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Bausteine
Literarische Motive können allerlei: Sie strukturieren einen Text
und beeinflussen, wie er rezipiert wird
Literarische Motive sind so etwas wie
ganz allgemeine Vorstellungen über bestimmte Situationen oder
Sachverhalte, die sich über unterschiedliche Dichtungen hinweg immer
wieder zeigen. So kann z. B. das Insel-Motiv, die Vorstellung also, das
jemand oder eine Gruppe von Menschen isoliert von anderen auf einer
Insel leben, in allen möglichen
literarischen
Texten gestaltet sein. Und trotzdem beruht es auf einer in allen
konkreten Gestaltungen gemeinsamen Grundidee darüber, was es ausmacht.
Die Zahl literarischer Motive ist dabei fast unüberschaubar und
Gegenstand einer eigenen wissenschaftlichen Teildisziplin.
Bei der schulischen
Textinterpretation
können ▪ literarische Motive
eine wichtige Rolle spielen, auch wenn sie kaum auf einer text- oder
gattungsübergreifenden vergleichenden Analyse beruhen dürften. Dafür
müsste man verschiedene Gestaltungen des Motivs im Werk eines Autors
bzw. einer Autorin, in den unterschiedlichen
Literaturgattungen
und zu verschiedenen Zeiten heranziehen.
So führt die Berücksichtigung literarischer Motive im schulischen
Literaturunterricht häufig ein Schattendasein. Mit dem
teachSam-Arbeitsbereich zum sogenannten ▪
Robinsonmotiv haben wir ein Beispiel die unterrichtliche
Beschäftigung mit einem in der Literatur und den Medien immer wieder
gestalteten Motiv zusammengestellt.
Wen's
interessiert ...
Was leisten Motive?
Motive werden von einem Autor bzw. einer Autorin eines
literarischen Textes in der Regel sehr bewusst in einen Text
"eingebaut". Werden sie vom Leser bei der Rezeption wahrgenommen,
können sie bei jedem einzelnen Leser - bewusst oder unbewusst -
Assoziationen
aufrufen, die mit diesen Motiven verbunden werden. Oft sind dies
auch Vorstellungen, die in der Gesellschaft in einer bestimmten Zeit
über ein bestimmtes Phänomen weit verbreitet sind. In diesem Fall
spricht man von Konnotationen.
In einer Erzählung können Motive darüber hinaus verschiedene Funktionen
haben. Sie können
-
die
Erzählung strukturieren, indem sie mehrmals oder immer wieder
auftauchen und damit das, was da jeweils erzählt wird,
miteinander in Beziehung setzen (tun sie das systematisch,
spricht man von einem
Leitmotiv)
-
ein Geschehen
einfach nur veranschaulichen und damit gewissermaßen
illustrieren
-
Spannung erzeugen
-
eine allgemeine
und abstrahierte Richtung vorgeben, wie der Text nach Ansicht
des Autors bzw. der Autorin verstanden und interpretiert werden
kann (Steuerung und Lenkung der Rezeption)
Dass die Begriffe
Thema, Stoff und Motiv häufig nicht einfach voneinander abgegrenzt
werden können, sollte man im Umgang mit dem Begriff zumindest
wissen.
Nicht nur
Motive finden, sondern sie auch im
Funktionszusammenhang beschreiben
Das
Identifizieren von literarischen Motiven in einem literarischen Text
ist kein Selbstzweck. Wer sich mit ihnen im Rahmen der schulischen
Textinterpretation
befasst, sollte sie in ihrer Funktion für das Textganze beschreiben
können. Die schulische Motivanalyse ist also stets der
Textinterpretation untergeordnet, zu der sie allerdings wichtige
Beiträge leisten kann.
Wer also Motive in seiner
Textinterpretation
verwenden will, sollte stets danach fragen, welche
Funktion(en) (s. o.) sie für das Textganze
haben und sie unter Berücksichtigung dieses Aspekts beschreiben.
Natürlich sind die sprachlichen Mittel,
die in einem Text zu finden sind, nicht
gleichermaßen für die Gestaltung der Aussage von Bedeutung. Daher
konzentriert man sich also am besten auf die sprachlichen,
stilistischen und rhetorischen Mittel, deren Funktion einem klar ist
und begnügt sich bei anderen mit knappen Randbemerkungen.
Motive, die in Wolfgang
Borcherts Kurzgeschichte eine Rolle spielen
In ▪ Wolfgang Borcherts
Kurzgeschichte
▪
»Das
Brot«
spielen z. B. die Motive des Lichts, Kälte und des Spiels eine
größere Rolle.
Dabei werden diese
Motive jeweils in einem Motivgegensatz verwendet.
-
Beim Motiv des
Lichts kann man z. B. den Motivgegensatz von hell und dunkel
gestaltet sehen.
-
Das Motiv der
Nähe ist im Gegensatz zu dem der Ferne gestaltet.
-
Das Motiv des
Spiels spielt in der Beziehung zwischen dem alten Mann und der
Frau eine wichtige Rolle.
Motivgegensatz Kälte und Wärme
Am Beispiel des Motivgegensatzes von Kälte und Wärme
lässt sich zeigen, was damit gemeint ist und was es bedeutet:
Kälte in der Küche, nachts um halb
drei |
Wärme des Bettes |
Es ist so
kalt, dass, insbesondere wenn man nur leicht beleidet
und barfuß in er kalten Küche auf den kalten Fliesen
steht, dass man sich erkälten kann. |
Im warmen
Bett überseht man die Kälte der Nacht und, wenn man aus
der Kälte zurückkehrt, wird es einem schnell wieder warm |
Im Funktionszusammenhang
beschreiben
An einem Beispiel soll
demonstriert werden, wie die Beschreibung des Motivgegensatzes von
Kälte und Wärme im oben dargestellten
Funktionszusammenhang aussehen könnte:
Der sich unter Umständen anbahnende offene Konflikt zwischen den
beiden Figuren wird von Anfang an durch den Motivgegensatz von
Kälte und Wärme unterstrichen. Indem der Mann und dann später
auch die Frau die Wärme und Geborgenheit des gemeinsamen
Ehebetts, das sie in der sie umgebenden Kälte wärmt und in dem
auch die Atemgeräusche des anderen Vertrautheit signalisieren,
verlassen begeben sie sich in eine Umgebung, in der in der Nacht
alles kalt ist (der Fußboden, der Kühlschrank) oder kalt wirkt
(der Brotteller, das Messer). Die Frau spürt, wie die Kälte der
Fliesen, barfuß und nur mit dem Nachthemd bekleidet wie sie ist,
an ihr emporkriecht und damit physisch vorwegnimmt, was sie im
Innern "erkalten" lässt. Es ist, als ob die "kaltblütige"
Unverfrorenheit ihres Mannes, ihr Lügen aufzutischen, die äußere
und innere Kälte, die sie dabei empfindet, miteinander
verbindet. Trotzdem äußert sie sich fürsorglich gegenüber ihrem
Mann, indem sie mit einem leisen Tadel darauf hinweist, er hätte
Schuhe anziehen sollen, wenn er nachts das Bett verlasse. Als
beide später wieder das wärmende Bett aufsuchen, ist der
aktuelle Konflikt vermieden, auch wenn die Ankündigung der Frau,
sie krieche unter die Decke, zeigt, dass sie nicht die vertraute
Wärme des anderen im gemeinsamen Ehebett sucht, sondern sich die
wärmende Decke wohl geradezu über den Kopf zieht, allerdings nur
soweit, dass sie genau mitbekommt, wie ihr Mann zu kauen
beginnt.
Motiv des Lichts - verschiedene Formen der Annäherung
Wie oben erwähnt ist das Motiv des Lichts in seinem
Motivgegensatz von Helligkeit und Dunkelheit ein weiteres Motiv in ▪ Wolfgang Borcherts
Kurzgeschichte
▪
»Das
Brot«
Der Sprachgebrauch
Um die allgemeine Bedeutung des Lichtmotivs zu
erkennen, gehen wir vom Sprachgebrauch aus und stellen einfach
einmal in einer WordCloud Ausdrücke und Redewendungen zusammen, die
auf verschiedene Bedeutungsaspekte des Begriffs Licht verweisen.
Dies soll helfen, die Gestaltung und die Funktion des
Motivgegensatzes von Helligkeit und Dunkelheit in der Geschichte
Aichingers zu analysieren und im Funktionszusammenhang nach obigem
Muster zu beschreiben.
Für größere Darstellung bitte anklicken!
Was verbinde ich / verbinden wir mit Licht und
Dunkelheit?
Als Alternative oder Ergänzung bietet sich auch eine
freie Assoziation zu dem Thema Licht und Dunkel (Helligkeit und
Dunkelheit) an.
Sie kann z. B. als
Brainstorming
oder Clustering
zum Thema jede/r für sich, in der Kleingruppe oder im Plenum mit
einem gemeinsamen (stillen) Brainstorming oder Clustering an der
Wandtafel (Dabei werden Kreidestücke an mehrere Schülerinnen und
Schüler verteilt, die ihre Assoziationen, z. B. links Dunkelheit,
rechts Helligkeit (Licht) an die Tafel schreiben. Sie geben die
Kreide dann jeweils weiter, bis jede/r Schüler/-in "zu Wort
gekommen" ist.)
Im Anschluss daran werden die Ergebnisse des
Brainstormings im Plenum besprochen.
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Bausteine
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
16.12.2023
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