Karl Hoffmeister und
Heinrich Viehoff, der die Arbeit des ersteren ergänzt hat, haben im
Jahre 1846 die Biographie "Schillers Leben für den weitern Kreis seiner
Leser", im Ad. Becher's Verlag Stuttgart herausgegeben.
Erstes Kapitel
Eltern und Geschwister
Schillers Mannsstamm ist mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit bis ins siebte
Glied aufwärts und in die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts verfolgt
worden. Die Vorfahren seines Vaters waren, wie es scheint, angesehene und
nicht unbemittelte Landleute, welche in dem württembergischen Dorf
Bittenfeld am Neckar, nördlich von Waiblingen, und früher südlich von dieser
Ghibellinenstadt im Remstahl, in dem Dorf Großheppach wohnten. Des Dichters
Großvater war Bäcker und Schultheiß des Dorfes, sein Urgroßvater Mitglied
des Gerichts und ebenfalls Bäcker. Aus dem Bauern- und Handwerkerstand ging
der deutsche Dichter hervor. Übrigens ist der Name Schilcher oder Schiller
schon von Alters her in Deutschland weit verbreitet, wie denn ein Jörg
Schilcher, später Schiller, unter den besseren Meistersängern des
fünfzehnten Jahrhunderts genannt wird, und im sechzehnten Jahrhundert
Bernhard Schiller als Lehrer der Arzneikunst zu Freiburg im Breisgau berühmt
war. Der Name soll, gleich den römischen Beinamen Strabo und Pätus,
ursprünglich en Schieler bezeichnet haben1).
Schillers Vater, Johann Kaspar, war am 27. Oktober 1723 in Bittenfeld
geboren, wo ein Bruder desselben noch im Anfang unseres Jahrhunderts
ebenfalls Schultheiß war, und sich auf den Ruhm seines Neffen nicht wenig
einbildete. Da Johann Kaspar Schiller seinen Vater schon als Knabe verlor,
so wurde er, nachdem er die Schule verlassen hatte, zu einem Chirurgen
gebracht, bei dem er nach damaliger Weise Wundarzneikunst lernte, zugleich
aber die Verrichtungen eines Barbiers übernehmen musste. Als
zweiundzwanzigjähriger Jüngling ging er in dem österreichischen
Erbfolgekrieg als Feldscherer mit einem bayerischen Husarenregiment in die
Niederlande. Da er hier durch seine Kunst nicht hinreichend beschäftigt,
aber tätigen Geistes war, ließ er sich als Unteroffizier in kleinen
militärischen Unternehmungen gerne gebrauchen. Nach dem Aachener Frieden
1748 kehrte er in sein Vaterland zurück, und ließ sich in Marbach, einem
fünf Stunden von Stuttgart und eine Meile von Ludwigsburg entfernten, an
einem Rebhügel am Neckar freundlich gelegenen Landstädtchen, nieder. er
heiratete hier die Mutter des Dichters. Aber sein Geschäft ernährte ihn mit
seiner Frau nur kümmerlich, und lag unter seiner Kraft und Strebsamkeit. Als
daher der siebenjährige Krieg ausgebrochen war, ließ er sich 1757 als
Fähnrich und Adjutant in dem württembergischen Regiment Prinz Louis
anwerben, welches mit anderen Regimentern in mehreren Feldzügen des
siebenjährigen Kriegs einen Teil der österreichischen Armee ausmachte. In
Böhmen erlitt dieses Korps durch Seuche einen bedeutenden Verlust, und
Schiller fand in dieser schlimmen Lage Gelegenheit, seine große Tätigkeit zu
entwickeln. Er übernahm bereitwillig jeden Auftrag, und, da Wundärzte und
Geistliche fehlten, vertrat er zugleich beide Stellen. Sich selbst heilt er
durch viele Bewegung und Mäßigkeit gesund. Als er darauf in ein anderes
württembergisches Korps versetzt wurde, welches in Hessen und Thüringen
stand, benutzte er die freie Muße, um seine mangelhafte Jugendbildung
möglichst zu vervollständigen. Sein Eifer wurde belohnt. Am Ende des
siebenjährigen Kriegs hatte er es bis zum Hauptmann gebracht.
Seine Frau scheint während dieser Feldzüge, von ihrem Mann unterstützt, bei
ihren Eltern in Marbach gelebt und ihr Gatte sie nur zuweilen zur Zeit der
Winterquartiere besucht zu haben. Sie hieß Elisabetha Dorothea, und war die
Tochter eines Bürgers und Bäckers, Georg Friedrich Kodweiß, zu Marbach,
dessen Vater und Großvater ebenfalls Bäcker, der letztere aber zugleich auch
Bürgermeister von Marbach gewesen war. Weiter aufwärts lässt sich das
Geschlecht der "Kodweißin“, der Mutter unseres Dichters, nicht verfolgen,
und nur eine Familiensage leitet es von einem verarmten adeligen Geschlecht
von Kottwitz ab, welches aus Norddeutschland in Schwaben eingewandert sei.
Georg Friedrich Kodweiß hatte sich als Wirt und Holzmesser ein kleines
Vermögen erworben, dasselbe aber durch eine große Neckarüberschwemmung
wieder eingebüßt. der Mann kam hierdurch so sehr herunter, dass er zuletzt
seine Zuflucht zu einer Torwartsstelle nehmen und in einem Hause wohnen
musste, welches damals eine armselige Hütte war2).
Von solchen Eltern entstammte Schiller. Ihre Ehe war die ersten acht Jahre
kinderlos, bis sie endlich durch sechs Sprösslinge beglückt wurde, von denen
aber zwei bald nach der Geburt starben. Elisabetha Christophine Friederike
wurde am 4. September 1757, zwei Jahre vor ihrem großen Bruder, geboren, und
lebt allein von ihren Geschwistern noch jetzt im glücklichen Greisenalter in
Meiningen. Auch die zweite Schwester, das dritte Kind der Eltern, Dorothea
Luise, 1767 geboren, überlebte den Bruder; der Jüngsten, Nanette, aber war
nur ein kurzes Erdenlos beschieden. Diese Schwestern werden wir dem
liebenden Bruder, durch unsere ganze Darstellung, zeitlebens innigst
verbunden sehen.
Johann Christoph Friedrich Schiller erblickte am 11. November3)
1759 in dem Geburtsstädtchen seiner Mutter, in Marbach, das Licht der Welt.
Die Mutter hatte ihren Gatten, der damals Leutnant im Infanterieregiment des
Generalmajors Romann war, in dem Lager besucht, wo er bei den gewöhnlichen
Herbstübungen des württembergischen Militärs sich aufheilt und in seinem
Zelte fühlte sie die ersten Anzeichen ihrer nahen Niederkunft. So wäre
Schiller beinahe in einem Lager geboren worden; doch gelang es der Mutter
noch, nach Marbach in das Haus ihrer Eltern (diese wohnten damals noch nicht
in dem Torwartshaus, sondern in ihrem früheren Haus an dem Marktplatz, in
der Nähe eines großen Brunnens) zu kommen, wo sie von dem Knaben entbunden
wurde. Der fromme Vater empfing, wie er selbst schreibt, das große Geschenk
des Himmels mit dem Gebet, dass Gott ihm an Geistesstärke zulegen möge, was
er selbst aus Mangel an Unterricht nicht habe erreichen können. Hatte Kaspar
Schiller sich im Verlauf der Jahre auch mancherlei, namentlich medizinische,
militärwissenschaftliche und landwirtliche Kenntnisse angeeignet, so empfand
er doch das Ungenügende seines Wirkens umso bestimmter, je tüchtiger er von
Charakter war.
Zur Taufe in der Pfarrkirche zu Marbach wurde der Knabe gehoben, unter
anderen, von dem Gönner des Schillerschen Hauses, einem Kammerherrn und
Obersten, Christoph Friedrich von Gabelenz, und von einem weitläufigen
Vetter, Johann Friedrich Schiller, der im Marbacher Taufbuch als Studiosus
philosophiae aufgeführt ist. Von beiden Paten erhielt der Täufling seine
Vornamen Johann Christoph Friedrich. Jener damals schon ziemlich bejahrte
Student der Philosophie ist uns deswegen merkwürdig, weil er bald für einen
väterlichen Oheim, bald für einen Bruder des Dichters gehalten wurde, der
doch der einzige Sohn seiner Eltern war. ER scheint ein abenteuerlicher
Mensch gewesen zu sein, der sich bald nachher in Aufträgen eines Ministers
des Herzogs Carl von Württemberg in Holland aufhielt, dann als Übersetzer
namhafter englischer Werke in London lebte, und zuletzt, um 1790, eine
Buchdruckerei in der ehemaligen Karthause bei Mainz besaß. Seine (zuerst im
Jahr 1777 erschienene) Übersetzung von Robertsons Geschichte von Amerika ist
fälschlich für eine Arbeit des Dichters Schiller ausgegeben worden4).
So beschränkt sich die Verwandtschaft und Einerleiheit dieses Doppelgängers
von Schiller auf eine ferne Vetterschaft, und auf große Übereinstimmung des
Namens.
Häusliche Erziehung
Bis zum Abschluss des Hubertsburger Friedens, 1763, wo der Vater wieder
bleibend in seine Heimat zurückkehrte, also über drei Jahre lang, blieb der
kleine Friedrich im großväterlichen Haus unter der ausschließlichen, sanften
Pflege der Mutter. Sie war von Gestalt wohl gebaut und schlank, ohne eben
groß zu sein, der Hals lang, die Haare sehr blond, beinahe rot, die Augen
etwas kränklich, das Gesicht ziemlich sommerfleckig, aber die Züge von Milde
und Güte belebt. Und, wie Kant, so wuchs auch Schiller in allem diesem als
das Ebenbild seiner Mutter heran, während er mit der kurz gedrungenen
Statur, den lebhaften Augen und der hochgewölbten Stirne seines Vaters
nichts gemein hatte. Auch er war blauäugig, langhalsig, sommersprossig und
rotlockig und dazu noch leberfleckig. Was ihr an Ausbildung und vielleicht
auch an Anlagen des Verstandes abging, ersetzte sie reichlich durch
Innigkeit des Gefühls. Sie war, wie Schillers Jugendfreund Petersen sagt,
ein sanftes, pflichtgetreues Weib, und wie alle ihre Briefe bezeugen5),
das frömmste, zärtlichste Mutterherz. Die Gedichte von Zu und Gellert waren
ihr lieb, besonders als geistliche Dichtungen, und, wenn die Nachricht wahr
ist, verstand sie es auch, die Harfe zu spielen, und ihre Empfindungen in
Versen auszusprechen.
In der Wärme einer solchen Mutterliebe entfalteten sich in dem anmutigen
Marbach die Gemütskeime des Kindes friedlich und harmonisch. Er war mit
einem zarten Körper geboren, welcher von den gewöhnlichen Kinderkrankheiten
hart angegriffen wurde und krampfhaften Zufällen ausgesetzt war.
Mit dem aus dem Kriege heimkehrenden Vater kam ein neues Element in die
Familie. Der Hauptmann Schiller war ein Mann von militärischer Ordnungsliebe
und fester Strenge, die sich auch schon in seiner klaren, bestimmten und
scharf verständigen Sprache ausdrückte. In Tätigkeit, Pflichttreue und
Rechtlichkeit konnte er als Muster gelten. Ein sonst bewährter Zeuge sagt,
Schillers Vater sei ohne hervorstechende Geistesvorzüge, vielmehr ein etwas
schiefer, abenteuerlicher, meistens mit seltsamen Gedanken und Entwürfen
beschäftigter Kopf gewesen. Dies Letztere soll vielleicht von früheren
Jahren gemeint sein. In seinen Briefen erscheint er durchaus als
verständiger, umsichtiger Mann, dem zu abenteuerlichen entwürfen die
Phantasie fehlte und der es wahrlich nicht nötig hatte, sich seine für den
druck bestimmten Manuskripte über Baumzucht korrigieren zu lassen. Denn
seine Briefe sind orthografisch geschrieben und verraten überhaupt einen
beträchtlichen Grad von Bildung. Mit den genannten Eigenschaften verband er
eine altgläubige Frömmigkeit, in welcher sein Charakter der Seele seiner
Gattin begegnete, so dass Gottesfurcht und der aus ihr hervorgehende Geist
eines ehrbaren, sittlichen Wandels der Lebensatem der Familie war. Er hatte
selbst ein sehr langes, freilich etwas geschmackloses Gebet gemacht, welches
er, wenigstens in späteren Jahren, jeden Morgen an Gott richtete und das so
anfing:
"Treuer Wächter Israel’s!
Dir sei Preis und Dank und Ehren;
Laut betend lob’ ich Dich,
Dass es Erd’ und Himmel hören“ etc.
Gleich dem Körper war auch die Seele des kleinen Fritz leicht empfänglich
und zart organisiert. Wenn der Vater im Kreis der Seinen dies Morgengebet
sprach, oder wenn er aus der Bibel vorlas, so hatte er an dem vier- bis
fünfjährigen Sohn den aufmerksamsten Zuhörer. Die gefalteten Händchen, die
fromm empor gerichteten Augen, und die Andacht in dem ausdrucksvollen, von
langen Haaren umwallten Kindesgesicht, gewährten dann einen anziehenden
Anblick. Schon früh war der Knabe auf alles aufmerksam und unerschöpflich im
Fragen, bis er den Inhalt dessen, was man ihm sagte oder vorlas, verstanden
hatte. Die Mutter pflegte an Sonntagnachmittagen ihrem Sohn und ihrer
ältesten Tochter Christophine auf Spaziergängen das Evangelium auszulegen,
über welches an dem Tag gepredigt worden war. Als sie einst an einem
Ostermontag über Christus sprach, wie er in Begleitung zweier Jünger nach
Emaus wanderte, vergossen die beiden Geschwister heiße Tränen, Auch für die
Schönheiten der Natur erweckte die Mutter den Sinn ihrer Kinder.
An diese älteste Schwester schloss sich der kleine Fritz aufs engste an, und
es ist begreiflich, dass sie ihm schon durch die Macht des Umgangs näher
trat, als die später geborenen Schwestern. Sie hatte aber auch an Gestalt
und Charakter eine große Ähnlichkeit mit dem Bruder, und war auch von den
Eltern hoch geschätzt und geliebt. Ein schönes Talent für das Zeichnen
entwickelte sich schon früh in ihr und wurde von ihr noch im höchsten Alter
ausgeübt.
Unterricht in Lorch
Im Jahr 17656) erzählt uns Schillers
Schwägerin, Frau von Wolzogen, welcher wir die meisten dieser Nachrichten
über Schillers Kinderjahre verdanken, schickte der regierende Herzog Carl
von Württemberg den Vater als Werbeoffizier nach der Reichsstadt Schwäbisch
Gmünd und befahl ihm, mit seiner Familie im Dorf und Kloster Lorch, als
nächstem württembergischen Grenzort, zu wohnen. "Dadurch“, fügt Schwab bei,
"wurde der Knabe im sechsten Jahre aus dem lachenden Neckartal in die ernste
Stille eines von Nadelhölzern umstellten Wiesengrundes versetzt. Das Dorf
Lorch liegt am Fuße des Hügels, den schon auf der Staffel eines
Tannengebirges die Klostergebäude krönen, vor deren Mauern auf einem
Vorsprung eine uralte Linde Wache hält; der Hohenstaufen mit einem Gefolge
von Bergen blickt nach dem Kloster herüber, das zahlreiche Gräber jenes
erlauchten Geschlechtes umschließt; in der Tiefe schlängelt sich der
Remsfluss freundlicheren Gegenden und segensreichen Rebenpflanzungen zu.“ In
dieser anziehenden Gegen wurden von dem jungen Schiller in Gesellschaft der
Schulgenossen, der geliebten Schwester und auch wohl der Eltern, häufige
Spaziergänge gemacht. Der Vater deutete ihm die ehrwürdigen Trümmer des
Stammschlosses der Hohenstaufen und mit einer bedeutenden Anschauung zogen
die ersten großen historischen Vorstellungen in sein Gemüt ein; Friedrich
durfte den Vater in die Übungslager, zu den Förstern im Wald und weiter auf
das schöne Lustschloss Hohenheim begleiten. Begierig hörte er ihn von seinen
Feldzügen erzählen. Jenes Kloster, welches die Gräber der Hohenstaufen
bewahrt, ward von beiden Geschwistern häufig besucht, gewiss nicht ohne
ernste Eindrücke und ahnungsvolle Schauer in den empfänglichen Kinderherzen
zurückzulassen. Er ging gern in Kirche und schule, bisweilen jedoch
versäumte er sie, um einen Ausflug in die nahen Berge zu machen. Auch auf
eine Kapelle des Kalvarienberges bei dem nahe gelegenen Gmünd, zu welcher
der Weg durch die Leidensstationen führte, wandelten sie gern.
Schiller bewahrte für die Gegen von Lorch immer eine große Anhänglichkeit,
und als er die Carlsadademie verlassen hatte, war es einer seiner ersten
Ausflüge mit seiner ältesten Schwester, um sich hier wieder in die
glücklichen Tage seiner Kindheit zu versetzen. Ohne Zweifel hat der
dreijährige Aufenthalt an diesem Ort und ein ununterbrochener Verkehr mit
der freien Natur in ihm die Neigung zum Landleben, das Gefühl für
Naturschönheiten und den Hang zur Einsamkeit, sowie den Sinn für
Unabhängigkeit zuerst erweckt und begründet.
In dieser ländlichen Stille erhielt der junge Friedrich den ersten
regelmäßigen Unterricht im Lesen, Schreiben und in den Anfängen des
Lateinischen, ja auch schon des Griechischen. Der Ortsdiakon Moser, ein
Freund des Schillerschen Hauses, unterrichtete ihn zugleich mit seinen
eigenen Söhnen. Diesem würdigen Geistlichen hat Schiller durch die
wohlwollende Charakterschilderung des Pastors Moser, in den Räubern, ein
bleibendes Denkmal gestiftet. In einem der Söhne des Pfarrers, Christoph
Ferdinand (nicht Carl)7)
Moser, fand Schiller seinen ersten Jugendfreund, welcher auch
später mit ihm in Ludwigsburg die lateinische Schule besuchte.
Die Anhänglichkeit an den sanften, redlichen Geistlichen und seine Familie
steigerte Friedrichs religiösen Sinn, der ihm längst durch die häusliche
Erziehung eingeflößt worden war und in seiner idealen Gemütsrichtung Anklang
fand, zu dem Vorsatz, selbst einmal Prediger zu werden. Diesen Traum der
Neigung verwob der lebhafte Knabe sogleich in seine Spiele. Er stieg auf
einen Stuhl und fing mit vielem Nachdruck an zu predigen. Welche Sprüche er
gelernt, welche Stellen er aus der Bibel, aus Gellert und Zu, die ihm von
Vater und Mutter vorgelesen wurden, oder was er aus dem Unterricht und den
Predigten seines Lehrers behalten hatte, reihte er zusammen und ließ es auch
nicht an einer Einteilung fehlen. Mutter oder Schwester mussten ihm eine
schwarze Schürze als Kirchenrock umbinden und ein Käppchen aufsetzen, und er
sah dabei sehr ernsthaft aus. Wenn jemand lachte oder unaufmerksam war, lief
er unwillig davon, oder er ging wohl auch in seinem Vortrag zu einer
Strafpredigt über8). "Hoher Sinn liegt oft
in kind’schem Spiel.“ Der Kidnestraum hat ihn nicht getäuscht. Schiller ist
wirklich dem Wesen nach ein Prediger geworden, aber nicht von der Kanzel,
sondern von der Schaubühne herab, nicht vor einer konfessionellen Gemeinde,
sondern ein Prediger von der großen Menschenfamilie.
Milde, Liebe, Güte, Frömmigkeit waren die hervorstechenden Eigenschaften des
jungen Schiller während seiner ersten acht Lebensjahre. Diese Humanität des
Gemüts war ihm gleichsam angeboren, und wurde durch die Religiosität im
Hause der Eltern, der Geistlichen, ja damals wohl im ganzen Land, durch die
Liebe der Mutter und Schwester, sowie auch durch die Einflüsse einer schönen
Natur weiter ausgebildet. Sein Gemüt war biegsam, gefühlvoll, verträglich,
mitteilend. Von einem ihm allein bestimmten Gericht mochte er nicht essen,
ohne seinen beiden Schwestern etwas davon mitzuteilen. Einen begangenen
Fehler zu leugnen, war er nicht imstande. Gewissenhaftigkeit und
Wahrhaftigkeit lagen schon in seiner fein organisierten Natur. Hilfreich zu
sein, war seine unwiderstehliche Neigung, und da er vom Eigentum keinen
Begriff hatte, so schenkte er an seine Kameraden und an Arme, was er konnte
und um was er angesprochen wurde, Bücher, Kleider, Schuhschnallen. Er setzte
hierdurch die sparsamen und unbemittelten Eltern oft in nicht geringe
Verlegenheit, und der Vater verfuhr deswegen oft streng und hart mit ihm.
Die Schwester Christophine nannte sich in solchen Fällen, auch wenn sie ganz
unschuldig war, wohl als Mitwisserin oder Teilnehmerin, und lenkte die
Scheltworte und fühlbaren Züchtigungen des Vaters vom Bruder auf sich ab.
Auch suchten die Geschwister durch eine gewisse List sich der Strenge des
Vaters zu entziehen. Wenn sie gefehlt hatten, dass sie von ihm Schläge
befürchten mussten, so bekannten sie ihrer sanften Mutter im Voraus ihr
Vergehen und baten, um nicht von dem zornigen Vater bestraft zu werden, dass
sie die Strafe vollziehen möchte. So musste der Konflikt mit dem Vater, wie
sehr er auch des Sohnes gute Eigenschaften schätze, in diesem doch
allmählich andere Kräfte, als jene milden Eigenschaften des Herzens
entwickeln, Kräfte, welche unter hartem Druck und in der Schule der
Widerwärtigkeiten bald gestärkt werden sollten.
Zweites Kapitel
Schiller in
der lateinischen Schule zu Ludwigsburg
Schillers Eltern lebten in Lorch in beengten Umständen, da der Hauptmann
während dieser ganzen Zeit keinen Sold erhielt, sondern im Dienst seines
Fürsten sein in den Feldzügen erspartes, kleines Vermögen einsetzte. Erst
auf eine nachdrückliche Vorstellung an den Herzog wurde er in die Garnison
von Ludwigsburg versetzt, wo er den rückständigen Sold nach und nach in
Terminen ausbezahlt erhielt.
Diese Übersiedelung fällt in das Jahr 17689).
Da sich Schiller ganz im Sinn der Eltern für den geistlichen Stand bestimmt
hatte, so wurde der neunjährige Fritz in Ludwigsburg sogleich auf die
lateinische Schule geschickt, wo er außer dem Lateinischen auch, obgleich
ziemlich spärlich, im Griechischen und Hebräischen unterrichtet wurde. Sein
Lehrer wurde der Professor Johann Friedrich Jahn, der noch bis an das Ende
des vorigen Jahrhunderts die Ludwigsburger Schule regiert. Er war ein ferner
Lateiner, aber, nach Petersens Ausspruch, ein kalter, rauer, murrsinniger
Polterer, wie es freilich die meisten Präceptoren jener Zeit sein mochten.
In einem Gedicht vom Jahr 1775, Schilderung des menschlichen Lebens, scheint
sich Schiller auf ihn zu beziehen:
"Trägt der Knabe seine ersten Hosen,
Steht schon ein Pedant im Hinterhalt,
Der ihn hudelt, ach! Und ihm der großen
Römer Weisheit auf den Rücken malt.“
Ovids Tristien, Virgils Aeneide und einige Oden des Horaz wurden übersetzt.
Aber der Lehrer entwickelte diese Schriftsteller nicht, sondern gebrauchte
sie nur als Fundgruben von Redeblumen, zierlichen Ausdrücken und Wendungen.
Bei einem solchen stockphilologischen Unterricht konnten diese lateinischen
Dichter unmöglich einen besonderen Eindruck auf ihn machen, und die in ihm
schlummernden, seltenen Anlagen sich nicht glänzend zeigen. Doch war
Schiller immer unter den Ersten seiner Abteilung und erhielt bei dem
jährlichen Landesexamen, welchem er sich vorschriftsmäßig, um nachher als
Theologie-Studierender in eine Klosterschule eintreten zu können, auf dem
Gymnasium zu Stuttgart viermal unterwarf, jedes Mal als das günstigste
Zeugnis ein doppeltes A10).
Doch nur die Furcht vor dem Lehrer, vor dem Vater, dem er nur schwer zu
genügen vermochte, hielt ihn zum Fleiß an. So oft er es konnte, suchte er,
dem Schulzwang zu entrinnen, das Freie auf, und spielte mit seinen
Kameraden. In diesen Spielen, bei denen es oft ziemlich wild herging, gab er
meistens den Ton an. Er setzte sich bei jüngeren Gespielen in Furcht,
imponierte den älteren und jüngeren und wagte sich sogar unverzagt an
Erwachsene, wenn er sich von ihnen beleidigt glaubte. In seiner mutwilligen
Laune neckte er gern, ohne jedoch seine natürliche Gutmütigkeit zu
verleugnen. So hob sich sein Selbstgefühl nicht allein trotz der harten
Schulzucht, sondern sogar durch sie. Als Schüler der obersten Abteilung
wurde er einst von einem Lehrer unschuldiger Weise so gezüchtigt, dass noch
nach mehreren Tagen blaue Flecken auf dem Rücken zu sehen waren. Allein er
duldete diese Misshandlung und klage sie weder seiner Mutter, noch seinem
Vater11). Aber Erwachsenen gegenüber
erschien er noch lange als ein eingeschüchterter, ungewandter Knabe, der,
wie Petersen sagt, wegen seines linkischen Wesens vom Vater und den Lehrern
Püffe und Ohrfeigen in Menge bekam.
Auf der lateinischen Schule zu Ludwigsburg mussten die Zöglinge Glückwünsche
zum Neujahr schreiben. Schiller brachte seinen lateinischen, prosaischen
Glückwunsch für das neue Jahr 1769 zugleich in deutsche Verse und dieses ist
sein erstes Gedicht, welches sich noch erhalten hat12).
Es ist ganz im frommen Stil eines Kirchenliedes. Dass er fleißig geübt
wurde, lateinische Verse zu machen, konnte als Vorübung zum Dichten in der
Muttersprache angesehen werden. Sein Lehrer Jahn war ein gewandter
Versifikator.
Erst gegen das elfte Lebensjahr trat allmählich, von gewissen Seiten, das
Ungewöhnliche seiner Natur hervor. Schon in diesem Alter verlor er den
Geschmack an den herrschenden Knabenspielen, am Ballspiel, Springen, an
Possen und Torheiten. In den Freistunden schlenderte er mit einem
ausgewählten Freund in Ludwigsburgs reizenden Baumpflanzungen oder in den
schönen nahe liegenden Gegenden umher. Kindisch-chimärische Pläne für das
zukünftige Leben, Klagen über das harte Schicksal, Gespräche über die tief
umnachtete Zukunft waren dann seine gewöhnliche, liebste Unterhaltung. Den
leidigen Schulzwang, dessen er sich früher durch tolles Knabenspiel
entledigt hatte, überflog er jetzt mit den Fittichen des Gedankens. Unter
peinlicher Einschränkung erwachte die tragische Stimmung, der Beruf seines
Lebens.
Diese freien Phantasiespiele zeigten sich bei einer Veranlassung, an welche
der Dichter selbst seinen ehemaligen Schulkameraden, den Hofmedikus Elwert
in Cannstadt, nach mehr als zwanzig Jahren mit der lebendigsten Erzählung
aller Umstände wieder erinnerte. Er hatte mit diesem als Sekundaner den
Katechismus in der Kirche aufzusagen. Ihr Religionslehrer, wie Petersen
sagt, ein beschränkter, bösartiger Frömmling, drohte ihnen, sie durch und
durch zu peitschen, wenn sie auch nur ein Wörtchen fehlen sollten. Die
Knaben fingen nach ergangener Frage mit zitternder Beklemmung an, brachten
jedoch ihre Aufgabe ohne Anstoß zu Ende. Dafür erhielt jeder eine Belohnung
von zwei Kreuzern. Sie beschlossen dafür auf dem Hartenecker Schlösschen
saure Milch zu essen. Allein diese war hier nicht zu haben, und der Preis
von Käse und Brot ging über ihre Barschaft. Mit leerem Magen wanderten sie
daher nach Neckarweihingen, wo sie endlich für drei Kreuzer eine Milch
erhielten, in einer reinlichen Schüssel und sogar mit silbernen Löffeln, und
sich für den noch übrigen Kreuzer Johannistrauben kauften. Über dieses
köstliche Mahl geriet Schiller in eine poetische Begeisterung. Als die
Knaben das Dorf verlassen hatten, stieg er auf den Hügel, von welchem man
Harteneck und Neckarweihingen überschauen kann und sprach in einer gereimten
pathetischen Ergießung über den Ort, der sie hungrig entlassen, seinen
Fluch, über den anderen, der ihnen Labung gegeben, seien Segen. Billigt,
sagt Petersen, sollte diese Anhöhe Schillershügel heißen.
Da Schiller die christliche Lehre unter einer solchen Form beigebracht
wurde, konnte sie in Gemüt und Gesinnung keine Wurzel schlagen. Frau von
Wolzogen sagt, es scheine ihr, als sei er mit harten Dogmen in frühestem
Jugendunterricht gequält worden. Schwab versichter13):
Der Superintendent Zilling in Ludwigsburg, der Religionslehrer seiner
Knabenjahre, ist noch jetzt im Mund des Volks als ein "lutherischer Pfaffe“
verschrien. Ein und dieselbe Sache wurde ihm durch häusliche Einflüsse wert
und durch den Unterricht widerwärtig. Doch jene überwogen und er blieb
seiner Neigung zum geistlichen Stand treu.
Als neunjähriger Knabe sah er zum ersten Mal in Ludwigsburg das Theater.
Ungeachtet nur pomphafte Opern und Ballette gegeben wurden, machte die Bühne
doch Eindruck auf ihn. Er vergnügte sich geraume Zeit, mit ausgeschnittenen
Papierdocken dramatische Szenen darzustellen und soll auch, wie Ariost in
seiner Kindheit, mit seinen Schwestern kleine Schauspiele aufgeführt haben.
Schiller auf der Solitude
Im Jahr 1770 zog die Schillersche Familie nach der Solitude bei Stuttgart
und der Knabe, welcher in Ludwigsburg zurückblieb, musste von dieser Zeit
an, zwei Jahre lang, Kost und Wohnung bei dem lateinischen Magister nehmen.
Der Hauptmann Schiller nämlich, von jeher ein Liebhaber des Gartenbaus und
der Baumzucht, hatte in Ludwigsburg eine Baumschule angelegt, die guten
Erfolg hatte. Der regierende Herzog Carl übertrug ihm nun die Oberaufsicht
über alle Gartenanlagen und Baumpflanzungen, welche bei dem damals eben
aufgebauten Lustschloss der Solitude angelegt werden sollten. Jetzt
eröffnete sich dem Mann ein erwünschter Spielraum für seinen Geschäftsgeist.
Er befriedigte in diesem Posten des Herzogs Erwartungen so sehr, dass ihm
endlich der Rang eines Majors erteilt wurde. Er soll hier über
sechzigtausend Baumstämme gepflanzt haben.
Die Konfirmation des jungen Schillers fiel in das Jahr 1772, als er seinen
Kursus in der lateinischen Schule vollendet hatte. Seine Mutter, welche,
vermutlich um dieser kirchlichen Feier beizuwohnen, den Tag vorher mit ihrem
Gatten nach Ludwigsburg hinübergekommen war, sah ihren Sohn auf der Straße
herumschlendernd, und machte ihm über seine Gleichgültigkeit gegen die
wichtige Handlung des folgenden Tages Vorwürfe. Betroffen zog sich der Knabe
zurück und überreichte nach wenigen Stunden seinem Vater ein deutsches
Gedicht, welches seinen Tauferneuerungsbund zum Gegenstand hatte. Der Vater
empfing ihn scherzend mit der Frage: "Bist Du närrisch geworden, Fritz?“14)
Wir müssen es aber nach früher Bemerktem in Abrede stellen, dass dieses
verloren gegangene Gedicht das erste gewesen sei, welches Schiller zu Papier
gebracht habe.
Da Friedrich Schiller die lateinische Schule zu Ludwigsburg nun durchlaufen
hatte, so stand er, mit ganzer Beistimmung seiner unbemittelten Eltern, nun
im Begriff, in eine grobe, schwarze Kutte gehüllt, sich der mönchischen
Zucht in einer der vier Klosterschulen des Landes zu unterwerfen, um die
neunjährige Laufbahn eines württembergischen Seminaristen zu durchlaufen.
Wie hätte sich sein angeregter Dichtergeist innerhalb dieser dumpfen Mauern
entwickeln können, wo alle deutsche Literatur in die Acht erklärt war und
Sprachwisserei und die Glaubenslehre des echten Luthertums beinahe
ausschließlich gelehrt wurden? Doch die Vorsehung hatte es anders über ihn
verhängt.
Der Herzog Carl, welcher im reifern Alter durch edlere Zwecke und höheres
Streben die Selbstbefriedigung zu erlangen suchte, welche seiner
ungesättigten Leidenschaft bisher Sinnenlust, ausländische Kunstgenüsse,
Glanz und Luxus nicht hatten gewähren können, war, unter anderen löblichen
Unternehmungen, auch auf die Idee gekommen, auf seiner Solitude ein
weitläufiges Lehr- und Erziehungsinstitut zu errichten. Der Herzog hatte
nämlich seine bisher wandelbare Liebe für das schöne Geschlecht im Jahr 1772
einer einzigen Frau zugewendet, der geschiedenen Baronesse Franziska von
Leutrum, die er schnell zur Reichsgräfin von Hohenheim, und später, nachdem
Schiller sein Geburtsland bereits verlassen hatte, zu seiner rechtmäßigen
Gemahlin erhob. Die anmutige, gütige Franziska, welche Wissenschaft und
Kunst liebte, fesselte nicht allein die Sinnlichkeit des Herzogs, sondern
erweckte auch edlere Triebe und Bestrebungen in seiner Seele, so dass sich
von ihr hauptsächlich die Umwandlung des in seiner ersten Regierungsperiode
verhassten, dagegen in seiner zweiten, trotz seines autokratischen
Regiments, gefeierten, und auch jetzt noch nicht vergessenen Herzogs Carl
herschreibt. So bestärkte sie ihn auch in dem Gedanken jenes Instituts, und
als dasselbe ins Leben getreten war, begünstigte sie es fortwährend.
Ursprünglich war auf der Solitude nur ein militärisches Waisenhaus für
vierzehn Soldatenkinder, aber schon im zweiten Jahr, 1771, wurde die Anstalt
erweitert, und erhielt den Namen militärische Pflanzschule, weil alles nach
militärischer Regel eingerichtet wurde, und die Zöglinge meistens Söhne von
Offizieren oder von gemeinen Soldaten waren, mit Ausnahme einiger Söhne von
"rechtschaffenen Bürgern“. Die Anstalt umfasste bald gegen dreihundert
Knaben und Jünglinge von zehn bis sechzehn Jahren, auch aus dem Ausland. Die
Emporbringung und Organisation dieser Schule ward schnell ein
Lieblingsgeschäft des Herzogs, und wie sein Eigenwille sich auf das
Speziellste erstreckte und alles selbst regulieren wollte, so gab er jetzt
Schulvorstehern auf, ihm geeignete Zöglinge für seine Pflanzschule namhaft
zu machen. Da wurde ihm durch den Lehrer Jahn auch der Sohn des Hauptmanns
Schiller empfohlen, und sogleich machte der Herzog diesem das Anerbieten,
den jungen Friedrich in der Pflanzschule kostenfrei unterrichten und
erziehen zu lassen. Dieser Antrag verursachte in der Familie große
Bestürzung, weil er den lang gehegten Plan, dass Schiller sich dem
geistlichen Stande widmen sollte, vereitelte, zu welchem man auf der
Pflanzschule sich nicht vorbereiten konnte. Der Vater machte eine freimütige
Gegenvorstellung an den Landesherrn. Dieser aber wiederholte sein Begehren
noch zweimal, und da er gewohnt war, jeden seiner Wünsche als Befehl befolgt
zu sehen, so durfte die Gnade nicht länger abgelehnt werden. Es war auch
vieles, was die Eltern, besonders den Vater, beruhigen, und mit dem Willen
des Herzogs versöhnen konnte. Schiller selbst aber fühlte sich mit Schmerz
gewaltsam aus seiner Neigung gerissen, und eine Stimme erhob sich in seinem
Innern gegen den eigenmächtigen Eingriff des Gebieters in seinen Lebensplan.
Im vierzehnten Lebensjahr, am 17. Januar 1773, trat Schiller in die
militärische Pflanzschule an dem Wohnort seiner Eltern, auf der Solitude,
mit dem Vorsatz, Jurisprudenz zu studieren, denn die Wahl des Berufsstudiums
war ihm vom Herzog freigestellt worden. Doch im ersten Jahre setzte er die
Beschäftigung mit den alten Sprachen fort, lernte Französisch und wurde in
den Lehren des Christentums, in Geographie, Geschichte und den
Anfangsgründen der Mathematik unterrichtet.
Diese Bildungsanstalt erhielt erst allmählich mit ihrer größeren Ausdehnung
eine festere Organisation. Die Zöglinge waren in adlige und bürgerliche
geteilt, jene Klasse hieß Kavaliere, diese Eleven. Als ihre Gesamtzahl
dreihundert zählte, war jede Klasse in drei Abteilungen rangiert, von denen
jede ihren besondern Schlafsaal hatte; jede Abteilung aber unter einen
Hauptmann mit zwei Unteroffizieren, jede Klasse unter einen Major und das
Ganze damals unter den Obersten von Seeger gestellt. Anfänglich standen den
Abteilungen als Oberaufseher Sergeanten vor, die ein solches Kommando
führten, dass man in ihrer Nähe nicht zu atmen wagte. Harte Strafen
züchtigten Nachlässige und Widerspenstige und einmal wollten Zöglinge beim
Befehl körperlicher Züchtigung das Schreckenswort vernommen haben: "Bis Blut
kommt!“ Die Eleven waren meistens zu Malern, Bildhauern, Architekten,
Stuckateuren, Gärtnern, ja sogar zu Schneidern und Schuhmachern, die
Kavaliere hingegen vorläufig für den Militärdienst bestimmt. Bald aber
wurden mit Ausnahme der Theologie, für welche die älteren mönchischen
Klosterschulen und das Stift zu Tübingen in seltsamem Kontrast mit diesem
prunkenden Erziehungshaus der modernen Kultur fortbestanden, alle
Wissenschaften in das Institut aufgenommen, zuletzt noch die Medizin. Jetzt
stellte man allmählich fünfzig Professoren und Lehrer an, und teilte die
Zöglinge nach den Lehrgegenständen in vierundzwanzig Divisionen. Dies
geschah schon im Jahr 1774, wo die Anstalt auch den Namen "Militärakademie“
erhielt.
Die strengste militärische Form herrschte in diesem künstlich
zusammengesetzten Staat. Das Kommando führte die Schüler in den Speisesaal,
in das Schlafgemach, in die Lehrzimmer, zum Gebet. Ein gleichmäßiges Tempo
regelte jede Bewegung. Den Ehrgeiz der Zöglinge suchte man durch
Preismedaillen und einen Orden zu erwecken. Über den Anzug hat uns
Scharffenstein aus dem Elsass, ein Eleve der Militärschule, nachher
Generalleutnant in württembergischen Diensten, folgende Zeichnung gegeben:
"Die Offizierssöhne hatten gewöhnlich hellblaue, kommistuchene Westen mit
Ärmeln; der Kragen- und Ärmelaufschlag war von schwarzem Plüsch, die
Beinkleider von weißem Tuch, der Kopfputz, ein kleiner Hut, zwei Papilloten
an jeder Seite, ohne Puder. Alles trug sehr lange falsche Zöpfe, nach einem
bestimmten Maße. Der Paradeanzug hatte mehrere Gradationen und zum größten
Putz trug alles Uniformen. Es gab z.B. eine Parade von geringerem Grad, wo
zwar der gewöhnliche Anzug stattfand, aber mit vier Papillonen an jeder
Seite in zwei Etagen und Puder. Da sah unser Schiller komisch aus. Er war
für sein Alter lang, hatte Beine, beinahe durchaus mit den Schenkeln von
einem Kaliber, sehr langhalsig, blass, mit kleinen, rot umgrenzten Augen. Er
war einer der unreinlichsten Burschen der Anstalt. Und nun dieser ungeleckte
Kopf voll Papilloten mit einem enormen Zopf. Ich könnt’ ihn noch malen!“ –
Wegen dieser Unreinlichkeit musste sich der Eleve Schiller auch von dem
Oberaufseher, dem Sergeanten Nies, der die Zucht mit fürchterlicher Strenge
handhabte, einen "Schweinpelz“ schelten lassen.
Bei einer solchen Dressur des Körpers wie des Geistes konnte es am
allerwenigsten unserm jungen Freund wohl werden. Nach einem halben Jahr, am
12. Juli 1773, hören wir ihn in einem Brief an seinen Freund, den jungen
Moser in Ludwigsburg, klagen: "Dein Friedrich ist nie sich selbst
überlassen; den einmal festgesetzten Unterricht muss er anhören, prüfen und
repetieren und Briefe an Freunde zu schreiben (setzt er sich entschuldigend
hinzu) steht nicht in unserem Schulreglement. Sähest Du mich, wie ich neben
mir Kirschs Lexikon liegen habe und vor mir das Dir bestimmte Blatt
beschreibe, Du würdest auf den ersten Blick den ängstlichen Briefsteller
entdecken, der für dieses geliebte Blatt einen nie gesehenen Schlupfwinkel
in einem geistesarmen Wörterbuch sucht.“
In Betreff der wissenschaftlichen Fortschritte Schillers bis zu der Zeit, wo
er das Rechtsstudium anfing, weichen die Urteile zweier Schulgenossen
voneinander ab. Der bewährte, streng urteilende Petersen sagt, Schiller habe
außer dem Lateinischen, worin er aber Meister gewesen sei, in allen übrigen
schon in Ludwigsburg begonnenen Disziplinen beinahe nichts gelernt. Der
andere Schulfreund, von Hoven, den er schon von Ludwigsburg her kannte,
erzählt uns: Er habe in den gelehrten Sprachen bedeutende Fortschritte
gemacht, habe die französische Sprache bald bis zum geläufigen Verständnis
ihrer Schriftsteller kennen lernen, und sei auch in den so genannten
Vorbereitungswissenschaften nicht zurückgeblieben. Diese letztere Angabe
wird auch durch die Nachricht bestätigt, dass, wie in den Listen noch zu
finden ist, "Johann Christoph Friedrich Schiller von Marbach“, am 14.
Dezember 1773, in Gegenwart des Herzogs, welcher alles selbst
beaufsichtigend den Schulfeierlichkeiten und häufig auch den Lehrstunden
beizuwohnen pflegte, den ersten Preis im Griechischen erhielt. "Um jedoch
seine Stärke in dieser herrlichen Sprache nicht zu überschätzen“, fügt
Petersen bei, "muss man wissen, dass er eigentlich nur weniger schwach darin
war, als seine Mitbewerber und dass die ganze Aufgabe bloß in Erklärung
äsopischer Fabeln bestand. Über Hippokrates’ Aphorismen brachte Schiller es
auch späterhin nicht hinaus, und den Plutarch las er nicht in der
Ursprache.“ Aber in der Rechtswissenschaft, die er sich seit dem Jahr 1774
(also im fünfzehnten Lebensjahr!) zum Studium machen solle, wollte es ihm
nicht gelingen. Hier blieb er offenbar hinter seinen Mitschülern zurück.
Seine Lehrer heilten ihn sogar für talentlos. Nur der scharfe Blick des
Herzogs durchschaute seine Anlagen, und nahm seinen Zögling gegen die Lehrer
in Schutz: "Lasst mir diesen nur gewähren“, sprach er, "aus dem wird etwas.“
Schillers Forschritte konnten nicht alle Anforderungen erfüllen, denn sein
Sinn war ausschließlich auf das Studium poetischer Werke gerichtet. Er hatte
Klopstocks Werke kennen lernen, die gleichsam seine ganze Seele verschlang.
In Klopstocks Oden und der Messiade fand er die willkommenste Nahrung für
sein liebendes Herz, seinen frommen Sinn, sein poetisches Talent. Seine
Beschäftigung mit Klopstock war sein flüchtiges, gleichsam naschendes
Genießen, sondern ein ernstes, tagtäglich fortgesetztes Aufmerken,
Empfinden, Beobachten, Vergleichen, Forschen, Aneignen. Alles Große und
Erhabene, Zarte und Weiche, Innige und Geistige der Klopstockschen Gedanken,
Gefühle, Anschauungen, Bilder saugte er voll und warm in seine Seele ein.
Die mächtig erweckten, religiösen Gefühle regten sogar das Verlangen wieder
an, sich dem geistlichen Stand widmen zu dürfen. Nicht selten wandelten ihn
heilige Schauer und gottesdienstliches Entzücken an; er ergoss sich oft in
Gebete und hielt auch in Gesellschaft anderer Andachtsübungen, aber nie,
setzt Petersen hinzu, gesellte er sich zu den schwärmerischen Betbrüdern und
verschrobenen Kopfhängern, die unter dem Namen Pietisten ebenfalls in der
Militärschule einige Jahre hindurch ihr Wesen trieben. In diesem
religiös-ästhetischen Drang griff er zur Bibel in der Lutherschen
Kernsprache, und suchte, und fand hier den Stoff zu einem Epos. Er versuchte
schon im Jahr 1773 freilich mehr mit angestrengtem Nachstreben und
mühevollem Nachbilden, als mit eigenem Reichtum und selbst schaffender
Kraft, den israelitischen Gesetzgeber, Moses, episch zu verherrlichen, wie
sein Vorgänger den Welterlöser besungen hatte. Außer Klopstock las er nur
noch Virgils Aeneide und die Lieder und Hochgesänge des alten Testaments in
Luthers Übersetzung.
Welchen neuen Reiz erhielt die Lektüre deutscher Dichter durch das Verbot
des Instituts, sie zu lesen! "Dass Du“, schrieb er an seinen Freund Moser,
"eher zum Zwecke kommen würdest, das ahnte ich jetzt erst, da ich durch die
Erfahrung einsehen lernte, dass Dir, einem freien Menschen, ein freies Feld
der Wissenschaften geöffnet war. Dem Himmel sei es gedankt, dass in unseren
Kriminalgesetzbüchern, neben der Strafe des Felddiebstahls, nicht auch eine
Pön auf die Diebstähle in entlegenen wissenschaftlichen Feldern gesetzt ist;
denn sonst würde ich Armer, der ganz heterogene Wissenschaften treibt und im
Garten der Pieriden manche verbotene Frucht nascht, längst mit Pranger und
Halseisen belohnt worden sein.“
Zu Ende des Jahres 1773 oder zu Anfang des folgenden lernte er, durch einen
Freund, Gerstenbergs Ugolino kennen, welches Trauerspiel durch seine
rührenden, erhabenen und tief erschütternden Szenen einen fortwirkenden,
entscheidenden Eindruck auf sein ideal gestimmtes Gemüt machte; und noch im
reifen Mannesalter, wie man aus einem Briefe an Goethe sieht, hielt er
dieses Stück in Ehren. Zu seinen Lieblingen gehörten ferner Lessings
Schauspiele, des viel versprechenden Malers Friedrich Müller Gedichte, und
seit 1776 Leisewitzes Julius von Tarent. Lessing und Leisewitz halfen seine
ganze Darstellungsweise bestimmen. Besonders aber bezauberte ihn Goethes
Götz von Berlichingen, dessen Werther er schon früher verschlungen hatte.
Schiller bekam durch diese Dramen allmählich eine andere Richtung. Sein
Geist wurde dem Lyrischen, dem Epischen und Klopstocks religiöser Dichtung
mehr und mehr entzogen und gleichsam unwillkürlich in die tragische Laufbahn
hinüber gehoben. Die Tragödie stellt den Menschen im Kampf mit seiner
äußeren Lage, dem Schicksal dar, und Schiller fand sich, je länger je mehr,
in einem solchen Widerstreit begriffen. Er lebte sich in den Tragiker
hinein. Der harte Druck erweckte allmählich neben den sanften, frommen
Gefühlen der Humanität, in der erstarkenden Seele die heroischen Stimmungen
der Freiheit und Geistesselbstständigkeit.
Sein Lehrer Abel gibt in höchst wichtigen, bisher unbenutzten
handschriftlichen Nachrichten über Schiller15)
als Grund, warum dieser von Schüchternheit schnell zum Selbstgefühl
überging, auch den guten Erfolg in seinen Studien an. "Daher“, sagt er,
"entstand bald Gefühl seiner überwiegenden Kraft, Vertrauen zu sich selbst
und Mut, welches alles überdies durch den Beifall seiner Vorgesetzten und
Lehrer, durch die Achtung seiner Mitschüler sehr erhöht wurde. Der vorhin so
schüchterne Jüngling fing nun an, eine Rolle neben seinen Kameraden zu
spielen, und selbst mit den Vorgesetzten und Lehrern ging er auf viel
freierem Fuß um. Auch sein Äußeres kündigte die große Veränderung an.“ So
kam es denn, dass er im Verlauf des achtjährigen Aufenthalts in dieser
Anstalt gleichsam ein anderer Mensch wurde. Ehemals einsam, verschlossen,
eingeschüchtert; jetzt im Gefühl der treibenden Kraft mutwillig, neckend,
foppend und zwar oft sehr derb und stechend. Einem seiner Mitzöglinge, einem
ausgezeichneten Esser, der ihn um ein Andenken in das Stammbuch bat, schrieb
er die Worte hinein: "Wenn Du gegessen und getrunken hast, und NB. satt
bist, so sollst Du den Herrn, Deinen Gott, loben.“
Schillers erste poetische Produkte waren daher nicht weicher, sentimentaler
Art, sondern verkündeten ein bereits mit den Konventionen der Gesellschaft
in Fehde begriffenes Gemüt. Kraftäußerungen begeisterten ihn vorzüglich. Als
Scharffenstein einem Oberaufseher mit Festigkeit entgegentrat, besang er
dieses Aufsehen machende Benehmen in einer Ode, die er für sein Meisterstück
hielt. Dieser Vorfall veranlasste den innigen Anschluss beider Freunde und
den völligen Austausch ihres Innern. Zu ihnen gesellten sich als
Gleichgesinnte der mehrmals erwähnte Petersen, von Bergzabern in der
Rheinpfalz, später Bibliothekar in Stuttgart, und von Hoven der Ältere,
zuletzt Medizinalrat in bayerischen Diensten und andere. Sie stifteten einen
Bund, dessen Stamm, sittlich und dessen Blumenkrone poetisch war. Wir werden
ihm später wieder begegnen.
Bericht an
den Herzog über sich und die Mitschüler
Schon war Stiftung dieses Bundes, aber in demselben Jahr 1774, geriet der
Herzog Carl auf den, vermutlich von den Jesuiten erborgten Gedanken, jeden
der älteren Zöglinge von sich und von allen Genossen derselben Abteilung,
eine Schilderung für den Herzog zu Papier bringen zu lassen. Es war
vermutlich aufs Kontrollieren abgesehen. Gewisse Gesichtspunkte, z.B.
Christentum, Gesinnung gegen den Herzog, Betragen gegen Lehrer und sonstige
Vorgesetzte, Reinlichkeit, waren für die Beurteilung festgesetzt. Urteile
der Mitschüler über Schiller, und auch dessen eigener vollständiger Bericht
an den Herzog haben sich erhalten, und ich habe letzteren in meiner Nachlese
zu Schillers Werken aus dem Manuskript mitgeteilt16).
Er ist ein unschätzbares Dokument der ringenden, noch unbehilflichen
Sprache, der hervorblitzenden Gedankentiefe, der feinen Beobachtungsgabe,
der redlichen, wohlwollenden, aufrichtigen und freimütigen Sinnesart des
talentvollen fünfzehnjährigen Jünglings. Das einförmige Thema ist trefflich
im Ausdruck variiert und gleichsam künstlerisch behandelt. Von einem
Mitschüler heißt es, er habe sich durch eine kriechende Demut verächtlich
gemacht, die eben so zu fliehen sei, als Hochmut; von einem andern wird
gesagt, er verderbe sich durch Auswendiglernen. Sich selbst spricht er nicht
frei von Eigensinn, Hitze und Ungeduld, doch beruft er sich auf seine
Aufrichtigkeit, Treue und sein gutes Herz. Dass er "die schönen Gaben, die
er besitze“, bisher nicht nach Pflicht angewendet habe, entschuldigt er
durch die Leiden seines Körpers. Mit Munterkeit habe er die Wissenschaft der
Rechte angenommen, und werde sich glücklich schätzen, durch dieselbe seinem
Vaterland dereinst dienen zu können, aber weit glücklicher würde er sich
halten, wenn er solches als Gottesgelehrter ausführen könnte.
So kehrte Schiller der Schmerz, der Laufbahn eines Geistlichen entrissen
worden zu sein, immer zurück. Noch in späteren Jahren äußerte er gegen
seinen Jugendfreund Conz: Vor einer versammelten Gemeinde über die
wichtigsten Angelegenheiten des Lebens und der Menschheit zu reden, stelle
er sich als etwas Großes, Erhabenes vor. "Seine Neigungen waren warm und
ewig.“ Die Vorleibe für die Theologie mochte in der Militärschule durch den
wachsenden Widerwillen gegen die Jurisprudenz noch mehr gesteigert werden.
Doch sollte er die letzte Berufswissenschaft damals loswerden. Am Ende des
Jahres 1775 wurde nämlich das Institut, welches später den Namen
Karlsakademie (oder Karlsschule) erhielt, und von dem Kaiser Joseph sogar zu
einer Universität erhoben wurde, in den großen, schönen Kasernenbau hinter
dem Schloss in Stuttgart verlegt, welcher noch jetzt den Namen Karlsakademie
führt. Das Institut, welches jetzt erst seien volle Ausbildung erhielt, ward
unter anderem auch dadurch erweitert, dass die Medizin unter die Lehrfächer
aufgenommen wurde. Schiller bestimmte sich, entweder freiwillig infolge
eines Aufrufs an die Zöglinge: Sich zu erklären, wer Lust zur Heilkunde
hätte, oder, nach einer weniger glaublichen Nachricht, auf Befehl des
Herzogs für das Studium der Medizin17).
Nach Scharffenstein war es nicht Neigung, was ihn zu diesem Schritt
bestimmte, sondern es war ein "Raptus“, oder weil er die Arzneikunde für
liberaler und freier heilt. Einige Vertraute redeten ihm zu und er hatte
auch die Meinung, dass Seelenlehre, Menschenkunde und Naturforschung, auf
die er sich jetzt legen müsse, ihm bei seinen poetischen Beschäftigungen von
bedeutendem Nutzen sein würden.
----------------------------------------------------------------------
1)
G. Schwabs Leben Schillers S. 2 ff. u. S. XIV.
2) G. Schwab a. a. O., S.
96.
3) So G. Schwab nach einer
"Notiz des Oberamtsrichters Rooschütz zu Marbach“ oder, wie Schwab sonst wo
sagt, nach "dem Marbacher Taufregister und nach drei verschiedenen, zu
verschiedener Zeit aus demselben genommenen Abschriften.“ Dagegen gibt der
musterhaft genaue Petersen (dessen sämtliche handschriftliche Schilleriana
in meinen Händen sind) den 10. November als Geburtstag an "nach des Obersten
Faber zuverlässigen Urkunden“, die ihm von einem gewissen Glaser ausgezogen
worden waren. Frau von Wolzogen nennt ebenfalls den 10. November, wodurch
Schillers und seiner Gemahlin Meinung zugleich hinlänglich ausgesprochen
ist. Aber in einem Brief Luises an Schiller steht in der Überschrift: "Den
11. November, als am Geburtstag des leiben Bruders, wozu ich in Gedanken
alles Glück und Segen wünsche.“ Diese Angabe aus dem Elternhaus überwiegt
die des lang entfernten Sohnes, welche wahrscheinlich mit der des Obersten
Faber aus der Karlsschule eine gemeinschaftliche irrige Quelle hat, und ich
trete daher umso mehr den Ermittlungen Schwabs bei, zumal da auch Petersen
auf einem Zettel die Zahl "11“ ursprünglich geschrieben hatte, nachher aber
wieder auslöschte.
4) Siehe die Broschüre:
"Schillers Bruder, ein Kuriosum“, von G. Schwab. (aus: Karl Hoffmeister,
Schillers Leben für den weitern Kreis seiner Leser, ergänzt und
herausgegeben von Heinrich Viehoff. Stuttgart: Ad. Becher's Verlag. 1846.)
5) Diese Briefe der
Mutter, des Vaters, der Geschwister etc., sowie der meisten Freunde an
Schiller, sind in meinen Händen und ich werde sie benutzen, ohne sie immer
namhaft zu machen.
6) In einem Notizbuch von
1799 schreibt Schiller eigenhändig: "Im Jahr 1760 nach Gmünd und Lorch.“
Irrt sich nun Schiller vielleicht in der Jahreszahl, so kann er doch nicht
bis in sein sechstes Jahr in Marbach gewohnt haben, weil er sonst noch
Erinnerungen von dieser Zeit hätte haben müssen, die ihn verhinderten, 1760
sich schon nach Lorch zu versetzen. Nach einer anderen Nachricht hatte der
Hauptmann Schiller vor seinem Aufenthalt in Lorch zwei Jahre Quartier in
Ludwigsburg (oder Cannstadt), wovon aber jenes Notizbuch nichts sagt. Hat
vielleicht Schiller gegen Frau von Wolzogen Recht?
7) S. Schillers Leben von
G. Schwab, Vorerinnerung zum zweiten Druck, S. XVI.
8) Doch bemerkt Peterson,
dass Schillers Geschwister von diesen Kinderpredigten zwar erzählten, aber
seine Jugendfreunde nicht das Mindeste davon wissen.
9) Nach Schillers
eigenhändigem Notizbuch "in den Dezember des Jahres 1766“
10) Siehe meine größere
Biographie Th. I. S. 15.
11) So Petersen nach
Reinwald im N. Literar. Anzeiger. 1807. Nr. 49, S. 780 f.
12) Siehe meine Nachlese
zu Schillers Werken bei Cotta Bd. 1, S. 5
13) Über den Kultus des
Genius S. 122
14)
Petersen erinnerte sich bestimmt, diesen letzten Umstand von
Schillers Vater vernommen zu haben.
15) Ich werde sie im
Morgenblatt vollständig abdrucken lassen.
16) B. 4, S. 4 ff.
17) Petersen sagt, die
Erzählung Reinwalds im Neuen literar. Anzeiger 1807, Nr. 26: Dass Schiller
einen Schrecken bekommen habe, als er hörte, er müsse Medizin studieren, sei
ganz irrig. Er sei besonders auf von Hovens Rat zur Arzneikunst
übergegangen.
(aus: Karl Hoffmeister: Schillers Leben für den weitern Kreis seiner Leser.
Ergänzt und herausgegeben von Heinrich Viehoff, Stuttgart: Ad. Becher's
Verlag.1846)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
16.12.2023