Die ▪
Nachricht gehört zu den ▪
informations- bzw. tatsachenbetonten Formen unter den •
journalistischen
Schreibformen. Es handelt sich dabei
um einen
kontinuierlichen
Sachtext, dessen
Textmuster
an mehr oder minder klare Vorgaben gebunden ist. Beim Rezipieren von
Nachrichten können wir dabei auf der Grundlage unseres intuitiven
Wissens über Textsorten, das wir in der Alltagskommunikation
erworben haben (vgl.
Brinker
52001, S.131,
Brinker/Cölfen/Pappert 92018, S.135) die "spezifische
Ausprägung der Darstellungsfunktion" (Brinker/Cölfen/Pappert
92018, S.122) erkennen, indem wir die typischen
"Musterhinweise, mit denen wir von einer bestimmten Textsorte auf
eine bestimmte Texthandlung schließen", identifizieren. Dabei hilft
uns die Zuordnung der (journalistischen) Nachricht zum
Kommunikationsbereich
des Journalismus sowie das "Herauslesen" der typischen Textbausteine
(•
Textprozeduren), die in ihrer spezifischen Zusammenstellung die
Textsorte
Nachricht konstituieren.
Meldung - Nachricht - Bericht
Man kann die
Nachricht von der Meldung
unterscheiden, die quasi die Elementarform der Information
darstellt. In knappster Form, oft nur in einem einzigen Aussagesatz
formuliert, informiert sie über ein Ereignis und beantwortet dabei
die wichtigsten Fragen (wer, was, wann und wo).
Vom längeren und
ausführlichen •
Bericht, der den Inhalt der Nachricht um weitere Einzelheiten
erweitert, unterscheidet sich die Nachricht vor allem dadurch, dass
sie im Gegensatz zu diesem gewöhnlich redaktionell nicht aufbereitet
wird, sondern oft in der ursprünglichen Länge und sprachlichen Form
übernommen wird, wie sie z. B. von den Presseagenturen verbreitet
wird.
Die dominierende •
Sprechhandlung
der Nachricht sind •
Mitteilungen
i. e. S.. Stilistisch weist sie die Grundzüge anderer
berichtender Formen auf, insbesondere teilt sie deren Grundzug,
"bestimmte Geschehnisse (Ereignisse, Tätigkeiten, Verhandlungen o.
ä.) im Nacheinander ihrer Abfolge auf(zu)führen" (Sowinski
1978, S.284)
Sieht man genauer
auf die verwendeten typisch journalistischen Sprachhandlungstypen
die in den ▪
informations- bzw. tatsachenbetonten Formen vollzogen werden,
dann kann man weitere Subhandlungen zur Sprachhandlung des
MITTEILENS identifizieren. So hat man z. B. journalistische
Sprachhandlungstypen wie INFORMIEREN zu einem Ereignis, erzählendes
BERICHTEN, EINORDNEN des berichteten Ereignisses, REFLEKTIEREN der
Berichterstattung selbst, KOHÄRENZSTIFTEN zwischen verschiedenen
Nummern derselben Zeitung etc. unterschieden ( vgl.
Haß-Zumkehr 1998, zit. n.
Feilke
2010, S.5), die mit bestimmten
Formulierungsroutinen (Textprozeduren,
literale
Routinen,
literalen
Prozeduren) verknüpft sind.,
Die drei
berichtenden Formen können ganz unterschiedliche Themen zum Inhalt
haben, sofern es auf dem "Informationsmarkt" von Wert ist. Das
können öffentliche Angelegenheiten aus unterschiedlichen
Kommunikationsbereichen wie Politik, Wirtschaft oder Kultur sein,
die man als Hard news bezeichnet,
oder so genannte Soft news, wenn es um Ereignisse im Umfeld
von Promis oder sonstigen "Events" etc. geht.
Nachrichten können
mit oder ohne eine Überschrift präsentiert werden, müssen aber mit
ihrer so genannten Ortsmarke oder »Spitzmarke
am Anfang der Nachricht einen geografischen Ort ausweisen, der nicht
unbedingt dem tatsächlichen Ort des Geschehens oder dem Ort, von dem
aus berichtet wird, entsprechen muss, sondern oft auch von der
»Nachrichten-
bzw. Presseagentur hinzugefügt wird. So ist es gängige Praxis,
dass vor allem bei kleineren und eher unbekannten Orten stattdessen
der Name einer größeren Stadt in der Nähe erscheint.
Konstanz, 25.7. (dpa) Der Bodensee ist aktuell auf einen
Rekord-Tiefstand gesunken.
In die so genannte Spitzmarke kann aber das Namenskürzel des
Autors bzw. der Autorin oder der Name der Nachrichtenagentur
eingebaut sein, von der die Meldung stammt. Ebenso kann auch das
Datum, an dem die Meldung verfasst oder veröffentlicht wurde, Teil
der Spitzmarke sein.
Der •
Aufbau von journalistischen Nachrichten
folgt dabei dem so genannten •
Lead-Stil, der u. a. ermöglicht, dass ohne wesentlichen
Informationsverlust - die vier W-Fragen wer, was, wann, wo?
müssen aber beantwortet bleiben -, die Nachricht von hinten bei
Bedarf gekürzt werden kann.
Nachrichten sind nicht grundsätzlich wahr und stellen ihre
Gegenstände auch nicht objektiv dar
Spätestens seit der
Begriff der "Fake news", der Falschmeldungen bzw. falschen
Nachrichten, in aller Munde ist, ist auch klar, dass Aussagen, die
in Form von Meldungen und Nachrichten verbreitet werden, weder
unbedingt wahr, noch "objektiv" sind.
Das können sie
schon allein deshalb nicht sein, weil jede Nachricht auch aus einer
bestimmten Perspektive geschrieben ist und durch das stilisitische
Texthandlungsmuster des PERSPEKTIVIERENs stilistisch "überformt"
ist. Hinzu kommt, dass die Selektionsfilter, die eine Nachricht
durchläuft, ehe sie bei ihrem "Endkunden! ankommt, einen
Auswahlprozess darstellt, der andere Nachrichten über Ereignisse,
von denen nicht berichtet wird, hinter sich lässt. Ebenso spielen
auch ihre Platzierung und ihre Kontext sowie Aspekte des Layouts und
der typographischen Gestaltung einer Nachricht eine Rolle, wenn es
darum geht, die Aufmerksamkeit ihrer möglichen Rezipient*innen auf
sich zu lenken.
Was die
herkömmliche Tagespresse anbelangt, hat man früher zwischen so
genannten seriösen und tendenziösen Presseprodukten unterschieden
und dabei den seriösen aus Erfahrung einen Vertrauensvorschuss
gewährt. Dabei ist man davon ausgegangen, dass die Presse- und
Redaktionsfreiheit dafür sorgen kann, dass seriös, d. h. in diesem
Fall so wahrheitsgetreu und objektiv wie möglich, über Personen,
Ereignisse und Handlungen informiert wird. Zugleich ist man in den
meisten Fällen davon ausgegangen, dass die Menschen, die für diese
Medien tätig sind, eine begründete Auswahl aus der unendlichen
Vielzahl der weltweit gemeldeten Vorkommnisse treffen, die sie für
ihre Rezipient*innen für interessant und relevant halten. Wenn in
den Redaktionen der Massenmedien die Meldungen und Nachrichten auf
die Glaubwürdigkeit ihrer Quellen hin beurteilt und ggf. untersucht
worden ist, werden die Informationen ggf. redaktionell bearbeitet
und am Ende über ein Medium verbreitet.
Was von den Presse-
und Nachrichtenagenturen über die Redaktionen der Massenmedien am
Ende bei den Rezipientinnen ankommt, hat also schon mehrere Filter
passiert, die, wenn ihnen Relevanz und Neuigkeitswert zugeschrieben
wird, um die Aufmerksamkeit der potentiellen Rezipient*innen
ringen. Journalistische Nachricht wird eben auch. was sich im
wahrsten Sinne des Wortes als Nachricht verkaufen lässt und der
Markt für Nachrichten ist bis heute ein Geschäft und die Nachrichten
auf diesem Markt sind Waren. Das bedeutet natürlich nicht, dass
solange Pressefreiheit besteht und unterschiedliche Medien
(Zeitungen, Fernsehsender etc.) bestehen, unliebsame Nachrichten
über Ereignisse oder Personen einfach unterdrückt oder grundsätzlich
so verfälscht werden können, dass ihre Rezipient*innen nur ein
verzerrtes Bild der Wirklichkeit präsentiert bekommen, auch wenn das
manche mit ihrem Gerede von der so genannten "Lügenpresse" gerne
glauben machen wollen, weil ihnen die so verunglimpfte Presse nicht
nach ihrem Mund spricht.
Während
man anfangs noch angenommen hat, die in der Massenkommunikation
ablaufenden Kommunikationsprozesse seien ein einseitiger Vorgang vom
Sender zum Empfänger (•
Lasswell-Formel der Massenkommunikation), hat man sie nach und
nach als mehrstufigen Wirkungsprozess interpretiert (vgl.
Jäckel 2005, S. 63). Zudem wurde die Aktivitäten der
Rezipient*innen durch die so genannten •
intervenierenden Variablen berücksichtigt, die ihre
Entscheidungen darüber, welchen Nachrichten sie sich mit ihrer
Aufmerksamkeit zuwenden (•
selektive Zuwendung),
welche sie wahrnehmen (•
selektive Wahrnehmung)
und an welche sie sich erinnern (•
selektive Erinnerung)
betreffen.
Natürlich hat das
Internet heutzutage die Strukturen, mit denen die
Informationsgewinnung und -verbreitung in unserer Gesellschaft sich
vollzieht, grundsätzlich verändert. Die Medien, die die
Massenkommunikation von früher geprägt haben, die Presse, das Radio
und das Fernsehen spielen heute eine weitaus geringere Rolle als
früher. Meldungen, Nachrichten und Berichte über alles Mögliche
werden heute auch von vielen einzelnen Personen verfasst und über
die verschiedenen Kanäle im Internet verbreitet und dort, wenn sie
eine bestimmte Reichweite erreichen, von Millionen weltweit
rezipiert. Allerdings sind solche Texte im Allgemeinen keine
journalistischen Texte, also Texte, die nach journalistischen
Standards geschrieben und verbreitet werden. In Konkurrenz zu diesen
treten sie im Kampf um die Aufmerksamkeit der möglichen
Rezipient*innen allerdings doch. Und die Hetze rechtsextremer und
rechtspopulistischer Parteien und Strömungen gegen die so genannte
"Lügenpresse" machen deutlich, dass es ihnen darum geht, die
Glaubwürdigkeit des seriösen Journalismus herabzusetzen und als "Fake-news-Produzenten"
zu diskreditieren.
Umso mehr geht es
aber heute auch darum zu betonen, dass journalistische Nachrichten
niemals im absoluten Sinne objektiv über ihren Gegenstand
informieren. Das machen schon die Filter deutlich, die sie passieren
muss, ehe sie u. U. ihren Adressaten erreicht. Ferner ist jede
sprachliche Äußerung stilistisch überformt, denn, wie Hoffmann
(2017, S.8) betont, stellt jeder, der einen text produziert,
"immer zugleich auch Stil her." Text und Stil bedingen sich aber
nicht gegenseitig. Auch das
Textmuster, das der journalistischen Nachricht und dem
journalistischen Bericht zugrunde liegt, vor allem aber ihre
dominierende tatsachenbetonte und informative ▪
Textfunktion
lässt sich ohne den mehr oder weniger einheitlichen
Funktionalstil
Wird ein Text im Zuge der Textproduktion mit
stilrelevanten
Merkmalen erstellt, erschöpft sich das Durchführen dieser
Handlungen nicht auf das reine Formulieren mit Wortwahl, Syntax, Stilfiguren u. a. Sie umfasst auch den Gebrauch von
▪
Sprechakttypen und anderer kommunikativer Zeichen (z. B. Farbe,
Bild, Typographie, Typen von Textträgern wie Verkehrsschilder oder Gedenksteine. (vgl.
ebd.,
S.150)
Im ▪
textfunktionalen, sprechakttheoretisch fundierten Modell von
»Klaus
Brinker (1938-2006)
(92018, S.97-132) kann ein Textproduzent
Einstellungen und Wertungen zum Textinhalt und/oder Textthema
explizit oder implizit, mit verschiedenen sprachlichen Formen
und Strukturen zum Ausdruck bringen. Brinker spricht hier von ▪
thematischen Einstellungen
und trägt damit der Tatsache in gewisser Rechnung, das ein
Textproduzent "'quasi nebenbei' (Püschel
1983, 109) [...] mit der Textformulierung auch seine
Einstellung zu den vorgetragenen Sachverhalten ausdrücken
(kann)" (Heinemann/Viehweger
1991, S.255). Dass Stil Bedeutung hat und Sinn vermittelt,
wird in ▪ Brinkers integrativem Modell
der Textanalyse nicht als gesondertes Phänomen betrachtet
und erfasst.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
11.01.2024
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