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Der Hightech-Sportschuh im Magen
von Gert Egle
Glaubt man den Prognosen, dann werden die
Umsätze auf dem weltweiten Sportschuhmarkt bis 2025 Jahr für
Jahr von derzeit 86,93 Mrd. US-Dollar auf 93,19 US-Dollar
steigen. (Statista
2019). Sportschuhe liegen offenbar immer noch im
Trend und das seit mehr als 40 Jahren. Für ein von
Nike-Mitbegründer Bill Bowerman persönlich entworfenes Exemplar,
das für die Olympischen Sommerspiele 1972 hergestellt worden
ist, hat nach Angaben der Tageszeitung
Die Welt ein
kanadischer Sammler bei einer von
Sotheby's veranstalteten Auktion 2019, sage und schreibe,
437.500 Dollar hingeblättert. Gute Werke, möchte man meinen,
sehen anders aus.
Was da allerorten über den Ladentisch geht,
ist ein Wegwerfprodukt par excellence. Landen die Treter
zunächst nicht in der Altkleidersammlung und von dort die noch
brauchbaren in der Dritten Welt, geht es mit den
Hightech-Produkten in den Müll und von dort zum großen Teil in
die Müllverbrennung oder auf irgendwelche Deponien.
Kompostierbar sind die meist kaum ausgelatschten Dinger nämlich
nicht. Im ersten Fall sprechen die Hersteller gerne
schönfärberisch von „thermischer Verwertung“, wenn nichts
anderes mehr übrigbleibt, als die mit dem Kunststoff Polyurethan
z. B. produzierten Laufschuhe einfach zu verbrennen.
Dass das nicht so weitergehen kann, ist
aber inzwischen auch in den Konzernzentralen angekommen. Mehr
oder weniger fleißig wird daran gearbeitet, künftig (auch)
Sportschuhe herzustellen, die ganz und gar recyclingfähig sein
sollen. „Loop“ soll der neue Kreislaufschuh heißen, den Adidas
2021 auf den Markt bringen will. Damit das Ganze die Ökobilanz
des Produkts aber aufbessern kann, muss aber noch geklärt
werden, wie die Rücknahme – im Geschäft oder auf dem Versandweg
– organisiert werden soll. Aber auch andere Hersteller wissen,
dass man nicht zugleich mit Sportschuhen an das
gesundheitsförderliche Sporttreiben, was auch immer der/die
Einzelne darunter versteht, appellieren kann und gleichzeitig zu
einer beträchtlichen Umweltbelastung beitragen kann. Beides
zusammen kommt bei immer mehr potentiellen Käufern immer weniger
an. Puma will ab 2020 bestimmte Sneakers mit Garn produzieren,
das aus recycelten Plastikflaschen stammt. Nike shreddert
zurückgehende Laufschuhe zu einem feinen Granulat, Grind
genannt, macht daraus wieder neue Kunststofffäden für die
eigenen Laufschuhe, verscherbelt es aber auch als Plastik für
Kunstrasen auf Fußball- und Hockey-Plätzen oder auf Balkons von
Wohntürmen von Berlin bis Shanghai. Dass die von dort überallhin
verwehten Mikroplastik-Teilchen irgendwann in einem Fischmagen
landen und von dort im Fischstäbchen wieder bei uns, wen
kümmert’s?
Nicht dass Umdenken beim Einsatz von
Kunststoffen durch die Sportschuhhersteller nicht richtig ist,
aber genau sie sind es auch, die dafür sorgen, dass sich die
Ökobilanz der Schuhe mit Kultstatus nicht wirklich verbessert,
auch wenn sie etwas "aufgehübscht" wird. Der Markt für
Sportschuhe muss weiter wachsen, das ist das Credo der am Gewinn
orientierten, kapitalistischen Produktion.
Und so überschwemmen immer neue
Kollektionen die Regale der Händler, werden neue
Sportschuh-Trends mit millionenschwerer Werbung gesetzt und
dabei sogar namhafte Mediziner zitiert, welche genau die
medizinischen Begründungen für das neue Dämpfungsmaterial an der
Sohle für jeden, der seine Gelenke liebt, liefern. Was die
Ökobilanz aufbessern könnte: Das Anbieten eines
Reparaturservice, Fehlanzeige. Zu teuer, passt nicht ins
Verkaufskonzept: Immer mit den Trends gehen, neue Schuhe kaufen,
die alten „weg damit“. Dann doch lieber Imagewerbung, um die
potentiellen Käufer ordentlich einzulullen. So brüstet sich z.
B. Adidas damit, gemeinsam mit der US-amerikanischen
Partnerorganisation "Parley for Oceans" an Ozeanstränden
Plastikmüll zu sammeln. Sind wir wirklich so dumm? Aber warum
glauben die Manager dann allen Ernstes, dass sie uns mit solchem
"Greenwashing von problematischen Kunststoffprodukten" (Deutsche
Umwelthilfe) für dumm verkaufen können? Eine Antwort vielleicht:
Weil wir dem Brainwashing durch eine milliardenschwere Industrie
mit ihren Werbespots und den von ihren bezahlten Werbeclips von
YouTube-Influencern nichts entgegenzusetzen wissen, Sportschuhe
eben Kultstatus in unser aller Köpfe haben. Machen wir uns also
nichts vor: Auch wir sind aktiv dabei, wenn unsere Sportschuhe
vom letzten Jahr irgendwann im Magen landen.
(Quelle u. a.
Anke Petermann, Das
Wegwerfprodukt, Deutschlandfunk, 15.06.2019)
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Gert Egle. zuletzt bearbeitet am:
03.02.2023