In den ihren
Biographien über
•
Friedrich
Schiller
(1759-1805) äußern sich die Autorinnen und Autoren über
die Rolle seines
Vaters,
•
Johann Caspar Schiller
(1723 - 96),
und seiner Mutter, •
Elisabeth Dorothea
Schiller, geb. Kodweiß (1732 - 1802), für seine
Entwicklung.
Christian Gottfried Körner (1812)
"Die Sitte und Denkart des väterlichen Hauses, in welchem Schiller die Jahre
seiner Kindheit verlebte, war nicht begünstigend für die frühzeitige
Entwicklung vorhandener Fähigkeiten, aber für die Gesundheit der Seele von
wohltätigem Einfluss.
Einfach und ohne vielseitige Ausbildung, aber
kraftvoll, gewandt und tätig für das praktische Leben, bieder und fromm
war der Vater."
Charlotte von Schiller in
einem Brief an Christian Körner
"Schillers Vater war ein genialischer Mann und mir sehr merkwürdig, die
Kraft seines Genies hat ihn nicht verlasse, bis an's Ende." (zit. n.
von
Wiese 1959/63, S.4)
Karoline von Wolzogen (1830)
"Einfache, schlichte Sitte, Ehrgefühl und zarte Schonung der Frauen im
Familienkreise waren die Lebenselemente, in denen der Knabe aufwuchs.
Der Vater hatte den guten Ton, den das Herz lehrt. Nach einem Wort der
Mutter, vermochte er nie von einem ihm allein bestimmten Gericht zu essen,
ohne es den Töchtern anzubieten. Zartgefühl, dieser Balsam für so viele
Wunden des Lebens, ist vielleicht als eine ursprüngliche Stimmung der
Organisation zu betrachten, als eine der Eigenschaften, der man am ersten
Erblichkeit zuschreiben kann; Manier erlernt sich, jenes geht über. Schiller
war von Kindheit an wahr und gewissenhaft und gestand gewöhnlich einen
begangenen Fehler selbst ein. Er hatte
kaum einen Begriff von Eigentum,
und eine seiner Hauptneigungen war, von allem, was er besaß, andern
mitzuteilen. So verschenkte er oft die ihm selbst nötigen Sachen. Einst
bemerkte der Vater, dass er seine Schuhe bloß mit Bändern zugebunden hatte,
und als er ihn darüber zur Rede stellte, sagte er: Ich habe die Schnallen
einem armen Jungen gegeben, der sie nur Sonntags anlegt; ich habe ja doch
noch ein paar für die Sonntage. Der gerührte Vater konnte ihm keinen Verweis
geben; doch musste er das Verschenken der dem Sohne nötigen Schulbücher
untersagen.
Hermann Missenharter
(1947)
"Er war [...] ein Mann, der in nicht gewöhnlichem Maße des Wortes mächtig
war; er konnte, wenn die rechte Stimmung über ihn kam, kraftvoll in die
Saiten der Sprache greifen, ein geborener Pathetikerm der von der Würde
seiner Person und Erhabenheit seines Gegenstandes am tiefsten durchdrungen
war. [...] Wer weiß, ob der Sohn vor dem Vater nicht schon früher geflohen
wäre als vor dem Herzog?" (Missenharter
1947, S.148ff., zit. n.
von
Wiese 1959/63, S.4)
Reinhard Buchwald (1954/59)
"As der Knabe sonst von dem Soldatenleben bemerkt hat, wissen wir nicht. Das
Spießrutenlaufen, das man in Ludwigsburg öffentlich mit ansehen konnte? Die
ganze Rohheit des Prügelsystems, die in keiner Schilderung des
Söldnerdaseins jener Zeit fehlt[...]? Die württembergische Armee hat den
anderen darin kaum nachgestanden. Leider zeigt uns ein Dokument, das ein
Zufall über den Hauptmann Schiller ans Licht gebracht hat, ihn auch darin
als Kind seiner Zeit. Es handelt sich um ein Gerichtsprotokoll über einen
Zusammenstoß, den er als Führer eines Arbeitskommandos mit einer Gruppe
fronender Bauern gehabt hatte. Jähzornig, wie er auch im Familienleben
gewesen sein muss (so dass die Mutter Mühe hatte, seine 'rasche Hitze'
wieder auszugleichen), ließ er da ohne weiteres auf jene losprügeln, 'unter
lauter Fluchen, Schwören und Schelten, wie wenn sie nur Hunde gewesen wären'
- bis sich dann seine Wut ebenso rasch wieder gelegt hatte und er die
Beleidigten zu beruhigen suchte. (Buchwald
1959, S.48f.)
Benno von Wiese (1959/63)
(1)
"...in der Tat zeigt Kaspar Schiller Züge, die ihn zu einem Karl Eugen
im Kleinformat machen. Manche Eigenschaften verraten den geborenen Tyrannen.
In seinem Hause herrschte er unumschränkt, und jeder Widerstand gegen seine
aus dem kraftvollen Bewusstsein der väterlichen Autorität und Weisheit
getroffenen Entscheidungen ist schon darum ausgeschlossen, weil er die
Quelle seiner Autorität in einem von Gott gegebenen Auftrag sieht. Er kann
hart und gewalttätig sein und zeigt im Umgang mit Untergebenen und mit
seiner Familie Unberechenbarkeit und Rechthaberei. Auffallend ist die
Unempfindlichkeit, mit der er den Nöten und Leiden gerade der ihm am engsten
verbundenen Menschen gegenüberstehen kann. Der Maßstab, nach dem er die
Menschen beurteilt, ist die Leistung und die Bewährung, die ein jeder bei
der Erfüllung des Pflichtgebots zeigt, das ihm im Schöpfungsplan zugedacht
ist. (von
Wiese 1959/63, S.4)
Benno von Wiese (1959/63)
(2)
"Was für eine Familie war es, in der Schiller zunächst, wenn auch nur
allzu kurze Zeit, aufwuchs? Hier ist vor allem die Gestalt des Vaters von
entscheidender Bedeutung. Denn mochte auch so manches von der religiös
pietistischen Innerlichkeit der stillen und ganz auf ihre Häuslichkeit
eingeengten Mutter auf Gemüt und Geist des Knaben eingewirkt haben, für den
Dramatiker Schiller war es das Bild des Vaters, das unauslöschlich in seiner
Seele weiterlebte und von dem jenes anderen, ihm vom Schicksal
aufgezwungenen Vaters, des Landesvaters Karl Eugen, seltsam widersprüchlich
überlagert wurde. Alle Vorstellungen von Gottesordnung und Vaterordnung, die
in Schillers Denken eine so wichtige Rolle spielen sollten, haben in diesem
doppelten Vatererlebnis ihre ursprüngliche Wurzel." (von
Wiese 1959/63, S.2)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
16.12.2023