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Bausteine
Die Parabel drängt auf sprachliche Reduktion
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Parabeln als epische Texte
sind in der Regel wirklich kurz. Dabei spielt es keine Rolle, welche
Einsichten sie vermitteln will. Die Kürze des Textes hat also nichts damit
zu tun, wie komplex die Einsichten ausfallen können, die ein so knapp
gehaltener Text bei seinem Leser erzeugt.
Brettschneider (1971, S.74) spricht in diesem Zusammenhang sogar von
einem "Formgesetz der Parabel", das "auf die Reduktion der Sprache" dränge.
So sei
Detailreichtum und eine "Abschilderung der dinglichen Welt" mit "Genauigkeit
und Fülle im Detail" nichts für die Parabel. Statt eine Geschichte
um ihrer selbst willen zu erzählen, sie mit verschiedenen
Ausschmückungen zu versehen, Wechsel des Erzähltempos vorzunehmen, um die
Spannung zu erhöhen, statt genauem Motivieren und Modulieren aus Freude am
Schildern, setze, so fährt Brettschneider fort, die Parabel genau auf das
Gegenteil.
"Aussparen, Weglassen, den überquellenden Stoff auf Formeln und Gleichungen
zurückführen, antinaturalistisch und verfremdend - Gesetze, deren Analogie
zu denen der modernen Wissenschaft nicht zufällig ist." (ebd.)
Auch wenn dies auf den ersten Blick für eine große Anzahl von Parabeln
zutrifft, ist die Formenvielfalt zu groß, als dass sich die Parabel als
Textsorte auf diese Merkmale eindeutig festlegen lässt.
Auch wenn man daher wohl eher nicht von einem "Formgesetz der Parabel"
spricht, kann der Hinweis, die Parabel dränge auf sprachliche Reduktion, doch hilfreiche Anstöße zur
sprachlichen Analyse
und Interpretation einer Parabel geben.
Sprachliche Analyse im Funktionszusammenhang
Bei der
Textinterpretation ist die
Analyse der sprachlichen Mittel
ein Bestandteil der Schreibaufgabe.
Was besonders auffällig ist oder etwas besonders
kennzeichnet, muss erkannt, erläutert und im
Funktionszusammenhang von Form, Inhalt und Aussage beschrieben werden.
Die Analyse der sprachlichen Mittel erfolgt dabei
stets auf drei Ebenen
"Erbsenzählerei unerwünscht"
Bei der Textinterpretation müssen die verwendeten
sprachlichen und rhetorischen Mittel nicht lückenlos erfasst werden.
Einfache Auflistungen, die nicht in den Zusammenhang von Inhalt,
Aussage und möglicher Wirkung gebracht werden können, dienen
schließlich nicht der Interpretation des Textes: Reine
"Erbsenzählerei" ist also nicht gewünscht und zeigt darüber
hinaus nur, dass es einem nicht gelingt, Form, Inhalt und
Aussage im Dienst der eigenen Interpretationshypothese in
Einklang, d. h. in einen
Funktionszusammenhang zu bringen.
Wie dies im Idealfall aussehen kann, hat der
Literaturwissenschaftler
Michael Kielinger (1971) bei seiner Interpretation von
▪ Franz Kafkas
▪
Parabel "▪
Gibs auf"
demonstriert (vgl.
Baustein)
Leitfragen zur sprachlichen Analyse
Für die
sprachliche Analyse kann man sich bei der
Interpretation einer Parabel
an den drei folgenden Leitfragen orientieren:
-
Wie hat der
Autor seinen Text sprachlich gestaltet?
-
Welche
sprachlichen und rhetorischen Mittel hat er dafür
eingesetzt?
-
Welche
Wirkung geht von der sprachlichen Gestaltung aus?
Darüber hinaus können vielleicht die folgenden erweiterten Fragenkataloge
weiterhelfen.
Fragenkatalog zur Analyse der Wortwahl
Die Untersuchung der Wortwahl bei der sprachlichen Analyse
kann z. B. mit folgenden Fragen vorgenommen werden:
-
Werden
bestimmte
Wortarten besonders häufig verwendet? Verwendet der
Autor deutlich mehr
Verben, Substantive oder Adjektive? Welche Absicht
verfolgt er damit?
-
Steht die
Wortwahl im Dienst der Schaffung von Anschaulichkeit oder
einer eher sachlich-nüchternen Darstellung?
-
Werden
umgangssprachliche Wörter und Wendungen verwendet?
-
Werden
bestimmte (sinntragende) Wörter auffällig häufig wiederholt
oder in ihrer Bedeutung variiert?
-
Enthält der
Erzählerbericht das Geschehen oder das Verhalten der Figuren
wertende Ausdrücke?
-
Gibt die
Wortwahl der Figuren bei wörtlicher Rede Hinweise auf ihren
Charakter?
-
Enthält der
Text Wörter und Ausdrücke, die in einem übertragenen Sinn
verstanden werden müssen (sprachliche
Bilder,
Metaphern,
Vergleiche)? Welche Wirkung haben sie?
-
Erhalten
bestimmte Wörter eine besondere Bedeutung, wenn man den
Kontext berücksichtigt (Bedeutungserweiterung,
-verengung, -emotionale Färbung)?
-
Aus welcher
Zeit stammen die verwendeten Wörter? Sind sie schon veraltet
(Archaismus)
oder neu gebildet (Neologismus)?
Welchen Zweck verfolgen sie?
-
Gibt es im
Text Wörter und Wendungen, die mit bestimmten Vorstellungen
assoziiert bzw.
konnotiert werden können? Warum?
-
Lassen sich
bestimmte Wörter einem bestimmten Bereich zuordnen (z.B.
Technik, Kunst, Sport)? Wie wirkt das?
-
Gibt es
Wörter, die im Bild- und Sachbereich der Parabel ihren Platz
haben? Mit welcher Bedeutung?
-
...
Fragenkatalog zur Analyse des Satzbaus
Bei der Untersuchung des Satzbaus im Rahmen der
sprachlichen Analyse kann man sich z. B. an den folgenden
Fragen orientieren:
-
Welche
Satzarten werden im Text verwendet? Kommt eine Satzart
besonders häufig oder in auffälliger Weise vor?
-
Welche Formen
der
Satzverbindung (Parataxe,
Hypotaxe) sind zu erkennen? Dominiert eine davon? Den
ganzen Text über oder nur an einer bestimmten Textstelle?
-
Werden die
Sätze unverbunden (asyndetisch) aneinandergereiht oder
besteht eine enge Verknüpfung durch beiordnende
(koordinierende) oder unterordnende (subordinierende)
Konjunktionen oder Pronominaladverbien?
-
Werden im
Text auffällig kurze oder lange Sätze verwendet?
-
Werden Sätze
vollständig mit allen notwendigen Satzgliedern gestaltet
oder "Halbsätze" formuliert, z. B. als
Ellipsen.
-
Welche
Wirkung hat der Satzbau auf den Leser? Erzeugt er eine
besondere Dynamik oder Vorstellungen von Gleichförmigkeit
des Geschehens?
-
Lassen sich
Zusammenhänge zwischen dem Satzbau und der
Aussageabsicht erkennen?
-
...
Fragenkatalog zur Analyse der rhetorischen u. stilistischen Mittel
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TOP 25: Die wichtigsten rhetorischen Mittel
Die Untersuchung der rhetorischen und
stilistischen Mittel kann bei der
sprachlichen Analyse
u. a. mit folgenden Fragen durchgeführt werden.
-
Gibt es
Wörter oder Wendungen, die
-
Werden vom
Autor bestimmte Begriffe in auffälliger Weise umschrieben
oder vermeidet er bestimmte Begriffe (Euphemismen/Tabuisierungen)?
-
Enthält der
Text Wörter und Ausdrücke, die in einem übertragenen Sinn
verstanden werden müssen (sprachliche
Bilder,
Metaphern,
Vergleiche)? Welche
Wirkung haben sie?
-
Sind
Wörter / Wendungen schon veraltet (Archaismus)
oder neu gebildet (Neologismus)
-
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Bausteine
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
26.12.2023
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