, können Sie natürlich gerne eine Extrawurst braten, Herr
Müller!" - "Was mich anbelangt, habe ich echt kein Problem mit Ihrer
Meinung, aber ich würde das an Ihrer Stelle ansonsten nicht so laut
sagen."
- Die
Persönlichkeit des Kontrahenten angreifen (Argumentum ad hominem)
Gegen das Sachlichkeitsgebot wird verstoßen, wenn man, statt auf die
Argumentation des Kontrahenten einzugehen, versucht, dessen
Argumentation dadurch beiseite zu schieben, dass man persönliche
Eigenschaften oder Umstände des Gegners angreift. Da dieses Vorgehen
häufig vor einem Publikum stattfindet, zielt es als
argumentum ad populum darauf, den
Kontrahenten in den Augen des Publikums zu diskreditieren. Nach Walton (
) kann man fünf verschiedene Arten von direkten Argumenten ad hominem
unterscheiden, von denen jede sich auf einen besonderen angeblich
mangelhaften Aspekt der Persönlichkeit des Kontrahenten richten.

(nach. Walton
1998)
Beispiele:
a) Sie können doch nicht allen Ernstes behaupten, ... b) Wenn man
das, was du behauptest, mal ganz vernünftig unter die Lupe nimmt, ... c)
Wenn Sie selbst keine Kinder haben, wie wollen Sie dann dann behaupten,
... d) Ohne ein abgeschlossenes Studium der Volkswirtschaft können Sie
wohl kaum ermessen, welche Folgen die Schuldenkrise wirklich hat. d) Was
sie vorschlagen, zeugt von grenzenloser Skrupellosigkeit.
-
Populistische Appelle
(argumentum ad populum)
Mit populistischen Appellen richtet man sich mehr oder weniger direkt an
die Zuhörer (populus = lat. Volk), indem man seinen Kontrahenten dadurch
diskreditiert, dass man Emotionen appelliert, die das Publikum gegen ihn
einnehmen soll.
Beispiel: Die Anzahl der Flüchtlinge, die wir in Deutschland
aufnehmen sollen ist einfach zu groß. Wir können doch nicht die ganze
Welt bei uns aufnehmen.
-
An das Mitleid appellieren
(argumentum ad misericordiam):
Wer an das Gefühl des Mitleids appelliert, tut dies gewöhnlich in der
Absicht, zu verhindern, dass seine vorgebrachten Argumente nicht so
genau unter die Lupe genommen werden oder will Nachfragen dazu
unterbinden.
Beispiele:
a) Man muss natürlich auch sehen, dass der Schüler die Unterschrift
seines Vaters gefälscht hat, weil er Angst vor seinen Eltern hat. b)
Kaum vorzustellen, dass ein so untadeliger Mensch solche extremen
Ansichten vertritt. c) Darauf gekommen bin ich wahrscheinlich nur, weil
ich so ein Wut im Bauch hatte.
Dies kann vielfältige Formen annehmen: Gewalt, Erpressung, das
Überschreien oder Ächten der gegnerischen Position.
Wer redlich sich auf das bezieht, was sein Gegenüber gesagt hat, tut
dies ehrlich und fair und eben nicht unredlich, d. h. heuchlerisch,
gemein und unwahrhaftig. Ob und inwieweit einem dies gelingt, beeinflusst
das Gesprächsklima in beträchtlicher Art und Weise. Voraussetzung für das
Umsetzen der mit dieser Regel ausgesprochenen Anforderung, ist eine
hinreichende Klarheit und
Verständlichkeit der vorgebrachten Positionen (Klarheit
des Ausdrucks und korrektes Verstehen)und die Bereitschaft, den
jeweils anderen ausreichend zu Wort kommen zu lassen und ihm →zuzuhören
(umschreibend oder
aktiv zuhören) Eine
gute Übung für das korrekte Verstehen liefert dazu das Verfahren des →Kontrollierten
Dialogs.
Allerdings gibt es im nichtpartnerschaftlichen
Argumentieren eine Reihe von Möglichkeiten, diese Regel zu unterlaufen
oder nur scheinbar einzuhalten, um einen Vorteil in einer Diskussion zu
erlangen.
Die Strohmann-Argumentation
Einen Verstoß gegen die redliche Bezugnahme auf das Gesagte ist es, wenn man
den Standpunkt seines Gegenübers mehr oder weniger stark verzerrt. Wählt man
diesen dann zum Ausgangpunkt der eigenen Gegenargumentation, erhofft man
sich davon Vorteile. Und tatsächlich: Ein Publikum, das Zeuge einer
derartigen argumentativen Auseinandersetzung ist, kann damit leicht zu
Fehlschlüssen verleitet werden, weil es glaubt, dass die quasi einem
Strohmann in den Mund geschobenen Äußerungen mit denen, die der jeweilige
Gegner geäußert hat, zumindest sehr ähnlich sind. Schlimmer noch: Der
eigentlich so Angegriffene merkt es oftmals selbst nicht so genau, warum
seine eigentlich wohldurchdachte Position auf einmal nicht mehr so gut
haltbar ist und nur schlecht verteidigt werden kann. Ihm wird nämlich damit
gewissermaßen das Wort im Munde umgedreht.
Dieses Verfahren wird oft als »Strohmann-Argument
(engl. »straw
man fallacy) bezeichnet. Wird es absichtlich eingesetzt wird, folgt man
damit einem
Sieg-Niederlage-Modell und will den Kontrahenten mundtot machen, indem
man letzten Endes dessen Redefreiheit
einschränkt.
Abb. 1
Die Struktur des
Strohmann-Arguments folgt dabei folgendem Muster:
-
Person 1
vertritt Position X.
-
Person 2
argumentiert so gegen eine andere, aber sehr ähnliche Position Y, als ob
ein Argument gegen Y auch zwangsläufig ein Argument gegen X sei.
Formen der Strohmann-Argumentation
Wer mit Strohmann-Argumenten gegen sein Gegenüber zu Feld
zieht, kann dies z. B. auf folgende Art und Weise tun:
-
Man stellt die
Behauptung des Kontrahenten verzerrt, übertrieben oder falsch dar, um
die entstellte These zu widerlegen. Wenn das Strohmann-Argument gefallen
ist, behauptet man, dass damit auch die ursprüngliche These des Gegners
widerlegt ist.
-
Man beschreibt
jemanden anderen, der die gegnerische These mit wenig plausiblen
Argumenten verteidigt, Indem man dessen Argumente widerlegt, behauptet
man zugleich, dass damit auf dem Wege eines vermeintlichen
Analogieschlusses jede solche These und insbesondere die des jeweiligen
Gegenüber auch widerlegt ist.
-
Man erfindet zur
These seines Gegners analoge oder nur vermeintlich analoge Beispiele und
behauptet. diese Analogien widersprechen der These des Gegners. Solche
Analogien, die man sich für solche Fälle zurechtgelegt hat, sind eben
oft wesentlich leichter zu widerlegen als das, was vom anderen wirklich
behauptet worden ist.
(vgl.
Wikipedia: Strohmann-Argument)
Wenn der Sprecher, dessen Äußerung ungenau oder entstellt wiedergegeben
wurden,
erkennt, dass er zum Opfer einer Strohmann-Argumentation werden soll, sollte
er zunächst versuchen auf der Sachebene zu reagieren. Dazu sollte man den
Ausführungen seines Gegners klar und deutlich widersprechen und darauf
bestehen, dass er das, was einem damit unterstellt wird, weder gesagt noch
gemeint hat. Vielleicht ist es auch nötig, dass man seine Position noch
einmal wiederholt und ggf. verständlicher ausdrückt, was man meint. Alles
unter der Voraussetzung, dass der andere das zulässt. In einer
vernunftorientierten und partnerschaftlichen Argumentation ist es aber in
jedem Fall völlig unzulässig, wenn man seinen Kontrahenten gegen dessen
Willen nötigt, einer entstellten Version seiner Ausführungen zuzustimmen.
(vgl. dazu: Kienpointner 1996, S.34ff.)

Abb.2
Ein Fallbeispiel soll verdeutlichen,
worum es bei der Strohmann-Argumentation geht. So könnten folgende
Positionen in Bezug auf den Anbau gentechnisch veränderter Lebensmittel
vertreten werden. Während die Person A sagt, dass sie für eine stärkere
Einschränkung ihres Anbaus eintritt, will Person B, dass der Anbau möglichst
ohne Auflagen möglich ist. Um die Position von A zu erschüttern, könnte B
mit Hilfe einer Strohmann-Argumentation entgegnen: "Wenn wir den Anbau
gentechnisch veränderter Lebensmittel verhindern, werden wir es über kurz
oder lang mit Hunger und Hungersnöten zu tun haben. Im Gegensatz zur
Position von A, entscheide ich mich hier also klar für die den Anbau solcher
Lebensmittel und für die Sicherung unserer Lebensgrundlage und unser aller
Leben." (vgl.
http://www.quickanddirtytips.com/education/grammar/what-is-a-straw-man-argument?page=1#sthash.kYR1OC5r.dpuf
)
Oftmals liegt es auch an der Beziehung der Gesprächspartner zueinander, wenn
von der redlichen Bezugnahmen auf das Gesagte abgewichen wird. So kann es
vorkommen, dass einer der Gesprächspartner einfach zu ungeduldig ist, um
überhaupt genau hinzuhören, was sein Gegenüber von sich gibt. Wenn noch
stärkere Belastungen der Beziehungsebene vorliegen, weil jemand aus
eigensüchtigen Motiven dem anderen das Wort im Munde umdrehen will, um ihn
mundtot zu machen, hilft die Klärung der Sachebene nicht viel weiter.
Auf ein Problem, das auf der Beziehungsebene liegt, verweisen auch
übermäßiges Misstrauen, übergroße Genauigkeit oder Pedanterie, die sich z.
B. in Haarspalterei niederschlagen
können. Die spitzfindige Wortklauberei,
die sich darin zeigt, dass man einfach nicht loslassen kann und seinen
Gesprächspartner vor sich hertreiben will, indem man kleinlich an der
wortwörtlichen Bedeutung von etwas Gesagtem festhält, verdeutlicht das
nachfolgende
Streitgespräch zwischen einem Ehepaar:
Sie: Alle Männer
sind Schweine.
Er: Also bin ich
auch ein Schwein, gut zu wissen!
Sie: Jetzt sei
doch nicht gleich eingeschnappt, dich meine ich doch gar nicht.
Er: Ach so, ich
bin wohl gar kein Mann. Das wird ja immer besser.
Sie: Nein, du bist
halt mein Mann.
Er: Du sagst aber,
dass alle Männer Schweine sind.
Sie: Ich sag‘ das
ja eigentlich gar nicht, das ist doch bloß ein Songtext.
Er: Aber du
findest den Text richtig, stimmt’s?
Sie: Ich finde,
der trifft es auf den Punkt.
Er: Aber du hast
das zu mir gesagt.
Sie: Ist doch
egal, du bist kein Schwein, sonst wäre ich ja nicht mit dir zusammen.
Er: Dann ist der
Spruch doch einfach falsch.
Sie: Na gut, dann
sage ich halt: Alle Männer sind Schweine, außer dir. Mein Gott, bist du
wieder mal pedantisch.
Er: Weißt du was,
Frauen übertreiben halt immer.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
14.06.2020
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