Bis
Mitte der der 60er Jahre herrschte im Hollywood-Film, was Sex anbelangte, eine
von konservativen
Strömungen bestimmte prüde Scheinheiligkeit. In diese von
verstockten Rollenklischees und realitätsferne Benimmvorstellungen
geprägte "heile Welt", platzte im Jahre 1967
Mike Nichols'
(1931-2014) Coming-of-age-Komödie »"Die Reifeprüfung" mit seiner tabuisierten Beziehung
zwischen einem adoleszenten College-Absolventen namens Benjamin Braddock (»Dustin
Hoffmann, geb. 1937) und der viele Jahre älteren Mrs. Robinson (»Anne Bancroft,
1931-2005).
Benjamin Braddock ist soeben mit dem College fertig geworden, fast 21 Jahre alt,
und hat keine rechte Vorstellung darüber, was er in Zukunft machen soll. Er ist
sein ganzes Leben lang dem gefolgt, was ihm seine Eltern geraten haben und hat
sich stets wohlverhalten gezeigt. Jetzt, da er zum ersten Mal in seinem Leben
wirklich eigene Verantwortung für seine Zukunft übernehmen muss, ist er
überfordert und vollkommen ratlos.
In dieser Situation macht ihm Mrs. Robinson (Anne Bancroft), eine Freundin
seiner Eltern, die das unmissverständliche Angebot für eine sexuelle
Äffäre. Nach anfänglichem Zögern nimmt Ben diese offene Einladung zu einer
Affäre an und lebt eine Zeitlang zwischen Swimmingpool und Hotelzimmer ziellos
in den Tag hinein. Eines Tages allerdings kehrt Elaine, die Tochter der
Robinsons, heim und in der Folge entwickelt sich zwischen den beiden jungen
Leuten ganz gegen den Willen von Mrs. Robinson eine Liebesbeziehung.
Dieser
Plot des Filmes ist relativ knapp und seine Handlung enthält eigentlich wenig
Überraschendes, was erklären könnte, weshalb dieser Film so berühmt geworden ist
und Kultstatus erlangt hat. Der Grund dafür ist das, was in der ersten halben
Stunde des Filmes zu sehen ist, nämlich die Vorstellung Benjamins und und seiner
Welt. Da sitzt Benjamin in den ersten Szenen des Films fast verloren in einem
Flugzeug, das über die Rollbahn gleitet, und dies so an den Rand der Einstellung
gedrückt, dass die Opening Credits noch Platz finden. Dabei veranschaulicht
dieser Einstieg in den Film von Anfang an die Passivität, Ziellosigkeit und
Willenlosigkeit Benjamins. Zu Hause angekommen trifft er auf seiner
Willkommensparty die Freunde seiner Eltern, von denen anzunehmen ist, dass sie
auch die - einzigen - Freunde Benjamins sind. Von gleichaltrigen Freunden keine
Spur. Die Welt der Erwachsenen hat den angepassten jungen Mann, so scheint es,
völlig im Griff. Das geht sogar soweit, dass er, selbst nach einigen gemeinsamen
Nächten im Hotelbett, seine Liebhaberin immer noch höflich mit "Mrs. Robinson"
anspricht. Von diesem Setting lebt auch die berühmte Szene, in der er im
heimischen Swimmingpool sein Geburtstagsgeschenk, einen Tauchanzug, vorführen
soll. Er wird dazu von seinen Eltern ins kalte Wasser gestoßen und weiß nicht,
was er tun soll.
Mrs. Robinson, die die Initiative zur Affäre ergreift, macht sich bei der
Verführung Benjamins dessen sexuelle Unerfahrenheit und Wehrlosigkeit zu nutze
und missbraucht ihn als sexuellen Spielball gegen ihre eigene Langeweile.
Anders als von ihr erwartet, schöpft Benjamin aber doch aus der Affäre jenen
Mut, den er benötigt, um seinen Gefühlen gegenüber Elaine Ausdruck zu verleihen.
Eine Äußerung Benjamins, mit der er die Frage seines Vaters, was mit ihm los
sei, beantwortet, sprach den zeitgenössischen Teenagern mit Sicherheit und wohl
auch vielen heutigen jungen Leuten aus der Seele: "I want my future to be ...
different" antwortet er und bringt damit seinen Wunsch nach Selbstbestimmung in
einer Welt zum Ausdruck, die ihm heuchlerisch und falsch erscheint. (vgl.
Frank Michael Helmle)
Frank Michael Helmle hebt dabei
noch andere Qualitäten des Films hervor, die ihn von anderen im Sujet ähnlichen
Filmen abheben.
"Wo andere Filme gnadenlos verklären würden, bleibt »Die Reifeprüfung« eisenhart
realistisch: Bei aller plötzlichen Willensstärke, mit der Benjamin seine Liebe
zu Elaine durchzusetzen versucht, es wirkt doch immer ein bisschen so, als hätte
er sich in diese Sache verrannt, weil sie ihm den Halt und die Perspektive gibt,
die er so sehr sucht und braucht. Und wenn Ben und Elaine in der berühmten
letzten Szene des Films - nach der mutigsten und spontansten Aktion ihres Lebens
- im Bus Richtung Zukunft sitzen, hält Regisseur Nichols zwanzig Sekunden länger
auf ihre Gesichter, als es ein gewöhnlicher Kollege tun würde - und fängt so
ein, wie die Begeisterung des Augenblicks aus ihren Zügen weicht und die
Erkenntnis über das Geschehene und das große vor ihnen liegende Ungewisse sich
in ihr Bewusstsein schleicht.
Unterstützt durch den viel gelobten Soundtrack (der eigentlich nur aus vier
Songs besteht) des damals ultra-angesagten Duos Simon & Garfunkel avancierte
"Die Reifeprüfung" sofort zum Kultfilm. Dass er sich bis zum heutigen Tage als
einer der wichtigsten, einflussreichsten und besten Streifen seines Genres
gehalten hat, ist Beweis genug für die enorme Klasse, mit der hier gearbeitet
wurde. Die große »Wohin-soll's-gehen-Frage«, die sich jeder denkende Teenager
mehr als einmal stellt, wurde nie so treffend und markant eingefangen wie hier."
Die Reifeprüfung (The Graduate)
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