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Schulische Schreibformen: Didaktische und methodische Aspekte
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Lese- und Rezeptionsstrategien
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Hermeneutischer Zirkel
Von
den beiden ▪
Bearbeitungsstrategien von Texten zur Organisation der
Textarbeit im Rahmen des
Schreibprozesses zur ▪
schriftlichen Interpretation literarischer Texte in der Schule
eignet sich die textsukzessive Bearbeitungsstrategie vor
besonders gut für die hermeneutisch ausgerichtete ▪
textbegleitende Interpretation, kann aber auch bei
Schreibformaten mit eher analytisch ausgerichteten
Erschließungsverfahren oder einer Kombinationen von
hermeneutischen und analytischen Verfahren je nach
▪ Schreibaufgabe
zumindest für Teile der Textarbeit verwendet werden. Dies gilt
z. B. für ▪
textvergleichende
Interpretation oder auch die ▪
von Kernstellen aus Hypothesen bildende Interpretation
verwendet werden. Darüber hinaus ist die Entscheidung,
welche Bearbeitungsstrategie von einem Schreiber oder einer
Schreiberin gewählt wird, aber auch von ihren Schreiberfahrungen
und Vorlieben abhängig.
Bearbeitungsstrategien sind ohnehin keine streng abgrenzten
Verfahren, sondern können selbstverständlich im
Schreibprozess auch immer wieder variiert und miteinander
vermischt werden sowie in Strategiesets
unterschiedlicher ▪
Lese- und Rezeptionsstrategien
integriert werden.
Ob die
textskuzessive Bearbeitungsstrategie angeraten ist, geht
meistens schon aus der
▪ Schreibaufgabe
hervor, die in einem
offenen oder gelenkteren Aufgabenformat auch Hinweise darauf
gibt, wie der Text erschlossen werden soll und welche
Bearbeitungsstrategie sich dazu anbietet.
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Schreibaufgaben
im offenen Format nach dem Muster "Interpretieren Sie
den Text", die Interpretieren als übergeordneten
Operator verwenden, zielen auf eine in der Regel
kontextualisierte werkimmanente Interpretation, deren
hauptsächlich hermeneutische Verfahren (▪ Hermeneutischer Zirkel)
mit einer textsukzessiven Bearbeitungsstrategie
verbunden werden können.
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Bei
Schreibaufgaben in einem gelenkteren Format, die im
Rahmen
mehrteiliger Arbeitsanweisungen ▪
Relevanzinstruktionen
zum methodischen Vorgehen oder inhaltliche, konzept-
oder hypothesengeleitete Vorgaben machen, muss von Fall
zu Fall entschieden werden, weil die Aufgaben u. U. auf
ganz unterschiedliche Aspekte fokussieren.
Beispiele für solche in die übergeordnete
Interpretationsaufgabe eingebettete Arbeitsanweisungen
sind z. B.: "Wie verstehen Sie den Schluss der
Erzählung?" oder "Die beiden Figuren folgen
unterschiedlichen Weltbildern. Arbeiten Sie ihre
Gemeinsamkeiten und Unterschiede heraus." oder
"Zeigen Sie, mit welchen erzähltechnischen und
sprachlichen Mitteln der Autor die Aussage seiner
Geschichte gestaltet."
In solchen Fällen sind im Rahmen der Erschließung und
Interpretation des Textes unterschiedliche
Bearbeitungsstrategien anzuwenden. Die Schwierigkeit
besteht aber darin, sie in einer geschlossenen,
sprachlich kohärenten und inhaltlich konsistenten Weise
im Schreibprodukt zur Darstellung zu bringen und bei der
Formulierung in einem geeigneten ▪
Schreibformat
umzusetzen.
Die textsukzessive
Bearbeitungsstrategie bei der textbegleitenden Interpretation (kontextualisierte
werkimmanente Interpretation)
Wer seine
Interpretation nach dem Muster des traditionellen
Interpretationsaufsatzes ▪
textbegleitend erarbeiten,
strukturieren und
formulieren will, wird die Darlegung seiner ▪
Bedeutungs-
bzw. Sinnkonstruktion im Allgemeinen nach den "Spielregeln"
des sog. ▪
hermeneutischen Zirkels organisieren, der
sich "in einer immer wieder erneut wiederholten
Rückkoppelungsschleife zwischen dem Verstehen von
Textteilen und
Textganzem, zwischen Erwartungen an den Text bzw. Veränderungen
dieser Erwartungen durch den Text" (Christmann/Groeben
1999/2001, S.147) durch den ganzen individuellen
Verstehensprozess zieht und im Vollzug dieser kognitiven
Operationen am Ende schreibaufgabengemäß in einer in sich
geschlossenen sprachlichen Form mündet.
Zu diesem am hermeneutischen Zirkel orientierten Vorgehen, das
auch bei der kontextualisierten werkimmanenten Interpretation
verwendet wird, passt eine
▪ textsukzessive Bearbeitungsstrategie mit "Reißverschlussprinzip".
Diese Bearbeitungsstrategie führt am Text entlang, folgt diesem
und hält sich an den Aufbau und die Abfolge der Gedanken, wie sie im zu
bearbeitenden Text vorgegeben sind.
Die textbegleitende Interpretation
wird daher auch lineare Interpretation genannt und das Verfahren
als "Durchinterpretation" bezeichnet.
Die textsukzessive
Bearbeitungsstrategie mit ihrem Prinzip des fortlaufenden
linearen Mit- und Nacheinanders von linearer Lektüre, Textanalyse und
-interpretation kann, wenn man sie methodisch wie auch
sprachlich-stilistisch bewältigt, ein gutes Grundgerüst für
das Abfassen einer Textinterpretation darstellen.
Es betont
durch die Spiralbewegungen, in denen sich das Textverständnis
beim ▪
hermeneutischen Zirkel
oder der ▪
hermeneutischen Spirale
durch die fortlaufende vorgreifende Hypothesenbildung und ihre
anschließende am Text nachzuweisenden Begründung bewegt, den
Prozesscharakter individuellen Verstehens in besonderer Weise.

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Anforderungen und Probleme beim textsukzessiven Vorgehen
Die Abfassung einer auf einer textsukzessiven
Bearbeitungsstrategie beruhenden textbegleitenden Interpretation
stellt vor allem bei der sprachlich-stilistischen Gestaltung hohe
Anforderungen an die Schreiberinnen und Schreiber.
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Sie müssen
vermeiden, den Text in einer extrem nahen Form, quasi Zeile
für Zeile, zu bearbeiten, zu analysieren und zu
interpretieren. Nicht jeder Satz, von besonderen Textsorten
wie z. B. der
Allegorie oder bei manchen extrem kurzen
modernen Parabeln (z. B. ▪
Franz
Kafkas ▪
Kleine
Fabel) einmal abgesehen, ist erklärungsbedürftig und kann und muss
"ausgedeutet" werden, und nicht alles ist, wenn man seine
Gesamtdeutung als Maßstab anlegt, gleichermaßen relevant.
-
Eine
allzu große Textnähe kann beim Schreiben dazu führen, dass
der Text bloß
paraphrasiert wird, statt ihn zu
analysieren
und zu interpretieren.
Dabei darf aber auch nicht übersehen
werden, dass die
Trennlinien zwischen dem
sinngemäßen Zitieren und dem
Paraphrasieren eines Textes, das immer auch eine
Erläuterung und Erweiterung des Ausgangstextes im Dienst eines besseren
Verständnisses darstellen soll, nicht besonders klar zu ziehen sind.
Die grundsätzliche Fähigkeit der Schülerinnen und Schüler
bei der Formulierung ihres Schreibprodukts zwischen den
Inhalt wiedergebenden und deskriptiven Aussagen auf der
einen und interpretativen
Aussagen auf der anderen Seite (Inhaltswiedergabe, Textbeschreibung und –analyse
sowie der Interpretation i. e. S.), muss allerdings vorhanden
sein, damit die "Überphrasierung" des Textes vermieden
werden kann.
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Das textnahe Schreiben auf
der Basis
statarischen Lesens kann
auch dazu führen, dass die eigenen Gedanken ohne
nachvollziehbare Strukturen und ohne ausreichende Kohärenz
und innere Logik präsentiert werden.
Deshalb sollten die
Schülerinnen und Schüler auch für ihre textbegleitende
Interpretation eine Arbeitsgliederung erstellen, die "sowohl
den Gang der Interpretation als auch den aus der
Themenstellung entwickelten Deutungsansatz (...)
dokumentieren" (ISB 22010, Bd. 2, S.382)
beinhalten
sollte.
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Da sich die textsukzessive
Bearbeitungsstrategie stets zwischen Textwiedergabe, Analyse
und Interpretation bewegt, kann es durch Vorgriffe und
Rückgriffe immer wieder zu inhaltlichen und sprachlichen
Wiederholungen kommen, die an die
Formulierungskompetenz der Schülerinnen und Schüler hohe
Anforderungen stellen.
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Schulische Schreibformen: Didaktische und methodische Aspekte
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Lese- und Rezeptionsstrategien
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Hermeneutischer Zirkel Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
06.12.2020
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