Das
allgemeine
Argumentationsschema Stephen Toulmins gestaltet sich wie folgt. Es
zeigt, dass in jeder Argumentation eine
Konklusion in Beziehung zu bestimmten Daten gesetzt wird. (vgl.
Argumente im
Analyseschema von Toulmin)

1. Ohne
Schlussregeln keine Argumentation
Eine strittige Behauptung bzw. These
(von Toulmin "claim"; abgekürzt: C; Konklusion genannt) wird durch
Argumente ("Datum" bzw. "Data", abgekürzt: D; Tatsachen) begründet.
Damit diese (Aussagen über) Tatsachen überhaupt die Rolle von Begründungen für
eine bestimmte These übernehmen können, müssen sie in ein bestimmtes logisches
Verhältnis zur These gebracht werden. Dieses logische Verhältnis entsteht durch
eine Regel, auf deren Grundlage eine bestimmte Schlussfolgerung gezogen bzw.
eine These aufgestellt werden kann. Diese Schlussregel, nicht
gleichbedeutend mit einer Schlussfolgerung, macht aus diesen
Tatsachenbehauptungen ("Daten") eigentlich erst Argumente.
-
Eine derartige Schlussregel kann sehr kurz ausfallen und dann z. B. die
Formen "Wenn D, dann C" oder "D; deshalb C" annehmen.
-
Sie kann aber auch ausführlich gestaltet wie folgt erscheinen: "Wenn die
Daten x1, x2, x3 gegeben sind, dann kann man
annehmen, dass C."
Schlussregeln, ohne die
Argumentation nicht auskommt, werden allerdings nicht immer explizit formuliert.
Sie sind sogar meistens nur implizit vorhanden. Zusammen mit Thesen (C)
und Argumenten (D) bilden sie aber stets die
Grundstruktur der Argumentation.
Schlussregeln
-
sind "hypothetische, brückenartige Aussagen" (Toulmin
2. Aufl. 1996, S.96), die von Schlussfolgerungen und Argumenten streng
unterschieden werden müssen,
-
zeigen an, dass der Schritt vom Argument / von den Argumenten "auf die
ursprüngliche Behauptung oder Schlussfolgerung angemessen und legitim ist" (Toulmin
2. Aufl. 1996, S.89),
-
sind allgemein gehalten und gelten für alle (besonderen) Argumentationen
des betreffenden Typs,
-
sind entweder zwingend oder eingeschränkt gültig (vgl.
Toulmin 2. Aufl. 1996, S.91)
2. Der Geltungsanspruch einer Argumentation
"Wer eine Behauptung aufstellt, erhebt damit einen Anspruch – einen
Anspruch auf unsere Aufmerksamkeit und auf unseren Glauben", betont Stephen
Toulmin (Toulmin
2. Aufl. 1996, S.17). Allerdings kann der Grad dieses Anspruchs verändert
(modifiziert) werden und dies wirkt sich unmittelbar auf die jeweilige
Schlussfolgerung aus, der dadurch eine unterschiedliche Stärke verliehen wird.
Modaloperatoren
Wenn man den Geltungsanspruch oder Wahrscheinlichkeitsgrad
der Argumentation einschränken will, kann man sich eines so genannten
Modaloperators bedienen. Modaloperatoren sagen also etwas über die Relevanz
der angewendeten Schlussregel im Allgemeinen und für den vorliegenden
Fall aus.
-
Manche Schlussfolgerungen bzw. argumentativen Zusammenhänge erscheinen
uns auf der Grundlage ihrer implizierten Schlussregel so zwingend,
dass wir dies mit einem Modaladverb wie "notwendigerweise", o. ä.
versehen.
-
Andere Schlussfolgerungen kommen uns nur "wahrscheinlich" vor,
weil wir ihr Eintreten bloß vermuten. Formulierungen dieser Art nennt man
Einschränkungsoperatoren, weil sie den Geltungsanspruch der
These/Schlussfolgerung begrenzen.
Ausnahmebedingungen
Man kann den Geltungsanspruch einer Schlussfolgerung aber auch dadurch
eingrenzen, dass man so genannte Ausnahmebedingungen formuliert. Sie
geben die Umstände an, unter "denen die allgemeine Erlaubnis durch die
Schlussregel aufgehoben werden müsste." (Toulmin
2. Aufl. 1996, S.92)
Bestehen derartige Ausnahmebedingungen und werden sie in der Argumentation
nicht aufgeführt, ist es natürlich ein Leichtes, die durch eine bestimmte
Schlussregel legitimierte Schlussfolgerung/These anzufechten und
zurückzuweisen.
3. Die Stützung der Schlussregel
Wenn man annehmen muss, dass die
Grundstruktur der Argumentation noch nicht hinreichend überzeugen kann,
muss man weitere Aussagen heranziehen.
-
Wenn das vorgebrachte Argument nicht hinreichend überzeugen kann.
Dann ist es vielleicht erforderlich, weitere Argumente unter Beibehaltung
der implizierten oder nur teilweise abgeänderten Schlussregel zu finden.
Weitere Argumente untermauern damit die schon gezogene
Schlussfolgerung bzw. die These und fügen der vorhandenen Begründung weitere
hinzu. Diese Argumente bilden bei gleicher Schlussregel eine lineare
Argumentationskette.
-
Während man also in diesem Fall weitere Argumente auf der Basis einer
implizierten Schlussregel sucht und anführt, muss man bei der möglichen
Anfechtung der Schlussregel anders verfahren.
Sollen mögliche Einwände und Anfechtungen gegen die Schlussregel abgewehrt
werden, muss man diese selbst stützen.
Aussagen, die zur Stützung der Schlussregel herangezogen werden, sollen
bewirken,
-
dass die verwendete Schlussregel auf den von ihr beanspruchten Bereich
von Argumentationen des gleichen Typs angewendet werden kann und diese
Anwendung zulässig ist
-
dass die Anwendung der Schlussregel für den vorliegenden Fall zulässig
ist.
Im Allgemeinen stehen zur Stützung von Schlussregeln folgende
Möglichkeiten zur Verfügung:
Diese Möglichkeiten stehen natürlich nicht für jeden Gegenstand von
Argumentationen zur Verfügung. Man muss daher immer wieder die so genannte
"Veränderlichkeit oder Bereichsabhängigkeit der Stützung" (Toulmin
2. Aufl. 1996, ebd. S. 95) beachten.
Wie die Stützung der Schlussregel also im Einzelnen erfolgt, hängt von
verschiedenen Gesichtspunkten ab. Sie stellt in jedem Falle eine "komplexe
Aufgabe dar, "bei der je nach Argumentationszusammenhang Logik,
einzelwissenschaftliche Theorien, Erfahrung, Plausibilität und Gruppenkonsens
in unterschiedlichem Maße eine Rolle spielen." (Bayer
1999, S. 146)
-
In wissenschaftlichem Kontext ist es z. B. notwendig, dass die
konditionalen theoretischen Prämissen von deduktiven Argumenten zuvor mit
Hilfe von induktiven Argumenten oder in einem komplexen
hypothetisch-deduktiven Vorgehen gewonnen werden.
-
In der Alltagsargumentation dagegen bleibt einem - auch wenn das unter
fomal-logischem Aspekt der Argumentation problematisch ist - häufig nichts
anderes übrig, als den Übergang von Argument (Daten) zur Schlussfolgerung
(Konklusion) "durch Rückgriffe auf von allen geteilte Auffassungen (Klein
1980) oder durch Appelle an den mehr oder weniger
gesunden Menschenverstand" zu stützen.
(vgl.
Bayer 1999, S. 147)
docx-Download -
pdf-Download
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
17.12.2023