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Gesamttext (Kapiteleinteilung nach Malcom Pasley 1990)
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Text des Kapitels
"Der Onkel / Leni"
Die Gestalt der Leni in
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Franz Kafkas Roman "•
Der
Prozess" polarisiert noch heute. Kaum eine
andere Frauengestalt Kafkas ist bei zahlreichen Interpreten so schlecht
weggekommen wie Leni, bei kaum einer anderen Figur werden die moralischen
Voraussetzungen ihrer Interpreten so offenkundig wie bei ihr, und bei kaum
einer anderen Figur hat die Tatsache, ob ihr Interpret männlich oder
weiblich ist, einen solchen Ausschlag gegeben.
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So betont
Walter Sokel (1976, S. 213), dass Lenis "Sirenenziel" die
"Versklavung" des Angeklagten sei, die "Hunde aus den Klienten ihres
großväterlichen Geliebten" mache. Er fährt fort: "Sades Orgien,
Sacher-Masoch und Stekels Krankheitsgeschichten des Sado-Masochismus
fallen einem ein, wenn man vom Haushalt des Advokaten [...] liest. Diese
Gefängnisse in bürgerlichen Wohnungen, in denen erwachsene Männer zu
dauernd gezüchtigten Kindern und getretenen Tieren erniedrigt werden,
erinnern ebenso an private Konzentrationslager wie an die Wohnungen
eleganter Pariser Faubourgs in dem Roman des Marquis de Sade, wo
Menschen zur alltäglichen Belustigung der Eigentümer gefoltert und
geschlachtet werden."
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Wenn
Heinz Pollitzer (1978, S.304f.) Leni als einziges Gefühl
"Männerhunger" bescheinigt, kann er ganz offensichtlich den
männlich-moralisierenden Zeigefinger kaum verbergen, wenn er über Leni
urteilt: "Sie ist eine Zwangsschwätzerin, die ihre Gedanken sozusagen im
Naturzustand, das heißt in voller grausamer Nacktheit wiedergibt, wobei
der Wirklichkeitsgehalt dieser Gedanken für sie keine Rolle spielt." In
dem vom Advokaten Huld als "Zudringlichkeit" bezeichneten Verhalten
Lenis sieht Pollitzer gar den "insektenhafte(n) Wunsch, sich
festzusetzen und einzusaugen, dem eine unstillbare Aggressivität
zugrunde liegt." Aber indem sie diese Affären berichte, verrate sie das
einzige Gefühl, dessen sie fähig zu sein scheine, ihren "Männerhunger."
Es lohnt sich daher, einen genaueren Blick auf die Figur zu werfen.
Leni
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ist unverheiratet, lebt ohne ihre Familie allein
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wirkt attraktiv
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arbeitet in einem typischen Frauenberuf als Krankenpflegerin und
Hausangestellte des Advokaten Huld
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besitzt, da sie die Schlüssel des Hauses hat, beim Advokaten eine
Vertrauensstellung
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kann auf eigene Verantwortung Angeklagte als Gäste ins Haus
einladen, z. B. Kaufmann Block
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hat ein besonderes Verhältnis zu Huld
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war u. U. früher, vor dessen Krankheit, die "Geliebte des Advokaten"
- so behauptet es jedenfalls der Onkel (HL
79) - , zeigt sich aber jetzt,
da Huld krank ist, nur, in einer allerdings zärtlichen Weise, als
Pflegerin ("weit
über den Kranken hingebeugt war und gerade das Leintuch an der Wand
glättete" ,
HL 71; "mit
der einen Hand streichelte sie, wie K. zu bemerken glaubte, die Hand
des Advokaten",
HL 71; "strich,
tief zu seinem Gesicht geneigt, über sein langes, weißes Haar",
HL 140)
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Huld ihr gegenüber: eine Art väterlicher Rührung
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Verhältnis der beiden ist nicht das zwischen einem Chef und
seiner Angestellten
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Huld erkennt Arbeit Lenis an
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erkennt Hulds Bemühungen um das Leben seiner Klienten
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trotz sexueller Beziehungen zu den Angeklagten loyales
Verhältnis zu Huld, der ihr wichtigste soziale Beziehung darstellt
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ihre sexuellen Beziehungen zu den Angeklagten werden von Huld
toleriert, er belustigt sich darüber und führt sie auf die Schönheit
der Angeklagten zurück
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überhöht den Charakter der Prozesse nicht
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weiß, dass Prozesse für die Klienten tödlich ausgehen können
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verachtet Angeklagte nicht
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bevorzugt K. vor Block, weil er mehr Privilegien von Huld erhalten
hat
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wird von den Angeklagten nicht als Person geliebt, sondern als
Mittel zum Zweck, die Beziehung zu Huld besonders intensiv zu gestalten
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wird vom Onkel K.s, der in ihr die "Geliebte
des Advokaten" (HL
79) sieht und "sichtlich
voreingenommen" ist (HL
71), als "Hexe"
(HL
72) abgelehnt und als "kleine(s)
schmutzige(s) Ding"
(HL 79) bezeichnet
Lenis Verhältnis zu
Josef K. ist u. a. davon bestimmt:
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Gesamttext (Kapiteleinteilung nach Malcom Pasley 1990)
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Text des Kapitels
"Der Onkel / Leni"
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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
27.11.2023
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