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Literaturepoche Barock (1600-1720)
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Historischer Hintergrund
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Gesellschaftliche, politische
und kulturelle Rahmenbedingungen
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Religion und
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Bewusstseins- und
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Allseits bedrohtes Leben und
unstillbarer Lebenshunger
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Vanitas, carpe diem und memento mori: Der Mensch in bipolarer
Spannung
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Krankheit und Tod
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Barocklyrik
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Sonett
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Überblick
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Grundtypen
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Textauswahl
Ein Schlüssel zum
Verständnis des Gedichts »Es
ist alles eitel« von
Andreas Gryphius
können die antithetischen Strukturen des Textes sein.
Die
Antithetik, die Entgegenstellung von Begriffen und Gedanken gehört
zu den wichtigsten sprachlichen Gestaltungsmitteln der Barocklyrik.
Zu diesen werden nach Marian
Szyrocki (1997, S.56-63) die folgenden Merkmale gezählt:
Bei der Antithese
"(werden) Wörter, Versteile, Halbverse und und ganze Verse (...)
einander gegenübergestellt und die Antithesen aneinandergereiht.
Dadurch entsteht der Eindruck von Parallelität, den noch der
Gebrauch von Anaphern
steigern kann". (ebd.,
61) Zugleich dienen diese auf Textebene auch als
Kohäsionsmittel und lenken die Aufmerksamkeit der Leserin bzw.
des Lesers bei der
▪ Sinnkonstruktion auf die antithetische Struktur.
Gedichte, die
derartige antithetische Strukturen kunstvoll zur Gestaltung ihrer
Aussage nutzten, dienten auch dazu, das poetische Vermögen ihres
Dichters zu demonstrieren. Zugleich korrespondieren derartige
Sinnfiguren auch mit dem ▪
bipolaren Weltbild, das das Lebensgefühl zahlreicher Menschen im
Zeitalter des ▪
Barock geprägt hat.
|
These |
Antithese |
1 |
baut
-
Aufbau
-
Kulturlandschaft (Stadt)
|
reißt ein
-
Zerstörung
-
Naturlandschaft
|
Vergänglichkeit
aller Dinge, die von Menschen geschaffen werden |
2 |
blüht
pocht, trotzt
ewig
glück
|
zertreten
asch und bein
nicht ist ewig
beschwerden
|
Vergänglichkeit allen Lebens |
3 |
Vergänglichkeit aller Werte des
Menschen im Spiel der Zeit |
4 |
Vergänglichkeit ohne Blick bzw.
Zugang zu den ewigen, unvergänglichen Werten des Jenseits nicht
überwindbar |
Vergänglichkeit = Vanitas-Motiv
-
Tod ist
allgegenwärtig
-
Freuden des Lebens
haben keinen Bestand
-
Alles Streben nach
Glück, Macht, Erfolg, Reichtum, Liebe und Lust ist sinnlos.
Marian
Szyrocki (1964,
S. 59f.) hat die antithetische Struktur des Gedichts folgendermaßen
analysiert und beschrieben:
"Der Gedanke von der Vergänglichkeit alles Irdischen wird ausgebaut in
einer Kette von antithetischen Halbversen. Sie klingen in der
Existenzfrage "Solt denn die Wasserblaß, der leichte Mensch bestehn?"
aus. Nach diesem, dem zehnten Vers, folgt der Sonetteinschnitt. In den
letzten vier Zeilen zieht der Dichter aus Erlebtem und Durchdachtem die
Folgerungen und erhebt Klage über die Nichtigkeit der Welt. "Der Klang des
Satzes ist traurig: mit Ach hebt er an, als Frage klingt er aus, die
Stimmlage ist tief, dunkel. Aber er endet doch mit einem an sich
lieblichen Bild -, eine Wiesenblum, die man nicht wiederfind't -
... Das Irdische, das vergänglich ist und insofern eitel, leuchtet doch
einen Augenblick in Schönheit auf, die geliebt erscheint - aber das klingt
nur ganz leicht an; ausgesprochen bewusst geworden ist es nirgends. Die
neue Exempla-Häufung nennt in raschem Zusammentreffen lauter Dinge, die
schnell vergehen und später nicht mehr zu finden sind. Dies klingt
hoffnungslos und pessimistisch. Gryphius sieht zwar "in dem was ewig ist"
einen Ausweg aus der Sackgasse der Vanitas, doch die Menschen wollen ihn
nicht gehen. Mit prophetischer Stimme mahnt Gryphius in dem Sonett die im
Bruderkrieg verblutenden Zeitgenossen, leitet aus den angeführten
Beispielen die Gesetzmäßigkeit der Vergänglichkeit ab, erhebt Klage und
schließt mit einer Anklage.
In dem Gedicht werden verschiedene Möglichkeiten der Antithetik verwertet:
zwischen Wort und Wort, Halbvers und Halbvers, zwischen Vers und Vers,
Satzperiode und Satzperiode. Der Anfangs- und der Schlussvers stellen das
Irdisch-Vergängliche dem Transzendent-Ewigen gegenüber und rahmen durch
diese gedanklichen Extreme das Sonett gewissermaßen ein. Die formale
Meisterschaft und die erschütternde, tief erlebte Wahrhaftigkeit
entschieden über die künstlerische Lebensdauer der dichterischen Aussage
des Gedichtes, in dem die Haupterfahrung von Gryphius' schwerer Jugend,
das Vanitaserlebnis, einen vollkommenen Ausdruck fand." (Szyrocki zitiert nach der Fassung von 1637)
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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
07.11.2021
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