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Projekt Rauchen und Nikotinsucht
Das Rauchen
ist die häufigste vermeidbare Todesursache in den
Industrieländern. 2013 starben 121.000 Menschen in Deutschland
daran. Das sind nicht weniger als 13,5 Prozent aller Todesfälle.
Dabei dies nicht nur Raucher*innen. Zu denen, die wegen des
Rauchens ihr Leben verlieren, gehören auch viele Tausende
Nichtraucher*innen, die noch immer Belastungen durch Tabakrauch
zuhause und am Arbeitsplatz ausgesetzt werden. Wer raucht, daran
besteht kein Zweifel, ist hochgradig gefährdet für »Lungenkrebs:
Vier von fünf dadurch bedingten Todesfälle sind auf das Rauchen
zurückzuführen. Seit den 1960er Jahren ist Lungenkrebs schon die
die häufigste Krebstodesursache bei den Männern. Jetzt ziehen
aber auch die Frauen nach: Bei ihnen sterben allerdings erst in
den letzten Jahren immer mehr daran, weil das Rauchen bei Frauen
gesellschaftlich erst später aufgekommen ist.
Trotzdem:
Es gibt auch einen Silberstreifen am Horizont. Die Zahl der
Raucher*innen nimmt in Deutschland weiter ab. Dabei ist
besonders bemerkenswert, dass Rauchen vor allem bei den
Jugendlichen in den letzten 25 Jahren mehr und mehr "out"
geworden ist. Noch Ende der 1990er Jahre rauchten knapp 30
Prozent der 12- bis 17-Jährigen, heute sind es nur noch rund 10
Prozent. Und überblickt man die Altersgruppen von 18 bis 64
Jahren dann ergibt sich ein differenziertes Bild. (s.
nebenstehende Abb.)
Natürlich raucht auch nicht jede/r Raucher/in gleich. Die
Gewohnheiten und Verhaltensweisen sind sehr unterschiedlich,
nicht jede/r qualmt wie ein Schlot, manche rauchen nur hin und
wieder. Rund 31 Prozent der Raucher greifen nur gelegentlich zur
"Fluppe", etwa 24 Prozent qualmen jeden Tag bis zu 10
Zigaretten, rund 23 Prozent bringen es auf 11 bis 19 Zigaretten
pro Tag. 21 Prozent, man nennt sie im Volksmund auch
Kettenraucher*innen, rauchen mehr als eine Packung
Zigaretten, als mindestens 20 Stück oder sogar mehr.
Interessant, dass junge Raucher*innen eher
Gelegenheitsraucher*innen sind, während bei Frauen und Männer
jenseits der Vierzig, die rauchen, der Anteil von starken
Raucher*innen ungefähr ein Viertel der Raucher*innen der
Altersgruppe ausmacht.
Und noch etwas ist bemerkenswert: Wer und wie viel jemand
raucht, hängt sehr stark auch vom sozialen Status (Indikatoren:
Bildungsniveau, berufliche Stellung und Höhe des Einkommens) ab.
Schon seit langem weiß man, dass im Vergleich mit anderen z. B.
mehr Männer und Frauen mit niedrigem sozialem Status als mit
hohem sozialen Status rauchen.
Den Kampf gegen das Rauchen haben sich viele Einzelne,
Gruppen, Unternehmen und Institutionen und auch der Staat, die
EU und UNO-Organisationen schon lange auf die Fahnen
geschrieben. Werbeverbote im Fernsehen, Warnhinweise auf
Zigarettenpackungen mit teils schockierenden Abbildungen,
Rauchverbote in Kneipen und Restaurants, Ämtern und in
U-Bahnhöfen und anderen öffentlichen Räumen haben dem
Tabakkonsum, sehr zum Leidwesen der Betroffenen in vielen
Staaten der Welt mittlerweile sehr zugesetzt, auch wenn
Deutschland 2019 noch das einzige Land in der EU ist, in dem
Tabakwerbung noch nicht vollständig verboten ist. Und es gibt
rauchende Zeitgenossen, die in diesem Zusammenhang schon mal das
Wort Diskriminierung in den Mund nehmen.
Aber
das "klassische" Rauchen ist out, kein Trendwechsel mehr in
Sicht, alles keine rosigen Zeiten für die Tabakindustrie (s.
nebenstehende Abb.).
Doch die hat längst begonnen umzudenken. Dampfen oder "Vaping"
wie die Engländer sagen, die angeblich gesundheitsunschädliche
und saubere Form des Qualmens von Inhalationsprodukten mit Hilfe
von »E-Zigaretten
und E-Sishas ist längst mehr als der Rettungszipfel der
Tabakindustrie geworden, die ihren Niedergang anders kaum
aufhalten könnte.
Die Vaping-Industrie, wer hätte es gedacht, ist fest in den
Hände alt eingesessener Tabakkonzerne und dem US-Start-up Juul,
die sich angesichts des sonstigen gesellschaftlichen Gegenwindes
nur zu gerne das Wir-sind-die-Guten-Mäntelchen umgehängt haben.
Wenn sich damit Profit machen lässt, um so besser: Die
geschätzten Umsätze mit E-Zigaretten in Mio. Euro sind in
Deutschland von 2010 (5 Mio. Euro) auf ca. 500 Mio. gestiegen
(2019). (1) Und "Doktor Dampf", ein Webshop und mit Läden in
etlichen Städten, mittendrin und ohne jede Scheu mit der
Bezeichnung Doktor in den weißen Kittel eines um die Gesundheit
seiner Patienten bemühten Arztes zu schlüpfen!
Wenn also nur noch 10 Prozent der Jugendlichen heute zur
"Kippe" greift, ist das natürlich eine gute Nachricht. Aber bald
wird es wohl bei uns kommen wie in den USA: Dort finden die
Teenager herkömmliche Zigaretten inzwischen zwar total uncool,
mehr als 1,6 Millionen von ihnen dampfen aber schon regelmäßig,
zücken ihre futuristisch designten E-Zigaretten im schicken
Alugehäuse und ziehen sich den Dampf der wie Lippenstiftfarben
("Cherry Crush", "Ginseng Ginger", Coconut Breeze") oder als
Farbaroma etikettierten Dämpfe ("energetisch und edel in
Stahlblau", "ausdrucksstark und kreativ in Prink" Liquids rein.
(1)
Dem Widerstand, der sich inzwischen auch gegen das Varping
regt, dem neben der neu entstehenden Verhaltenssucht
insbesondere auch die gesundheitsschädlichen, weil auch
krebserregenden Zutaten der Aromen und Liquids (Formaldehyd,
Nickel, Chrom usw.) ein Dorn im Auge sind, stellt sich
mittlerweile eine Lobbyisten-Initiative mit dem Namen "Vaping is
not tobacco" entgegen und bearbeitet Öffentlichkeit und
Entscheidungsträger in der Politik keine restriktiven Maßnahmen
gegen das Dampfen in Angriff zu nehmen. Und im Internet, auf
YouTube und Instagram, sind Heerscharen namhafter und weniger
bekannter Influencer*innen unterwegs, die sich einen Dreck darum
scheren, ob die Dampfer*innen draußen in der Welt abhängig
gemacht werden und dabei Gesundheitsrisiken eingehen, die
heutzutage noch gar nicht abgeschätzt werden können. No risk no
fun! (1)
In der Tat ist derzeit "alles, was man über das Dampfen und
seine gesundheitlichen Gefahren weiß, (...) dass man fast nichts
weiß." (1) Verlässliche wissenschaftliche Untersuchungen, die ja
auf Langzeituntersuchungen beruhen müssen, liegen derzeit nicht
vor. Zwar sind sich die Wissenschaftler einig, dass Dampfen
grundsätzlich, und das sogar in beträchtlichem Maße, weniger
schädlich ist als das Rauchen, doch mehren sich die Stimmen, die
inzwischen vor den gesundheitlichen Folgen des Dampfens warnen.
Fallberichte zeigen, wie sich bestimmte Lungenerkrankungen bei
Dampfern entwickelt haben, und erste statistischen Analysen über
einen längeren Zeitraum sprechen von einem 30 Prozent höheren
Risiko für schwerwiegende Lungenerkrankungen bei Dampfern. (2)
Und von Untersuchungen über das Risiko für Passiv-Dampfer*innen
scheinen wir derzeit noch Lichtjahre entfernt.
Wenn im Jahr 2016 neun Prozent der Deutschen über
16 E-Zigaretten zumindest schon einmal ausprobiert haben oder
aktuelle Konsumenten sind, klingt dies auf den ersten Blick noch
vergleichsweise harmlos. Schlimmer ist, dass sich neben
Rauchern, die mit der E-Zigaretten vom Rauchen wegkommen wollen,
es vor allem Jugendliche und junge Erwachsene sind, die sich für
das "Juuling" (benannt nach dem oben genannten
Start-up-Unternehmen) interessieren: 17 Prozent der 16- bis
19-Jährigen und 14 Prozent der 20- bis 29-Jährigen haben bereits
E-Zigaretten verwendet. Für sie, so steht zu befürchten, wird
die E-Zigarette wohl wie bei den amerikanischen Jugendlichen
nicht mehr eine Ausstiegs-, sondern zu einer Einstiegsdroge
werden. (1)
(1) Karoline Meta Beisel u. a.: Kann dampfen tödlich sein?,
in: Süddeutsche Zeitung, 18./19. Januar 2020
(2) Berit Uhlmann: Im Nebel. Wie gefährlich sind E-Zigaretten?,
in: Süddeutsche Zeitung, 18./19. Januar 2020
Sonstige Quellen:
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Projekt Rauchen und Nikotinsucht
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
02.02.2023