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Bausteine

Thaten und Schicksal von Prometheus (Hederich, 1770)

Johann Wolfgang von Goethe Werke Lyrische Werke Verschiedene GedichtePrometheus

 
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Die Kenntnis, die • Johann Wolfgang von Goethe von dem antiken Prometheus-Mythos zu dem Zeitpunkt der Entstehung des Dramenfragments (1773) besaß, kann nicht eindeutig rekonstruiert werden. Wahrscheinlich nutzte er dabei hauptsächlich zeitgenössische Nachschlagewerke wie z. B. »Benjamin Hederichs (1675-1748) »Gründliches Mythologisches Lexikon (Neuauflage 1770). Hederich beschreibt die "Thaten und das Schicksal" von Prometheus wie folgt:

"3 §. Thaten und Schicksal. Er machte zuerst die Menschen aus Erde und Wasser. Ovid. Metam. I. v. 82. & Phurnut. de N.D. c. 18. Hierzu nahm er von einem jeden Thiere etwas, welches bey dem Menschen auch die Eigenschaft des Thieres behalten hat; daher sie so furchtsam sind, wie die Hafen, so listig, wie die Füchse, so stolz, wie die Pfauen, so grausam, wie die Tiger, so zornig, wie die Löwen, u.s.f. Horat. l. I. Od. 16. v. 13. & ad eum Desprez l. c. Nach dieser Erzählung könnte er es also wohl nicht seyn, den man auf einem geschnittenen Steine mit Hammer und Meissel an einem Gerippe arbeiten sieht, und für ihn ausgiebt.Chausse gem. ant. fig. t. 118. Indessen soll doch sein erster gemachter Mensch ohne Sinne und Empfindung gewesen seyn. Allein, da Minerva denselben bewunderte, so versprach sie ihm zugleich, daß, wenn er etwas von himmlischen Gaben darzu verlangete, sie ihm dießfalls behülflich seyn wollte. Sie nahm ihn auch darauf in ihrem Schilde mit in den Himmel; und, da er sah, wie alles durch das himmlische Feuer belebet würde, so zündete er insgeheim eine Ruthe an dem Sonnenwagen an, und hielt solches Feuer dem gedachten Menschen an die Brust, wodurch denn derselbe lebendig wurde. Fulgent. Myth. l. II. c. 9. Man hat diese Begebenheit auf einer Gemme abgebildet, wo er auf dem Olympus sitzt und die angezündete Fackel niederwärts [2091] hält, über derselben aber ein Schmetterling, als das Sinnbild der Seele, fliegt. Lipperts Dactyl. II Taus. 3 N. Man sieht seine Bildung der Menschen, nebst verschiedenen andern Vorstellungen, noch auf einem alten Denkmaale. Er sitzt daselbst mit einem um den Leib geschlagenen Gewande, das ihm sonderlich den untern Theil bedecket. Neben sich hat er einen Korb mit Thone, und vor sich ein schon verfertigtes Menschenbild stehen. Ein anderes dergleichen hält er mit der linken Hand auf dem Schooße vor sich, und scheint solches mit dem in der rechten Hand habenden Meissel auspoliret zu haben. Minerva steht hinter diesem Bilde und setzet ihm einen Schmetterling auf den Kopf, dessen Beseelung anzudeuten. Montfauc. ant. expl. T. I. P. I. p. 24. Weil hiernächst den Göttern allemal die ganzen Thiere geopfert wurden, und die Armen also gar selten dergleichen bringen konnten, so erhielt er vom Jupiter, daß nur ein Theil verbrannt, das andere aber von den Leuten verzehret werden mochte. Er opferte aber darauf selbst dem Jupiter zwey Rinder; und, nachdem er die Eingeweide verbrannt hatte, so wickelte er in die eine Haut allein das Fleisch von beyden Ochsen, in die andere aber die Knochen derselben, und ließ den Jupiter nach einem unter beyden greifen. Nun wußte zwar Jupiter des Prometheus List wohl, griff aber doch mit Fleiße, als ob er es nicht besser wisse, nach der Haut mit den Knochen. Damit er sich nun dafür an dem Prometheus und den Menschen rächete, so nahm er ihnen das Feuer von der Erde hinweg, daß sie ihren Theil des Fleisches nicht kochen konnten. Allein, es zündete Prometheus eine Ruthe an der Sonne an, und brachte das Feuer solcher Gestalt doch wieder unter die Menschen. Diesen Frevel zu bestrafen, ließ Jupiter ihnen durch den Mercurius die Pandora zuführen, welche Epimetheus, des Prometheus Bruder, annahm, ungeachtet ihm dieser scharf verbothen hatte, kein Geschenk vom Jupiter anzunehmen. Prometheus aber wurde seines [2092] Feuerraubes halber auf dreyzig tausend Jahre von dem Vulcan und Mercurius an den Berg Caukasus also angeschmiedet, daß er sich nicht regen konnte, wobey ihm ein grausamer Adler täglich die Leber aus dem Leibe fraß. Indem er nun so lag und nicht schlafen konnte, so hörete er die Parcen sagen, daß, wenn Thetis einen Sohn bekäme, selbiger mächtiger seyn würde, als sein Vater. Weil nun Jupiter sein Absehen selbst auf solche Thetis hatte, mit einem dergleichen Sohne aber ihm nicht gedienet war, so nahm er die Nachricht des Prometheus von der Parcen Weissagung so wohl auf, daß er ihn dafür seiner Bande wieder erließ. Jedoch verband er ihn, zur Erinnerung seiner Strafe, wenigstens einen eisernen Ring mit einem Steines an der Hand zu tragen, wovon die Fingerringe entstanden seyn sollen. Hygin. Astron. l. II. c. 15. Cf. Serv. ad Virgil. Ecl. VI. 42. Phurn. l. c. Nach einigen wurde er an einen Pfahl geheftet; Lucian. Prometh. p. 177. oder er war an eine Säule gebunden; und, damit seine Pein nicht aufhören möchte, so wuchs allemal des Nachts so viel Leber wieder, als der Adler des Tages über hinweg fraß.Hesiod. l. c. v. 521. & Pherecyd. ap. Schol. ad Apollon. l. II. v. 1253. Einige geben vor, ihm sey diese Strafe nicht so wohl wegen des entführten Feuers, als weil er der Minerva Gewalt anzuthun gesucht, angethan worden. Duris Samius ap. Schol. Apallon. l. c. Jedoch will man auch, daß er sie wegen der Bildung des Menschen, seiner Täuschung des Jupiters und seines Feuersichtens habe leiden sollen; welche drey Verbrechen er denn sinnreich entschuldiget.Lucian. Prometh. p. 173. T. I. Opp. Sonst soll er die Arzeneykunst, Arten zu weissagen, Auslegung der Träume, das Deuten aus dem Vogelfluge und dem Eingeweide, imgleichen die Kunst, die Metalle zu graben und zu verarbeiten, und was dergleichen mehr ist, erfunden haben. Aeschylus Prometh. vinct. 475. sqq. & Phurnut. l. c. Andere wollen, Herkules habe erwähnten Adler erschossen, [2093] und den Prometheus befreyet, weil er ihm gesagt, wie er zu den goldenen Aepfeln der Hesperiden gelangen solle. Apollod. l. I. c. 7. §. 1. Pherecyd. ap. Nat. Com. l. IV. c. 6. p. 317. & Diod. Sic. l. IV. c. 15. p. 155. Dieß soll geschehen seyn, als er seine Pein dreyzig Jahre ausgestanden, und soll ihm der Adler nicht so wohl die Leber, als selbst das Herz, abgefressen haben. Hyg. Fab. 144. Dieses soll gleichwohl ein anderer Herkules, als der thebanische, gewesen seyn. Philostrat. vit. Apollon. l. II. c. 3. Jedoch prophezeyete er sich eben von demselben die Erlösung. Lucian. l. c. p. 184. Man ist auch wegen des Kaukasus nicht einig, auf welchem er angeschmiedet gewesen. Einige setzen ihn in Indien, wo er eigentlich Parapamisus soll geheissen haben. Diod. Sic. XVII. p. 606. Arrian. Indic. p. 519. Strabo l. XV. p. 688. Philostr. l. c. Andere aber wollen, es sey der eigentliche Kaukasus auf der Erdenge zwischen dem mäotischen Sumpfe und dem kaspischen Meere, gewesen. Plutarch. de fluv. in Phas. p. 1151. T. II. Opp. Apollon. l. II. 1253. Und zwar soll der Theil dieses Gebirges, wo er diese Strafe erlitten, Strobilus heissen. Arrian. Peripl. Pont. Eux. p. 124. Eben so streitig ist man wegen des wahren Ortes auf dem Berge. Denn nach einigen ist er in einer Höhle auf der Mitte desselben angeschmiedet worden, wo man noch lange nachher die Bande und Fesseln gesehen. Diod. Sic. l. c. Man konnte aber nicht errathen, von was für Materie sie recht waren. Nach andern geschah die Vollstreckung seiner Strafe auf dem Gipfel des Berges, welcher zwo Spitzen hatte, die ein Stadium, d.i. hundert und fünf und zwanzig Schritt, weit von einander stunden, und an deren jede er mit einer Hand angefesselt gewesen. Denn eine solche Größe soll er gehabt haben. Philostrat. l. c. Seine Befreyung von dem Adler durch den Herkules ist auf einem noch erhaltenen schönen Stücke Marmor von halb erhabener Arbeit vorgestellet worden. Man sieht daselbst auf der einen Seite vorn einen Greis zwischen Zweigen [2094] von Bäumen, worüber sich eine Schlange windet, welcher den Kaukasus vorstellen soll. Herkules hat seine Löwenhaut und die Keule zu dessen Füßen an den Felsen hinter sich geleget, und steht mit seinem gespannten Bogen im Begriffe, auf den Adler zu schießen, welchen Prometheus auf seinem Knie sitzen hat, da er selbst mit beyden ausgestreckten Armen an den Felsen gefesselt ist. Unter ihm liegt eine Frauensperson mit einem Füllhorne, bey welchem ein Genius ist, und über ihr steht Mercurius, welcher geneigt zu seyn scheint, den Prometheus zu trösten, oder dem Herkules zu helfen. Montfauc. l. c. pl. 131. Das größte Unglück des Prometheus bey seiner Bestrafung würde die Unsterblichkeit gewesen seyn, welche er vom Chiron erhalten hatte.Apollod. l. II. c. 5. §. 4. Er scheint aber wieder nach Griechenland gekommen und daselbst gestorben zu seyn, weil die Argier sein Grab wiesen. Pausan. Cor. c. 19. p. 119. Aeschylus hatte drey Tragödien von ihm gemacht, wovon zwo verloren gegangen, diejenige aber, die wir noch haben, ihn nicht an den Kaukasus, sondern an europäische Gegenden des Oceans angefesselt zeiget. Fabr. Bibl. gr. l. II. c. 16. p. 607."

(Quelle: Hederich, Benjamin: Gründliches mythologisches Lexikon. Leipzig 1770., Sp. 2090-2098., http://www.zeno.org/nid/2000283281X, - Henricus - Edition Deutsche Klassik GmbH, gemeinfrei)

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Gert Egle. zuletzt bearbeitet am: 15.11.2024

    
   Arbeitsanregungen:

Vergleichen Sie Goethes Prometheus-Figur mit der Darstellung des Prometheus im »Gründlichen Mythologischen Lexikon (Neuauflage 1770) von »Benjamin Hederich (1675-1748)

  • Welche Motive greift Goethe für sein Gedicht auf?
  • Was spart er aus? Welche Gründe könnten dafür verantwortlich sein?
  • Inwiefern spiegelt sich darin das Verständnis des Individuums in der • Literaturepoche des • Sturm und Drang (1760-1784)?
 
 
 

 
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