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Untersuchendes Erschließen von literarischen
Texten (Abiturstandaard, EPA 2002)
Die Analyse und
Interpretation von literarischen Texten hat im Umfeld
schulischen Lernens einen außerordentlich hohen Stellenwert.
In den
Einheitlichen Prüfungsanforderungen in
der Abiturprüfung Deutsch (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom
01.12.1989 i. d. F. vom 24.05.2002) (EPA)
wird sogar betont, dass "dem Erschließen von
literarischen Texten (...) vorrangige Bedeutung zu(kommt), denn das Verstehen
literarischer Texte eignet sich als Muster des Verstehens überhaupt." (S.5)
Ganz unabhängig
davon, ob man diese Auffassung mit allen ihren Implikationen
teilt, macht sie doch deutlich, dass der Literaturunterricht
über seine Fachgrenzen hinaus, einen wesentlichen Beitrag zur
psychosozialen und kognitiven Entwicklung des Einzelnen leistet.
In den
EPA-Vorgaben zählt
die schriftliche ▪
Textinterpretation
zum ▪
untersuchenden Erschließen.
das verschiedene domänen- bzw. fachspezifische Umgangsweisen,
Prozeduren und ▪
Operationen umfasst.
Untersuchend
sollen die Schülerinnen und Schüler selbständig Schreibaufgaben
zur Textinterpretation lösen und dabei "sprachliche Handlungen des Zusammenfassens und Wiedergebens, des
Beschreibens und schließlich Argumentierens funktional integrieren" sowie
auch "literaturästhetische und literaturgeschichtliche Kenntnisse zeigen
soll." (Abraham/Kepser
22006, S.116) (Genaueres
zum Abiturstandard für das untersuchende Erschließen von literarischen
Texten)

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Aller Standardisierungsbemühungen zum Trotz trägt die Schreibform jedoch
nicht immer den gleichen Namen. Ebenso wenig werden die Operatoren, jedenfalls im
die Bundesländer übergreifenden Vergleich, einheitlich verwendet. So lassen
sich die
übergeordneten Operatoren
analysieren
und
interpretieren
bzw.
deuten
oft nicht trennscharf verwenden und ihre Verwendung als untergeordnete
Operatoren macht die Sache auch nicht unbedingt leichter.
Textanalyse und Textinterpretation
Umgangssprachlich wird zwischen Analyse und Interpretation
unterschieden. Von "Analyse" wird nämlich vor allem dann
gesprochen, wenn es um eine mehr oder weniger wissenschaftlichen
Ansprüchen genügenden Untersuchung eines Gegenstandes mit
bestimmten Zwecken und oft auch eingrenzten
Untersuchungsaspekten, deren Ergebnisse einer sachlichen und
rationalen Beurteilung zugeführt werden sollen. Sprechen wir im
Alltag hingegen vom "Interpretieren" dann bezeichnen wir damit
meistens "den Prozess und das Ergebnis der Auslegung, insofern
er die eigenen Voraussetzungen und Verfahrensweisen und die
Konstituierung des Objekts mit reflektiert. »Analyse« blendet
objektivierend das Subjekt aus und versucht die Frage zu
beantworten: Welche Bedeutung und welchen Sinn nehme ich wahr
und erkenne ich als Leser oder Leserin des Textes?" (Rusterholz 1996c,
S.364)
-
Ohne das Für und Wider hier zu erörtern: Im Kontext
der verschiedenen ▪ schulischen
Schreibformen
wird der Begriff ▪
Textanalyse
für eine eigenständige Schreibform verwendet, die sich primär mit
nicht-fiktionalen, pragmatischen Texten beschäftigt.
Gegenstand der Textinterpretation als schulische Schreibform
sind hingegen fiktionale literarische Texte und je nach
ästhetischem Gestaltungsgrad auch
literarische Zweckformen.
-
In anderen Überlegungen versteht man
unter der Textanalyse jene "Verfahren, die nicht auf die Interpretation
(Gesamtdeutung) eines Textes aus sind, sondern bewusst nur strukturelle
Teilaspekte untersuchen wollen". (Mettenleitner/Knöbel
1996, S.339f.)
- "Die Begriffe
literaturwissenschaftlicher »Textanalyse« und »Interpretation« haben in
verschiedenen Zeiten ihre Konjunktur gehabt und ebenso wurden sie zu
verschiedenen Zeiten als vergangen und veraltet verachtet, um später wieder
aktualisiert zu werden. [...]
Der Terminus »Analyse« bezeichnete bei Aristoteles ursprünglich die Klärung
der logischen Formen, die sprachlichen Formulierungen zugrunde liegen. In
der gegenwärtigen Umgangssprache ist »Analyse« weitgehend zum Ausdruck
wissenschaftlich objektivierender Untersuchung geworden. »Interpretation«
bezeichnet demgegenüber den Prozess und das Ergebnis der Auslegung, insofern
er die eigenen Voraussetzungen und Verfahrensweisen und die Konstituierung
des Objekts mit reflektiert. »Analyse« blendet objektivierend das Subjekt
aus und versucht die Frage zu beantworten: Welche Bedeutung und welchen Sinn
nehme ich wahr und erkenne ich als Leser oder Leserin des Textes?"
Ein Stück weit lässt sich die Begriffsverwirrung um Analyse und
Interpretation im Zusammenhang der hier vorgestellten schulischen
Schreibform der Textinterpretation vielleicht dadurch entschärfen, dass man
sich die Unterschiede beider Tätigkeiten bei der konkreten Arbeit an
literarischen Texten verdeutlicht, wie dies
Köppe/Winko (2008, S.13 f.) versuchen, in dem sie "zwischen der
Analyse und Beschreibung einerseits und der Interpretation
literarischer Texte andererseits" unterscheiden.
Zwar ist auch ihnen
bewusst, dass es über die Bedeutung der Begriffe keinen Konsens gibt, dessen
ungeachtet betonen sie den Sinn einer solchen Unterscheidung, die erlaube, "eine komplexe literaturwissenschaftliche Tätigkeit nach
bestimmten Kriterien zu differenzieren und damit klarer beschreibbar zu
machen."
Aus diesem Grunde scheint es berechtigt, und didaktisch auch durchaus
sinnvoll, möglichst genau zu präzisieren, ob primär analysiert und
beschrieben, oder hauptsächlich interpretiert werden soll. In
Schreibaufgaben, insbesondere dann wenn es sich um
Leistungsaufgaben handelt, können und müssen dies auch die dafür
zur Verfügung stehenden Operatoren leisten, vorausgesetzt ihre
Bedeutung ist
wirklich nicht missverständlich.
Analyse, Beschreibung und Interpretation in Wechselwirkung
Im
Schreibprozess der schriftlichen Textinterpretation, dessen Ziel
die Darlegung eines vertieften und reflektierten Textverstehens
ist, sind Analyse, Beschreibung und Interpretation eng
aufeinander bezogene und in mannigfacher Wechselwirkung
zueinander stehende Prozesse. Ohne Analyse und die Fähigkeit,
die Ergebnisse dieser Analyse sprachlich zu fixieren, kann das
Schreibprodukt Textinterpretation nicht erstellt werden.
Je nachdem
welches ▪ Organisationsmodell des
Schreibprozesses zur Interpretation mit einer bestimmten
Schreibaufgabe verbunden ist (textbegleitend,
aspektorientiert,
hypothesenbildend von Kernstellen
aus, oder vergleichend
oder gestaltend
Auch wenn die Grenzen zwischen beidem häufig nicht klar gezogen werden
können, macht es Sinn, den Akzent auf das eine oder andere zu legen. Man
könnte sogar, um die Tätigkeiten des Analysierens und Beschreibens in ihrer
Affinität zum Interpretieren noch deutlicher abzugrenzen, auch weitere
differenzierende Bezeichnungen verwenden. Sie sollten signalisieren, worauf
der Schwerpunkt der Darstellung liegt. So könnte man, wenn einem dabei nicht
eine sowohl methodisch wie kognitiv streng getrennte Operation vorschwebt,
von (primär) deskriptiven und interpretativen Textanalysen bzw. -beschreibungen
sprechen, wobei gerade letztere eben noch nicht den Anspruch erhebt, eine
mehr oder weniger stringente und konsistente Interpretation als Ganzes zu
bieten. (Beispiel
1,
Beispiel 2)
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Untersuchendes Erschließen von literarischen
Texten (Abiturstandard, EPA 2002)
Gert Egle. zuletzt bearbeitet am:
02.12.2020
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