▪
Kürzen und Verdichten kontinuierlicher
Sachtexte
▪ Kürzungspotential von
Texten
Die Konjunktur von
▪ Abstracts in der Schule ist
vergleichsweise neu und hat, um im Bild zu bleiben, nach
anfänglichem Boom, wieder deutlich an Fahrt verloren.
Die Gründe
dafür, dass der Abstract überhaupt in das Repertoire ▪
schulischer Schreibformen
aufgenommen worden ist, sind vor allem die
wissenschaftspropädeutische Bedeutung der
Textsorte
und eine größere Offenheit bei den bis dahin in der Schule mehr
oder weniger ausschließlich als eigenständige Schreibform oder
im Rahmen anderer Schreibformen gepflegter ▪
Formen der Textwiedergabe wie z.
B. der ▪ Inhaltsangabe.
Insbesondere die Vorgaben normativer Textmuster für solche
Formen der Textzusammenfassung
haben offenbar die Tendenz zu dem, zumindest in der Schule,
wenig normierten Abstract befördert.
So definiert
das »Staatsinstitut
für Schulqualität und Bildungsforschung München (ISB) in
einer einschlägigen Veröffentlichung das Abstract wie folgt:
"Ein Abstract ist eine Form, Informationen aus Texten zu
verschriftlichen. Es ermöglicht, den Inhalt bzw. die Kernaussage
und die Zielrichtung eines umfangreichen Textes schnell zu
erfassen und dessen Relevanz zu beurteilen. Ein Abstract enthält
keine über den Text hinausgehenden Informationen und stellt
keine Analyse oder Bewertung (Rezension) eines Textes dar.
Inhalte eines Abstracts beschränken sich auf: • Autor und Titel • thematische Ausrichtung • wichtigste Informationen • Schlussfolgerungen (textimmanent) • Bedeutung oder Zielrichtung des Textes" (ISB,
2017)
Dabei werden
zum Aufbau und zur sprachlich-stilistischen Gestaltung, die bei
anderen Formen der Textwiedergabe in der Schule stets Teil der
Textsortenbeschreibung darstellen, keine weiteren Angaben
gemacht.
Das Verfassen von Abstracts als Teil einer mehrteiligen
Arbeitsaufgaben beim materialgestützten Schreiben
▪ Abstracts werden in der
Schule im Allgemeinen nicht als
Schreibform eingeführt, die mit eigenständigen
Leistungsaufgaben
verbunden sind. Das hat verschiedene Gründe.
Einer davon ist sicherlich, dass das Verfassen von Abstracts,
wie sie in der Schule üblich sind, am Ende der sich über viele
Jahrgangsstufen hinweg eingeübten anderen, standardisierten und
weniger stark standardisierten ▪
Formen der Textwiedergabe steht
und eigentlich erst in der Sekundarstufe II mit ihrer
wissenschaftspropädeutischen Orientierung und dazu in
komplexen Schreibaufgaben verlangt wird. Allerdings wird
-
Das
Abfassen eines Abstracts kann bei der ▪
Analyse von Sachtexten
Teil einer mehrteiligen Schreibaufgaben zum textbezogenen
Schreiben sein und wird dann als besondere Form der ▪
Textzusammenfassung bzw.
Textwiedergabe struktureller Bestandteil des entsprechenden
Aufsatzes.
-
Üblicher
hingegen, wenngleich auch nicht unbedingt weit verbreitet,
ist das Verfassen von Abstracts im Kontext von
Schreibaufgaben des materialgestützten Schreibens und dabei
insbesondere beim
Wenn
Schreibaufgaben gestellt werden, die auf das Verfassen von
Abstracts zielen, dann erfolgen sie meistens im Rahmen von
Aufgaben zum materialgestützten Schreiben wie es die »Bildungsstandards
im Fach Deutsch für die Allgemeine Hochschulreife, die von der
Kultusministerkonferenz vom 18.10.2012 beschlossen worden sind (Abk. BISTA-AHR-D 2012),
im Zusammenhang mit dem materialgestützten Verfassen
informierender, vor allem aber dem ▪
materialgestützten Verfassen argumentativer Texte vorsehen.

Beim ▪
materialgestützten Verfassen argumentativer Texte, die auf
unterschiedliche Zieltextsorten mit argumentativer
Themenentfaltung hinauslaufen können, ist die Abfassung eines
Kommentars (z. B. als ▪
materialgestützte
Erörterung) eine der Varianten, kann aber auch andere
Zieltextsorten umfassen. So ist es z. B. in der ▪
Abiturprüfung im Fach Deutsch in Baden-Württemberg an Beruflichen
Gymnasien beim
Aufgabentyp IV: Essay - Verfassen seines Essays auf der
Grundlage eines Dossiers weiterhin üblich, Abstracts zu
einzelnen Materialien des Dossiers quasi als dem Essay
vorgeschaltete Teilaufgabe zu verfassen. An den allgemeinbildenden Gymnasien
in Baden-Württemberg ist dies bei der "Essay-Aufgabe" hingegen
nicht der Fall.
Im
Rahmen einer mehrteiligen Schreibaufgabe
zur ▪ materialgestützten Erörterung soll
damit auch schriftlich dokumentiert werden, dass und inwieweit die
Materialien erschlossen worden sind. Entsprechende Schreibaufgaben werden im
Allgemeinen der eigentlichen Erörterungsaufgabe vorangestellt.

So könnte eine Schreibaufgabe zum materialgestützten Erörtern, der
Materialien über soziale Netzwerke beigefügt sind, in einer mehrteiligen
Form lauten:
-
Verfassen Sie
Abstracts zu den im
Dossier
zusammengestellten Texten.
-
Schreiben Sie im
Anschluss daran eine hinführende Einleitung zum Thema "Jugendliche und
soziale Netzwerke".
-
Schreiben Sie
einen Essay
von ca. 1000 Wörtern, in dem sie eine Gegenposition zu den in den
Materialien erhobenen Bedenken gegen die jugendliche Nutzung sozialer
Netzwerke vertreten. Beziehen Sie sich dabei nicht direkt auf die
entsprechenden Aussagen in den Materialien.
Das Abfassen eines
▪ Abstracts
verlangt eine sprachökonomische Gestaltung, die eine
Informationsverdichtung eines vorliegenden Textes darstellt.
Bezieht sich der Anspruch der Informationsverdichtung auf
fachwissenschaftliche Texte, wird dies noch schwieriger als sonst, denn
gerade diese weisen "als Textsortencharakteristikum schon äußerst
geringe
Redundanz, also starke Kondensation" (Kretzenbacher 1990.
S. 34) auf. Extrem sprachökonomisch gestaltete Primärtexte (z.B.
Lexikoneinträge) können daher herkömmliche
Textkondensationsstrategien
an ihre Grenzen bringen.
Abstracts "verdichten" im Allgemeinen
Sachtexte
(auch:
pragmatische Texte,
Gebrauchstexte,
expositorische Texte,
nichtfiktionale Texte).
Handelt es sich dabei um ▪
kontinuierliche bzw. lineare Sachtexte gibt es
unterschiedliche Strategien, um einen Text "schrumpfen" zu
lassen.

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Strategien zur Textkondensation
Die Zusammenfassung (Rekapitulation) des Primärtextes kann mit unterschiedlichen
Strategien zur Informationsverdichtung erfolgen. Man spricht in diesem
Zusammenhang von Strategien zur
Textkondensation.
Mit ihnen soll erreicht werden, dass "(...) man
den sprachlich-materiellen Umfang einer Mitteilung möglichst stark
(reduziert) und doch (...) einen größtmöglichen Teil ihres informationellen
Gehalts bei(behält)." (Kretzenbacher 1990,
S. 33).
Dabei stehen
sprachliche Ökonomie und Verständlichkeit in einem
Spannungsverhältnis zueinander,
das, abhängig von der jeweiligen spezifischen kommunikativen Situation,
in die ein Text eingebettet ist, verschieden ausfällt.
-
Das bedeutet,
sofern dafür keine Vorgaben gemacht sind, dass ohne
Berücksichtigung der Schreiberfahrungen des Verfassers eines
Abstracts und den dafür vorgesehenen Adressaten keine Aussagen darüber
gemacht werden können, wie lang der Sekundärtext sein sollte, wie intensiv
also die Informationsverdichtung bei der Produktion des Sekundärtextes
ausfallen muss.
-
Zudem kann die "Informationsdichte" des Primärtextes u. U.
auch so sein, dass er mit herkömmlichen Textkondensationsstrategien kaum weiter
verdichtet werden kann.
Wer sich also beispielweise schon einmal daran
gemacht, einen Lexikonartikel zusammenzufassen, weiß, dass man bei so extrem
sprachökonomisch gestalteten Primärtexten schnell an seine Grenzen kommt.
Dies trifft in gleicher Weise häufig auch auf fachwissenschaftliche Texte
zu, für die "äußerst geringe
Redundanz,
also starke Kondensation" (ebd.,
S. 34) typisch sind.
So ist bei verschiedenen
Textsorten, abhängig von
einer jeweiligen Sachgehaltsdichte,
auch von einem unterschiedlichen Kürzungspotential auszugehen.
Sachgehaltsdichte unterschiedlicher Textsorten
Heinz-Ulrich Schaeder (2007) hat in einer systematischen Auflistung die
abnehmende Sachgehaltsdichte von bestimmten Textsorten wie folgt dargestellt.
Dabei werden die Textwiedergaben proportional immer kürzer.
-
darstellende / beschreibende
Texte (Textsorten: Lexikonartikel, Protokoll, Bericht, Sach- und Fachartikel
etc.)
Rein darstellend-beschreibende Textsorten besitzen in der Regel wenig
Kürzungspotential. Ähnlich wie die Inhaltsangabe selbst sollen sie kurz
und knapp informieren.
-
darstellende / veranschaulichende
Texte (Textsorten: vom Lehrbuch bis zum populärwissenschaftlichen Text)
Diese Textsorten zeichnen sich durch ein variables Maß an didaktischer
Redundanz und begrifflicher wie beispielorientierter Anschaulichkeit
aus. Die Inhaltsangabe unterscheidet sich genau hierin von diesen
Textsorten: Sie berücksichtigt keine anderen Wissensvermittlungsmethoden
als Kürze und Logik.
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darstellende / wirkungsorientierte
Texte (Textsorten: von Kommentar bis Werbung)
Diese Textsorten zeichnen sich durch ein variables Verhältnis von Sach-
und Wirkungsgehalt aus. Der Wirkungsgehalt, mit dem der Autor über die
reine Informationsvermittlung hinaus bei seinem Adressaten eine Handlung
oder Haltung erreichen will, ist nicht Gegenstand der sachorientierten
Inhaltsangabe.
▪ Kürzen und Verdichten kontinuierlicher
Sachtexte
▪ Kürzungspotential von
Texten Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
26.12.2023
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