"Wenn sich zwei streiten ..." , kommt es (meistens) zum Argumentieren
Die Bezeichnung "rhetorischer Giftschrank" (Weidenmann 1975,
S.89)
ist eine Metapher, die zum
Ausdruck bringen will, dass die Rhetorik eine ganzes Arsenal von Techniken
bereithält, die dazu dienen können, den anderen in einem
Sieg-Niederlage-Modell zur Aufgabe seines
jeweils eigenen oder einfach zur Übernahme der Position des Sprechers zu
"nötigen".
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Dabei ist damit natürlich kein juristischer bzw. strafrechtlicher
Tatbestand gemeint. Zugleich wird aber doch mit dem Begriff "Nötigung"
darauf verwiesen, dass mit dem Griff in den rhetorischen Giftschrank
rhetorische Strategien verfolgt werden, mit denen ein anderer gegen seinen
Willen zu einem bestimmten Verhalten gezwungen werden soll.
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Dies schließt
auch Formen der Argumentation ein, mit denen einem anderen die eigene
Meinung suggeriert wird.
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Wer zu den Rezepten des rhetorischen Giftschrankes
greift, verlässt damit den Boden partnerschaftlichen Argumentierens und
Diskutierens.
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Und: Wer den rhetorischen Giftschrank nützt, um andere ggf. noch vor anderen
"mundtot" zu machen, übt damit verbale Gewalt aus.
Perspektivenwechsel vornehmen
Dabei kommt es natürlich
auf den jeweiligen Einzelfall an, ob unfaires Argumentieren sich dahin
entwickelt. Was aber demjenigen, der aus einer überlegenen Sprecherposition
heraus agiert, oft nur ein wenig unfair vorkommt, kann für denjenigen,
der Opfer solcher rhetorischer Strategien wird, längst schon die Grenze
zu verbaler Gewalt überschritten haben.
Wer als Sprecher also (auch durchaus unbewusst) zum Griff in den
rhetorischen Giftschrank neigt, sollte zu einem Perspektivenwechsel
aufgefordert werden.

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(vgl.
Weidenmann, Bernd
(1975): Diskussionstraining, Reinbek bei Hamburg 1975)
Das Sortiment des rhetorischen Giftschranks lässt sich
beliebig erweitern
Was alles zum Sortiment des rhetorischen Giftschrankes
zählt, lässt sich nicht eindeutig festlegen.
Das Arsenal der
eristischen Techniken lässt sich nämlich nach Belieben erweitern, um bestimmte
nichtpartnerschaftliche Taktiken und Strategien beim Argumentieren zu
bezeichnen und zu identifizieren.
So hat, nur um ein Beispiel von vielen zu
nennen, Anton
(3. Aufl. 2013) 50 verschiedene eristische Techniken identifiziert.
Welchen Nutzen Sprecher in der Kommunikation aus ihrer
Kenntnis des Arsenal eristischer Techniken ziehen, kann natürlich sehr
gegensätzlich sein. Man kann
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versuchen, eristische Argumentationstechniken zu
vermeiden und damit das partnerschaftliche
Argumentieren fördern und pflegen.
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aber auch seine Kenntnisse der "boshaften Rhetorik"
dazu nützen, um seine nichtpartnerschaftlich angelegten
Durchsetzungsstrategien zu optimieren.
Zeitgenössische Ratgeber für "Ichlinge"
Viele zeitgenössische Ratgeber zum Argumentieren, die den Büchermarkt
fluten, stellen das Argumentieren ganz auf die Durchsetzung x-beliebiger
Interessen ab. Das mag zum Selbstkonzept vieler "Ichlinge" in unserer
vermeintlichen "Ellenbogengesellschaft" passen.
Dennoch empfehlen wir an dem
von
Weidenmann (1975) entwickelten Konzept des rhetorischen Giftschrankes
festzuhalten, dessen Hauptaugenmerk darauf gerichtet ist, solche Strategien zu
vermeiden oder sich gegen sie zu wappnen.
Gegenüber der nahezu ins Beliebige
erweiterten Listen eristischer Techniken hat das Modell zudem den Vorteil
einer leichten Verständlichkeit.
Vier Varianten
nichtpartnerschaftlichen
Argumentierens sollen hier jedoch etwas genauer unter die Lupe
genommen werden. Sie kommen besonders häufig vor.
Man will dann
(nach:
Weidenmann 1975)
Dabei muss man sich bei der Analyse solcher nichtpartnerschaftlicher
Strategien immer wieder vor Augen halten, dass sie nur selten in Reinform
vorkommen. Häufig vermischen sie sich miteinander, damit die intendierten
Ziele erreicht werden können. Dass der "rhetorische Giftschrank" kein
abgeschlossenes System eristischer Techniken darstellt und auch nicht
beabsichtigt, alle möglichen und denkbaren eristischen Methoden zu erfassen,
versteht sich von selbst. So gesehen gehören natürlich auch eine Reihe von
Techniken oder Gruppen von Techniken in den rhetorischen Giftschrank, die in
der ursprünglichen Fassung (s. Schaubild) nicht enthalten sind.
Zu denken ist dabei an das Konzept der
Killerphrasen
oder der
Straßensperren. Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
19.06.2023
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