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Figurengestaltung in dramatischen Texten ▪
Kontrast-
und Korrespondenzbeziehungen der Figuren ▪
Figurencharakterisierung
▪
Techniken
der Figurencharakterisierung in dramatischen Texten
▪
Auktoriale Techniken
▪
Figurale
Techniken
▪
Literarische Charakteristik
Die Figur des
Nathan
in
Lessings
Drama »Nathan
der Weise« kann unter vielen verschiedenen Aspekten betrachtet und
interpretiert werden.
Eine Auswahl von Interpretationsaussagen
lädt zur Auseinandersetzung ein:
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"Der weise Nathan gibt dem Stück nicht nur den Namen, sondern in ihm
liegt auch die Kraft aufzuklären, zu erziehen, zusammenzuführen, durch
welche das Ziel der dramatischen Handlung erreichbar wird. [...] Es mag
sich darin auch eine Tendenz Lessings äußern, welche durch die damalige
Lage der Juden bedingt war. Aber das ist doch die Hauptsache, dass
Nathan, weil in ihm die religiöse Anlage seines Volkes wirksam ist,
doppelt wirksam unter äußerem Druck und in der Beschränkung auf bloßes
Privatdasein, besonders dazu taugt, den Vorgang totaler
Selbstverleugnung fasslich zu machen, der zur universalen Menschenliebe
führt, und ebenso die unablässige Abstraktion, welche das Erlebte
denkend zerlegt und sich so zur Souveränität der Vernunft. Aber auch
Nathan zahlt für die Bewusstheit, die ins sich und anderen nichts
Dunkles lassen will, für das alles betastende, ruhelose Denken mit der
Eintönigkeit eines Charakters, in welchem keine naiven Kräfte im
Rückhalt sind; die Mutter alles Großen ist eben die Leidenschaft. Seine
Weisheit ist zurückgezogen aus der Welt allgemeiner bedeutender
Wirkungen. Es ist die Weisheit »Spinozas."
(Wilhelm
Dilthey 1867, S.55f.)
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"Lessing stellt seinen Nathan vor uns hin, den Vollkommenen, den Edlen,
den Guten, den Weisen [...], den Schlauen. Er ist und bleibt Jude; aber
er ist über das Judentum innerlich hinausgewachsen, hat alle Vorurteile
der positiven Religion abgelegt und ist nur noch Vertreter ihres
vernünftigen Gehaltes, zu dem vor allem die Ethik echter Nächstenliebe
gehört. Wie aber ist er auf diese Höhe des Menschtums gekommen? Nicht
durch seine Vernunft, nicht durch Nachdenken, nicht durch Spekulation,
überhaupt nicht aus eigener Kraft, sondern durch die Führung der
Vorsehung, nicht durch seinen Willen, sondern durch den Willen Gottes."
(Leisegang
1931/1984, S. 118)
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"Nathan ist in seiner Anschauung von Welt und Gesellschaft Bürger und
Kaufmann. Eine echte Mittelstandsideologie forcierend [...] beharrt er
auf dem Weltbild eines bürgerlichen Handelsmannes ausgesprochen ziviler
Neigungen". (Demetz
1984, S. 200)
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"Bei Nathan ist es [...] klar und deutlich, dass er seine
vorurteilsfreie Welt- und Menschenkenntnis dem bürgerlichen Beruf
eines reisenden Kaufmanns verdankt." (Paul
Hernadi 1971, S. 153)
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"Was macht ihn zum Weisen, was gibt ihm die Überlegenheit, die
die verschiedenen Menschen des Dramas zusammenführt und die gleichsam
über den Vorgängen bestehen kann? Es sind vor allem zwei Züge, an
denen diese Souveränität sichtbar wird. Der eine ist das
Heraustreten aus der Welt der äußeren Dinge. Nathan hat sich durch
Selbstentsagung und Selbstverleugnung von den Bedingtheiten und
Verstricktheiten des alltäglichen Lebens gelöst. Er ist keinem
Vorgange des Lebens mehr unterworfen, weil er auf jeden gefasst ist
und jeden von der Freiheit seiner Innerlichkeit aus aufnimmt. Vom
äußeren Leben aus gesehen ist diese Haltung Resignation; von der
Innerlichkeit aus innere Freiheit und Einwilligung in den Willen
Gottes." (Benno von Wiese, Nathan der Weise, zit. n.
Bohnen
1979, S.141)
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"Nathan ist nicht von Natur aus, was er ist, sondern er ist es
in einer grässlichen Geschichte geworden. Seine Güte und seine
pädagogische Entschiedenheit, seine Freigiebigkeit wie seine
Menschenkenntnis sind in dieser Weise erst aus dem Blutbad in Gath
hervorgegangen. Kann das real sein?" (Wolfgang
Kröger 1998, S.27)
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"Die Geschlossenheit der Nathan-Figur liegt in seinem Schweigen
begründet. Das Angedenken der Morde von Gath ist in seinem Innern
verschlossen und gelangt nicht in die Welt." (Jan Philipp
Reemtsma, Dankrede zum Lessing-Preis, aus: Die Zeit, Dezember 1997)
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"Nicht zu übersehen ist [...] die Summe der der Person Nathans
zukommenden menschlichen Qualitäten, kurz seine Weisheit, die sein
gesamtes Handeln bis hin zu den Formen alltäglichen Umgangs
durchwirkt und sich so seinen Partnern mitteilt." (
Klaus
Heydemann 1975, S.90)
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"Die Tätigkeit Nathans wird zum Sinnbild für das tolerante
und humane Handeln, das als Mitarbeit des Menschen verlangt wird, wenn
der Plan der Geschichte sich erfüllen soll." (
Wilfried
Barner u.a. 1987, S.330)
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"Nathans Weisheit ist keine trockene Buchgelehrsamkeit, die
sich aus der Wirklichkeit herausvernünftelt hat. Sie ist verwurzelt
in seinem Tätigsein. Als Kaufmann steht er im Leben, nicht zuletzt
seinen Reisen verdankt er Welt- und Menschenkenntnis. Er hat sich auf
die kontingenten Gegebenheiten dieser Welt eingestellt, weiß sich den
Menschen zu verbinden und bleibt auch deshalb erschütterbar. Kopf und
Herz, Verstand und Gefühl haben offensichtlich in seiner Person eine
glückliche Synthese gefunden. Von Anfang an ist er mit sich selbst
identisch. [...] Nathans Identität gründet sich auf die Erkenntnis,
dass Religion, Stand und Rolle historisch gewachsene Erscheinungen
sind. Diese nimmt er an: So bekennt er sich auch zu seinem Judentum
als dem Glauben seiner Väter, übt er seine Tätigkeit als Kaufmann
aus und nimmt die Rolle des treusorgenden Vaters wahr. Doch dies alles
ist für ihn nur die Schale seiner Identität: ihren Kern bildet ihre
Menschlichkeit" (Peter
Bekes 1988, S.30f., S.32)
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"Nathans Weisheit unterscheidet sich von der Weisheit Al Hafis
und der Schlauheit des Klosterbruders dadurch, dass er nicht aus der
Welt flieht. Aber er lässt sich auch nicht distanzlos auf die
Geschäfte der Welt ein, geht nicht unmittelbar in ihnen auf. Er wahrt
Distanz zu seiner Umgebung, aber lässt sich immer wieder liebevoll
auf sie ein, denn sie braucht ihn als Erzieher. [...] Er verkörpert
jenen Idealzustand eines Weisen, wie ihn sich die Aufklärung
vorstellte. [...] Das ist der Kern der Weisheit Nathans: sich in die
Vorsehung Gottes einzufügen, indem man aktiv seinen eigenen, vor der
Vernunft verantworteten Part übernimmt." (Wilhelm
Große 1987, S.78)
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"Nathans pädagogisches Geschick, seine Güte und sein Reichtum
sind Voraussetzungen für den »guten Ablauf« des Dramas." (
Wolfgang
Kröger 1998, S.32)
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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
02.05.2021
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