Die eigene
Schreibkompetenz durch Erkennen von Mängeln verbessern
Im Internet kursieren zahlreiche Interpretationen zu ▪
Peter
Bichsels
▪
Kurzgeschichte
▪»San
Salvador«, die zum Teil von zumindest zweifelhafter Qualität sind. Manchmal
springen einem die Mängel geradezu ins Auge, vorausgesetzt man ist
kompetent genug zu sehen. Aber es gibt natürlich auch Fälle, die
nicht so offenkundig Mängel enthalten.
Wer solche Interpretationen einfach per drag'nd drop kopiert und
plagiatiert, ist leicht zu überführen. Aber was eigentlich schwerer
wiegt, ist die Tatsache, dass jemand, der dies tut, offenbar nicht
in der Lage ist, die Qualität der Interpretationen zu beurteilen.
Ansonsten müssten ihr / ihm die Fehler und Mängel auffallen. Alles
zusammen zeugt von mangelnder Fachkompetenz, Schreibkompetenz und
Medienkompetenz des Plagiateurs.
Die nachfolgende Sammlung stellt Interpretationsaussagen zu ▪
Peter
Bichsels
▪
Kurzgeschichte
▪»San
Salvador« zusammen, die sich in ähnlicher Art und Weise
in verschiedenen Interpretationen aus dem Internet wiederfinden.
Weil sie aus dem Zusammenhang gerissen und gleichzeitig überarbeitet
worden sind, nennen wir sie hier "Internetsplitter".
-
Bichsels
Geschichte befasst sich mit einem Thema, das viele Ehepaare
betrifft, früher ebenso wie heute. Es ist eine Situation die man
zu allen Zeiten gekannt hat und die auch nie aussterben wird. Am
Anfang einer Beziehung ist alles meisten sehr harmonisch und die
Partner gehen liebevoll miteinander um, aber nach einiger Zeit
dominiert nur noch der graue Alltag und liebe Worte gehen in der
Kommunikation verloren. Viele, die so etwas erleben, wollen
dieser Situation entfliehen, irgendwo und mit irgendeinem oder
irgendeiner anderen Person neu anfangen, trauen sich aber nicht,
das Leben, das sie bis dahin aufgebaut haben (Beruf, Familie,
Kinder, Haus und Garten) aufzugeben. Aus diesem Grund bleiben
sie ihn diesem Leben stecken und entscheiden sich,
weiterzumachen wie bisher.
-
Alles deutet am
Ende darauf hin, dass sich die Eheprobleme von Paul und
Hildegard nicht lösen lassen. Paul sucht Erlösung aus seinem
gegenwärtigen Leben in einer fernen Stadt, für die San Salvador
im Titel stellvertretend steht, und auch Hildegard weiß genau,
wie es um ihre Ehe steht, wenn sie sich am Ende nervös zeigt und
sich nicht einmal nach seinem Befinden erkundigt.
- Trotz der Kürze der Geschichte wird diese durch ihre
durchgehende Eintönigkeit schnell uninteressant. Die Geschichte
wird, auch wenn sie sehr kurz ist, durch die Eintönigkeit des
Lebensausschnitts, den sie darstellt, schnell uninteressant. Es
sind zu viele, eigentlich unnötige Dinge, die Paul dem Leser
vermittelt, und diese hätten eigentlich auch gut weggelassen
werden können. So erscheint dem Leser allerdings die Monotonie,
die Pauls Leben zu prägen scheint, so überzogen, dass er sein
Verhalten eigentlich gar nicht ernst nehmen kann.
-
"Mit der
Überschrift "San Salvador" assoziiert der Leser Südamerika mit
seinem warmen Klima, seinen offenen und temperamentvollen
Bewohnern und vor allem einen stressfreien und harmonischen
Alltag. Ganz anders scheint es jedoch in der Ehe von Paul und
Hildegard zuzugehen [...] Paul ist mit der derzeitigen Situation
überhaupt nicht zufrieden und will dem Problem, der gestörten
Kommunikation zwischen den beiden, aus dem Weg gehen, indem er
nach Südamerika auswandert. Dieser Schritt scheint auf den
ersten Blick leicht durchführbar. Allerdings merkt Paul, dass es
für ihn doch nicht so leicht ist, eine endgültige Entscheidung
zu treffen und zögert. Er wird immer unsicherer und weiß
schließlich nicht einmal mehr, ob er nach Südamerika oder in ein
anderes Land gehen will. Das Vergleichen der verschiedenen
Sprachen in der Gebrauchsanweisung (vgl. Z. 33 f.) lässt eine
solche Deutung zu. "
(Oliver Kuna)
-
Peter Bichsel
will mit seiner Geschichte wohl auf die Probleme von Scheidungen
hinweisen und zeigen, in welche Verzweiflung sie führen kann.
wenn man mit dem Gefühl des Alleinseins nicht zurechtkommt.
-
Man kann die Geschichte als eine Art Parabel verstehen, wenn
man ihre Aussage als über den Text hinausgehend versteht. Sie
verweist dann darauf, wie gefährlich stereotype Routinen in
einer Beziehung sein können. Die "Kälte", die Paul spürt, steht
dann dafür, dass seine Gefühle für Hildegard erkaltet sind und
der Satz "Ich gehe nach Südamerika" steht für den Wunsch Pauls,
seiner kleinkarierten Welt zu entfliehen, jäh gestoppt durch den
Einbruch der Realität in seine Fluchtfantasien, seinen Kindern
nämlich, die durch die Frage seiner Frau seinen eher
selbstverliebten Fluchtgedanken, einem Produkt seiner eigener
Langeweile, ein Ende setzen.
- Die "neue Füllfeder" , von der gleich zu Beginn der
Geschichte die Rede ist, stellt ein Symbol für den
Neuanfang dar, den Paul jetzt machen will. Er schreibt auf das
Papier "Mir ist es hier zu kalt" und "ich gehe nach Südamerika“.
Das "Mir–ist–es–hier–zu–Kalt“ bezieht sich aber nicht auf die
Temperatur, sondern damit sind die Gefühle gemeint, die von
seiner Frau ausgehen. Paul spürt keine Gefühle von Liebe seiner
Frau mehr, sondern nur noch eine Gefühlskälte. In "Südamerika"
will er offenbar die Liebe und Geborgenheit finden, die er zu
Hause nicht bekommt. So wird Südamerika ein Symbol für Wärme,
Offenheit, aber auch Temperament. Dort will er ein neues
harmonisches und stressfreies Leben führen.
-
"Man muss in
dieser Kurzgeschichte ganz stark zwischen den Gedanken Pauls und
dem Erzählerkommentar unterscheiden. Denn von
Erzählerkommentaren gibt es in dieser Geschichte mehr als genug!
Alle im Konjunktiv geschriebenen Sätze in Bezug auf Hildegard
sind nicht etwa Pauls Gedanken-nein-das sind reine
Erzählerkommentare! Daher ist es auch ein ALLWISSENDER
(auktorialer) Erzähler. Der Schlüssel der Interpretation liegt
in der Erzählperspektive! Der Leser wird dadurch aufs Glatteis
geführt." (Ein
zitierter Leserkommentar zu einer Interpretation von Oliver Kuna)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
16.12.2023
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