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Schulausflüge in Indiana-Jones-Manier
Wenn Schülerinnen und Schüler von ihrem Schullandheimaufenthalt
zurückkehren, ist das Wort "Nervenkitzel" heutzutage in vieler Munde. Denn
hinter so dem altehrwürdigen Namen verbirgt sich heutzutage immer öfter
ein Konzept, das derartige Veranstaltungen der modernen
Erlebnisgesellschaft anzupassen sucht. Zehntklässler des Duisburger
Krupp-Gymnasiums, die unlängst von einem als Bildungsreise deklarierten
einwöchigen Extremtraining im vorarlbergischen Bregenzerwald nach
Hause zurückgekehrt sind, berichteten, wie sie in luftiger Höhe
auf einem Baumstammbalancierten, im Innern einer tiefschwarzen
Höhle durch enge, feuchte Tunnelgänge robbten und von 60 Meter
hohen Felsvorsprüngen herunterkletterten .Doch der Klassenlehrer
räumt ein: "Einige meiner Schüler haben mir Todesangst
gestanden".Schulausflüge in Indiana- Jones-Manier liegen im Trend: In den vergangenen
fünf Jahren ist die Nachfrage der Schulen nach derartigen Exkursionen
stark angestiegen. Holger Kolb, Vorstandsmitglied im Bundesverband
Erlebnispädagogik in Lindau, schätzt, dass etwa fünf Prozent aller
Klassenfahrten bereits als Abenteuer inszeniert würden. Eine Entwicklung,
die seiner Ansicht nach auch durch die Werbung für Outdoor-Aktivitäten
gefördert werde. Aus diesem und anderen Gründen seien daher Jugendliche
von Kletterpartien und Wildwassertouren fasziniert.
Längst haben die entsprechenden Veranstalter ihr Angebot daher erweitert
und werben mit Sonderrabatten für Tagestouren und
Schullandheimaufenthalte, die von speziell ausgebildeten Führern
vorbereitet und unter strengen Sicherheitsvorkehrungen begleitet werden.
"Kinder wandern doch heute nur noch, wenn irgendein Highlight dabei ist“,
sagt Jürgen Koch, Inhaber des "Aktivzentrums" im bayrischen Oberstaufen.
Schon etwa ein Drittel seiner Gäste sind Schulklassen. Wer dagegen mit
Feuersteinen umgehen, ein Notlager errichten oder gar hin und wieder eine
Suppe mit Regenwürmern kochen will, kann im sächsischen Mittweida ein
Überlebenstraining in der Wildnis des Elbsandsteingebirges machen.
Letzteres "ist der absolute Bringer", sagt Michael Unger, Geschäftsführer
des "Outdoor Teams". Aber auch anderswo werden "urige" Erlebnisse möglich.
Ein "uriges Erlebnis" verspricht Gerhard Feuerstein, Inhaber des
"Aktiv-Zentrums Bregenzerwald": zum Beispiel in einer Höhle, die am Ende
gerade genügend Platz für einen Schüler bietet, um flach auf dem Bauch
hindurch zu kriechen. Wer zur Panik neige, erkenne er schon im
Vorfeld, sagt Feuerstein, der seit 25 Jahren als sportlicher Fremdenführer
in der Alpenregion tätig ist. Dennoch ist für ihn wichtig, "dass Leute,
die Angst haben, nicht zurückbleiben". Zum Mitmachen werde allerdings
niemand gezwungen.
Pädagogen signalisieren Zustimmung. Es gehe darum, über seinen
Schatten zu springen, erklärt z.B. ein Lehrer aus eigener Erfahrung. Im
Nachhinein glaubt er ein "erheblich gesteigertes Selbstwertgefühl"
festzustellen, was sich im Unterricht zeige. Auch Sozialpädagoge Holger
Kolb glaubt an den Erfolg solcher Grenzerfahrungen im Freien – Momente,
die Schüler in einer immer stärker durch Medien erfahrbaren Welt kaum noch
erleben würden. Für ihn steht fest: "Das Sozialverhalten lässt sich in der
Natur am besten erlernen". Und auch in den zuständigen Landesministerien
ist man hellhörig geworden: In Nordrhein-Westfalen haben die Kultus- und
Sportminister soll eine Ergänzung zu den Richtlinien für Wanderfahrten
erlassen werden, die auch Extremsportarten berücksichtigen soll. (452
Wörter)
(Stefan
Karmer, www.teachsam.de,
10.12.03, zuletzt bearbeitet:
26.12.2023 - nach: Süddt. Zeitung, 23.06.03)
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Gert Egle. zuletzt bearbeitet am:
26.12.2023