Interpretationshypothesen prüfen und beurteilen
Für die Interpretation der Kurzgeschichte »Die
Küchenuhr«
von
Wolfgang Borchert
gilt, was für jede Form von Interpretation gültig ist: Es gibt nicht die richtige Interpretation.
Das bedeutet natürlich nicht, dass einem
bestimmte Interpretationen nicht plausibel, manchmal sogar gänzlich
abwegig und aus der Luft gegriffen vorkommen können. Wieder andere
überzeugen uns auf Anhieb finden unsere ungeteilte Zustimmung.
Dies gilt es zu beachten, wenn hier
Interpretationshypothesen vorgestellt werden, die zudem aus ihrem
Gesamtkontext herausgelöst worden sind.
Wie dem auch sei, es soll zu einer intensiven
Auseinandersetzung mit dem Text von Borchert beitragen, wenn zur Prüfung
und Stellungnahme zu den nachfolgend aufgeführten
Interpretationshypothesen und -gedanken aufgefordert wird. Die einzelnen
Interpretationshypothesen haben dabei sicher auch eine unterschiedliche
Qualität. So entstammen manche aus der literaturwissenschaftlichen
Fachliteratur, andere sind Schülerarbeiten entnommen oder finden sich in
einschlägigen Interpretationen, die man sich ohne große Mühe aus dem
Internet auf den eigenen Computer herbei"googlen" kann.
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Der junge
Mann "ist wahnsinnig geworden" und "dieser Wahnsinn hat sich in sein
Gesicht eingeschrieben und erklärt sein den anderen gleich
auffälliges Verhalten und Sprechen, so daß sie zunächst verlegen
reagieren, wenn sie von dem jungen Mann angesprochen werden. [...]
Die in ersten Augenblick der Begegnung vorhandene Scham bei den
Leuten zeigt sich z. B. darin, daß sie den jungen Mann nicht
anschauen können und zur Vermeidung des Blickkontaktes in den
Kinderwagen bzw. auf die Schuhe schauen." Wilhelm
Große
(1995, 8. Aufl. 2017, S.56)
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Die Küchenuhr ist, auch wenn sie nicht mehr funktioniert, ein Symbol
für das verlorengegangene Paradies und damit auch der Hoffnung, weil
sie die Erinnerung daran bewahrt.
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"Zugleich lässt (die Kurzgeschichte) mit der vordergründig banalen
Küchenuhr-Geschichte tief in die Seele der Figuren blicken, die,
emotional abgestumpft, unfähig sind, über ihre Erlebnisse und
Gefühle zu sprechen, verdrängen, was geht, frühere Überzeugungen
verloren haben und denen das Grundvertrauen in die Mitmenschen und
die Welt abhanden gekommen ist. Innerlich kaputt und nie mehr wie
immer. Wie die Küchenuhr eben, die irreparabel ist. Ein Symbol für
das verlorengegangene "richtige" Paradies, das nie mehr zurückkehrt,
irreversibel." (Gert Egle, Innerlich
kaputt und nie mehr wie immer)
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Werner
Zimmermann (1962) ist der Ansicht, dass die Bedeutung der
Küchenuhr über ein Erinnerungsstück oder ein
Dingsymbol hinausreicht. "Sie werde gerade im Gegensatz zwischen
äußerlicher Wertlosigkeit und verborgenem Wert zu einer
Reliquie, einem 'Gegenstand von magischer Heilkraft' für den
Protagonisten und einer symbolischen
Chiffre für den höheren Sinn der Geschichte ." (Quelle:
Wikipedia.de, 13.06.19)
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Für
Hans Graßl
(1995) ist die Küchenuhr "ein Zeichen der Zeit, die
unwiederholbar abgelaufen sei. Gleichzeitig sei ihr Kreislauf, den
der junge Mann mit dem Finger nachzeichnet, auch ein Symbol für
seine Lebenssituation, nachdem er ohne Eltern und Zuhause allein und
schutzlos in der Welt stehe. Von der Gemeinschaft der Anderen
abgewiesen, richte der junge Mann sein Selbstgespräch an die Uhr,
die für ihn ein 'Gesicht' erhält, von ihm personifiziert wird."
(Quelle:
Wikipedia.de, 13.06.19)
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Ralf Schenstroem: "Personale Perspektive Wolfgang Borchert erzählt die Kurzgeschichte aus der Er-Perspektive,
ohne dass wir etwas von den Gedanken oder der Gefühlswelt der
Personen erfahren. Er berichtet also sachlich von außen. So regt die
Kurzgeschichte zum Nachdenken an, vieles, was die Personen angeht,
muss anhand der Aussagen und des Verhaltens gemutmaßt werden."
(http://www.leixoletti.de/interpretationen/kuechenuhr.htm)
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"Der Mann auf der Bank muss am
Schluss 'immerzu an das Wort Paradies' denken. Vielleicht fragt er
sich, ob er je ein Paradies hatte oder je wieder eines sehen wird.
Der Leser wird durch diesen Schluss aufgefordert, sich über sein
"Paradies" Gedanken zu machen." (ebd.)
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"Der Autor möchte uns möglicherweise mit der Kurzgeschichte, die
Küchenuhr sagen, das man manchmal immer mehr haben möchte, das aber manchmal vor
Habgier ganz das Gegenteil geschieht, dann wird einem erst bewusst,
wie gut man es doch hat/te. Das Schicksal des Mannes hatten zu Kriegszeiten sehr viele Menschen,
vor allem in Großstädten, da dort besonders viel bomberdiert wurde."
(http://www.schulzeux.de/deutsch/die-kuechenuhr-interpretation-wolfgang-borchert.html)
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"Die Uhr wird wahrscheinlich als Ebenbild des Mannes benutzt. Die
Uhr entspricht mit all ihren Attributen dem Mann in der Geschichte.
Zudem wird vermutlich gezeigt wie viel Bedeutung in einem Objekt
liegen kann." (https://e-hausaufgaben.de/Thema-205792-Wolfgang-Borchert-Die-Kuechenuhr-Analyse-Korrektur.php)
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"Die 'Küchenuhr', die er den Leuten zeigt, die sich die Parkbank mit
ihm teilen, ist in der Geschichte wohl ein Symbol für den jungen
Mann selbst, der, so wie auch die Küchenuhr, im Zerfall begriffen
ist." (Brigitta Loidl,
https://www.grin.com/document/101601)
Gert Egle, zuletzt
bearbeitet am:
16.12.2023
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