Was muss man eigentlich machen, wenn man die Exposition in einem Drama
analysieren soll?
Die Frage setzt natürlich voraus, dass man schon weiß,
Natürlich hängt die Antwort auf die obige
Frage auch davon ab,
-
ob die Aufgabenstellung zur Expositionsanalyse so allgemein
gehalten ist, oder
-
ob sie präziser, u. U. mit einer
detaillierten Arbeitsanweisung versehen ist.
So könnte es ja heißen:
-
Untersuchen Sie die Exposition im Drama X im 1. Akt.
-
Analysieren Sie, welche Informationen der Zuschauer/Leser im 1.Akt
über die Vorgeschichte erhält.
-
Arbeiten Sie heraus, welche Informationen der Zuschauer/Leser über
die Figur Y im ersten Akt des Dramas erhält. Erläutern Sie, welche
Wirkungsabsicht des Autors dahinter stehen könnte.
Wenn die Frage so allgemein gehalten ist, wie im ersten
Beispielthema, muss man in der Regel
zwei verschiedene Textschichten des dramatischen Textes untersuchen, in
denen der Zuschauer/Leser etwas über die Voraussetzungen des in Szene
gesetzten Geschehens erfährt. Das sind:
-
Aussagen der Figuren über
-
die Vorgeschichte
-
die Hauptfiguren mit
ihren persönlichen, auch charakterlichen Merkmalen (▪
Formen
Figurencharakterisierung beachten!), ihren Beziehungen und ihrem
gesellschaftlichen Status
-
den Ort bzw. die Orte der Handlung
-
die Zeit - Epoche und Zeitraum - der Dramenhandlung
-
die aktuelle Situation beim Einsetzen der Dramenhandlung
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die im Nebentext (Akttitel, Szenentitel, Bühnenanweisungen
(Regiebemerkungen) vorhandenen Angaben zum Bühnenbild, Requisiten und
Kostümen etc.
Leifragen zur Expositionsanalyse
Jetzt heißt es ein paar ▪
allgemeinen Leitfragen entschieden hintergehen:
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Welche Informationen gibt es?
-
Welche Informationen gehören zusammen?
-
Beziehen sich diese Informationen
-
In welcher zeitlichen Reihenfolge stehen die Informationen?
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Ist die Exposition gelungen und vollständig? Hat der Autor neben
der Informationsvergabe noch andere Absichten bei ihrer Gestaltung?
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Schön und gut, wie aber macht man das?
Das ist doch ein alter Hut: Schritt für Schritt.▪
Arbeitsschritte sind gefragt.
Arbeitsschritte für die allgemeine Expositionsanalyse
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Wie wäre es - vorausgesetzt man hat den Text schon einmal gelesen
(1) - mit ▪
kursorischem Lesen des entsprechenden Aktes und der Arbeit mit
dem Bleistift, um Gefundenes zu
▪
markieren?
Aber aufgepasst: Nur wer die ganze
Story
(die ganze Handlung einschließlich ihrer Vorgeschichte) überblickt, kann
den
Plot (das inszenierte Bühnengeschehen) im ersten Akt mit seinen
vielfältigen
▪
zeitlichen
und inhaltlichen Bezügen verstehen. (▪
FAQ:
Exposition? - Das ist doch die Vorgeschichte, oder?)
-
Die gefundenen Informationen muss man im zweiten Schritt nach
ihrer Zusammengehörigkeit ordnen.(▪
Clustern
wäre jetzt wirklich eine gute Idee!) Denn meist werden die expositorischen Informationen zu einem bestimmten Aspekt ja nicht auf
einmal abgeliefert. Das wäre ziemlich langweilig, schließlich wird
während der Bühnenhandlung (plot) meist mit mehr oder minder großem
Erfolg so getan, als wären die expositorischen Informationen einfach so
ganz nebenbei in den Dialog oder den Monolog der Figuren
hineingeraten.
Es kommt also durchaus vor, dass sich das Puzzle für einen Aspekt der
Exposition erst aus deutlich auseinander liegenden Aussagen
zusammensetzen lässt.
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Dann müssen die sinngemäß zusammengehörenden Aspekte unter dem
Blickwinkel ihres zeitlichen Bezuges analysiert und geordnet werden.
Am besten legt man dazu eine Tabelle nach folgendem Muster an. In dieser
Tabelle gibt man in Stichworten den Inhalt der Textstelle
an und notiert auf jeden Fall die Fundstelle der
Information. Das macht man in folgender Weise: (Akt, Szene -
Zeilennummer, z.B. I,4 - 96). Außerdem bringt es was, wenn man
Informationen, die deutlich aus dem wertenden Blickwinkel einer
bestimmten Figur abgegeben werden, in der Tabelle vermerkt.
Meist genügt dabei ja der Anfangsbuchstabe der Figur, den man hinter der Angabe
der Zeilennummer einfügen kann. (s. Beispiel)
Story |
|
Plot |
Vorgeschichte
(präterital) |
aktuelle Dramengegenwart
(präsentisch) |
zukünftige Entwicklung
der Dramenhandlung
(futurisch) |
...
Maria Stuart sucht
in England politisches Asyl (I,1 - 90, K)
|
|
|
-
In einem vierten Arbeitsschritt muss die
zeitliche Reihenfolge der gefundenen Informationen rekonstruiert
werden, also zusammengestellt werden, wie die »Story« hintereinander
abläuft.
-
Im letzten Arbeitsschritt wird untersucht, ob die Exposition den
an sie gestellten Anforderungen entspricht und so vollständig ist,
dass der Zuschauer am Ende des 1. Aktes über alle für die Einordnung und
Entwicklung der weiteren Dramenhandlung nötigen Informationen verfügt.
Dabei muss man auch untersuchen, ob der Autor das ganz langsame
Einstreuen bestimmter Informationen bewusst so eingesetzt hat, damit er
den Zuschauer in seiner Einstellung zu einer Figur beeinflussen kann.
Dies ist natürlich immer dann der Fall, wenn derartige Informationen von
einer Figur abgegeben werden, die diese Informationen wertet oder eben
nur teilweise liefert. So am Rande: auktoriale Rezeptionslenkung
nennt man das.
-
Tja, und eigentlich geht es erst jetzt los mit dem Abfassen der
Expositionsanalyse.
Sonderproblem:
Vorgeschichte und historischer Hintergrund
Mitunter kommt es vor, dass sich die expositorischen Bezüge,
insbesondere die Vorgeschichte, ohne Einbeziehung des historischen
Hintergrundes eines Dramas gar nicht sinnvoll erfassen und zusammenfassen
lassen (z.B.
▪
Schiller, Maria Stuart) In einem solchen Fall sollte man die
historischen Fakten, soweit sie nötig sind, zur Erläuterung
heranziehen. Allerdings müssen diese Ausführungen immer als ergänzende
Erläuterungen, die nicht dem Dramentext entnommen sind, gekennzeichnet
werden.
Gert Egle. zuletzt bearbeitet am:
25.06.2020
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