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▪
Strukturen
dramatischer Texte
▪
Figurengestaltung
▪
Kontrast-
und Korrespondenzbeziehungen der Figuren
▪
Figurenkonstellation
▪
Überblick
▪ Möglichkeiten
zur Visualisierung von Figurenkonstellationen
▪
Konfiguration
▪
Figurenkonzeption
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Figurencharakterisierung Die Figur der
•
Elisabeth
in
•
Friedrich Schillers
•
Maria
Stuart« ist von vielen Seiten her betrachtet und interpretiert
worden. Eine Auswahl von Interpretationshypothesen soll zur
Auseinandersetzung mit dem Text anregen.
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"Die schottische Königin ist eine rührende Gestalt; und die englische
Elisabeth ein Weib, wie es verworfener und abstoßender in der Literatur
aller Völker nicht weiter zu finden sein wird. Dass dieser Auswurf des
Menschengeschlechts [...] gerade in der Welt des schönen Scheins einen
Ehrenplatz erhalten hat, ist ein Ereignis, vor dem sich der
Kunstverstand schon ein verständnisvolles Lächeln erlauben darf [...]."
Emil Mauerhof 1889 (zit .n.
Grawe (Hrsg.) 1978, S.176)
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"Elisabeth, die Stolze
und Mächtige, ist bei aller zur Schau gestellten Stärke im Grunde ihres
Wesens unsicher und schwach."
(Popp
1995, S.67)
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Die englische Königin
Elisabeth ist die "modernste Politikern des Stücks". (Rischbieter
1969, S.52)
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"Es gibt kaum eine
andere Figur in den Dramen des späteren Schiller, die die Infamie so auf
die Spitze treibt, um mit allen Mitteln den eigenen Ruf vor der Welt
unbefleckt zu halten."
(Scholz
(1981)1993, S.51)
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"Existenzangst allein macht
Elisabeth, die Bastardkönigin, zur Beugerin des Rechts, in ihrem Hass
durch keine religiöse Bindung gemildert." (Pongs
1935, zit. n. Ibel, 9. Aufl, 1982,
S.51)
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"Es ist die Tragik Elisabeths
und Marias, dass sie durch Geburt und schicksalhafte Verknüpfung der
Verhältnisse ein Amt ausüben müssen, das sie, weil es ein ihrem Frausein
ungemäßes, nämlich politisches Handeln fordert nie ganz ausfüllen
können." (Mettin
1937 zit. n. Ibel, 9. Aufl, 1982,
S.52)
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"Maria ist als Königin
politisches Objekt ausländischer Mächte. Eine politische Tragik wie
Elisabeth kennt sie nicht. Alle Personen sind bestimmte Figuren eines
Intrigenspiels, in dem fremd und groß die tragische Gestalt der Königin
Elisabeth sich bewegt. Denn diese Königin ist sich der großen
Verantwortung ihres hohen Amtes bewusst: sie weiß von dem englischen
Volk, dem sie bei der beabsichtigten Verheiratung mit dem Dauphin ihre
Persönlichkeit opfern und für dessen Freiheit sie kämpfen will. Nur die
außerordentlichen Verhältnisse haben sie an die Grenze
weiblich-politischen Handelns geführt, an der sie innerlich
zusammenbricht." (Mettin
1937 zit. n. Ibel, 9. Aufl, 1982,
S.53)
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Elisabeth ist eine "vom
Geschick begünstigte, mächtige Fürstin, die ungefährdet das Recht
verletzt und den Schein der Gerechtigkeit wahrt, die Gleisnerin, von
deren geheimen Lüsten und Lastern gerade so viel gemunkelt und
angedeutet wird, dass niemand mehr zweifelt: Elisabeths Glanz ist
falsch: Die Welt lässt sich nicht betrügen." (Staiger
1967, S.317, zit. n.:
Leipert (2000), S.67)
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(Als direkte Antwort auf
Staiger) "Ist das nicht - mit Verlaub - etwas billig? Sind die von den
Räten vorgetragenen politischen Argumente nicht der Rede wert, ist
SCHILLER die Zwangslage der englischen Königin gleichgültig. [...]
Immerhin gab es den »Act
for the Queen's Safety« und das Gericht glaubte gültige Beweise
gegen Maria zu haben; schließlich war das Urteil gesprochen worden, dem
auch die Königin sich beugen musste, und Elisabeth stand unter dem Zwang
der Volksmeinung, in der Realität wie im Stück." (Ingen
1988, S. 287, zit. n.:
Leipert (2000), S.67)
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"In der Tat schneidet
Elisabeth unter dem politischen Aspekt weitaus besser ab als ihre
Gegenspielerin. Der "Flecken" (3223) ihrer Geburt erweist sich für sie
als eine Herausforderung, auf die sie schöpferisch und zukunftsweisend
antwortet. Für sie ist Herrschaft Dienstleistung am Volk, sie orientiert
sich an der öffentlichen Meinung und sucht von dort her ihre
Legitimation. Sie wächst damit über das dynastische Denken ihrer Zeit
hinaus; ihr politisches Handeln ist voll vom Vor-Schein des Kommenden.
Maria dagegen, die von ihren Untertanen außer Landes Gejagte, hat außer
ihrer Abstammung nichts vorzuweisen. Durchdrungen von der Idee der
Unantastbarkeit des Königtums und ihrer eigenen Bevorzugung durch
Geburt, getragen von der internationalen Solidarität der Herrschenden
gegen die Beherrschten, glaubt sie, sich als Regentin alles leisten zu
können, ohne etwas zu leisten.. Und nicht genug damit: Ihr völliges
Scheitern als Königin von Schottland hindert sie nicht daran, noch
weitergehende Herrschaftsansprüche zu behaupten und dadurch die
Herrschaft Elisabeths und den Frieden des Inselreichs zu gefährden."
(Frommer
1981, S.62)
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"Alle interpretatorischen
Bezüge auf die historische und ideologische »Realität«, die zur
Entlastung Elisabeths formuliert werden, verkennen - von methodischen
Problemen, die sich aus der Vermischung des poetischen und des
historischen Diskurses ergeben, einmal abgesehen - dass genau diese
scheinbare Abhängigkeit Elisabeths in Form des historischen Dramas einer
neuen Beurteilung zugänglich gemacht wird. SCHILLER verhindert durch die
negative Darstellung Elisabeths die Rechtfertigung politischer
Notwendigkeit auf Kosten des Gewissens und rehabilitiert im Kontrast
dazu die moralische Macht der politisch und rechtlich Ohnmächtigen." (Leipert
(2000), S.67)
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"Während an Maria im
Verlauf des Stückes die edleren Seiten ihres Charakters immer deutlicher
hervortreten, während sie immer mehr Größe der Gesinnung und königliche
Würde gewinnt, sinkt Elisabeth, deren weibliche Schwächen sich in immer
grellerem Licht zeigen, um so tiefer." (Neis
(1981) 1999, S.62)
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"Elisabeths
individuelles Triebschicksal wird durch die Gewalt patriarchalischer
Normen beeinflusst. In dem Maße, wie sie als politischer Mensch
»männliche« Tugenden zum Vorschein bringt, treten »weiblich« in den
Hintergrund: Elisabeth muss die Frau in der Regentin vernachlässigen.
Das macht ihr persönliches Leid aus, lässt sie in den Augen der Männer
weniger begehrenswert erscheinen, treibt in ihre politische Gegnerschaft
zu Maria Stuart den Stachel weiblich-privater Konkurrenz, verstellt ihr
eine humane Handlungsperspektive. Als Verkörperin von
Leistungsbereitschaft, Askese, Disziplin, Strenge passt sich Elisabeth
jenem männlichen Sozialcharakter an, der zwar nicht für den
Patriarchalismus insgesamt, wohl aber für bestimmte
Gesellschaftsschichten und bestimmte Epochen der vaterrechtlichen Kultur
charakteristisch ist." (Sautermeister
1979, S.184)
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"Schiller will
eine negative Darstellung [Elisabeths, d. Verf.]; das Gefühl des
Zuschauers soll gegen Elisabeth eingenommen werden, Das Stück soll ja
demonstrieren, dass man sich nicht für die 'Realpolitik', für die
geschichtlich-politische 'Welt' entscheiden kann, ohne Schaden an seiner
Persönlichkeit zu nehmen."
(Popp
1995, S.70)
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"Auch an Elisabeths Handeln
und Charakter wird die Utopie humanen Handelns - freilich ex negativo .
exemplifiziert. Elisabeths Charakter zeichnet sich durch eine
spezifische, strukturelle Konstante aus: durch Wandlungsfähigkeit. Damit
aber steht sie in paradigmatischem Gegensatz zu Maria." (Leipert
(2000), S.68)
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"Keiner der beiden Frauen ist
eine Synthese gelungen. Vernachlässigt Elisabeth die Frau in der
Regentin, so hat Maria Stuart die Regentin in der Frau vernachlässigt.
Wird Elisabeth durch eine männliche Berufsethik in der patriarchalischen
Öffentlichkeit hoffähig, aber auch ihrer weiblichen Anziehungskraft
beraubt, so besitzt Maria Stuart diese Anziehungskraft im Übermaß,
freilich zu ihrem moralisch-politischen, gewissermaßen beruflichen
Nachteil." (Sautermeister
1979, S.185)
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"Bleibt Maria die aus
politischen Gründen Internierte, so ist Elisabeth die Gefangene ihres
Amtes. "
(Alt
2000, Bd. 2, S. 501)
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"Elisabeth verkörpert
eindeutig die negative Heldin. (Als solche allerdings besitzt sie eine
gewisse Größe und Stimmigkeit - bis hin zu ihrer bemerkenswerten Haltung
am Dramenschluss). Elisabeth bildet so einen Gegenentwurf zu Maria.
[...] Die reine Machtpolitik, die ohne moralisches Fundament auszukommen
versucht, wird abgewertet".
(Popp
1995, S.74)
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"Elisabeth muss nach
SCHILLERS Auffassung ihre öffentliche, politische Aufgabe verfehlen, das
sie ihre private Natur, sprich ihre Weiblichkeit, unterdrückt und somit
ihre humane Ganzheit verliert. So aber kann die »kalte Leidenschaft« von
ihr Besitz ergreifen und ihre Handlungsautonomie zerstören. Gerade aber
die Freiheit des Handelns ist das Zeichen jeglicher Humanität. Dieses
Motiv der Wahlfreiheit erhebt SCHILLER - Marias Wandlung ist ein Weg zur
humanen Autonomie - zum Leitthema des Dramas." (Leipert
(2000), S.68)
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"Der Gedanke des
Scheins, der im menschlichen Geschick die Wahrheit verdeckt und in der
Welt Verwirrung stiftet, ist in Schillers Dramen häufig anzutreffen
[...] Sie [Elisabeth, d. Verf.] scheut nur deshalb vor Taten zurück,
weil sie die Konsequenzen der Taten fürchtet und den Schein unter allen
Umständen wahren will."
(Scholz
(1981)1993, S.51)
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"Elisabeth hat nichts
dazugelernt - angesichts der Forderung der Klassik, dass der Mensch
sich ständig weiterentwickeln müsse, ein gewaltiges Versagen. Sie ist
immer nur den realistischen Weg gegangen [...]. Sie hat sich so nur
faktisch von der ihr durch Maria drohenden Gewalt befreien können,
moralisch-geistig bleibt sie unfrei." (Geist
1996, S.45f.)
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"Elisabeth wird nicht
bewusst, dass Herrschaft sittlich gerechtfertigt sein muss. Anders
formuliert: Herrschaft bedarf anderer als nur erbrechtlicher
Legitimation. [...] Elisabeths Mangel an echter Legitimation zeigt sich
am deutlichsten in der Benennung ihrer eigentlichen Handlungsmotive. In
moralisch anstößiger Weise werden von ihr private und öffentliche
Interessen verknüpft, besser, öffentliche Herrscherpflichten zugunsten
privater Parteilichkeit korrumpiert."
(Leipert
2000, S.68)
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"Elisabeths eigenes
Rollenbild der öffentlich überwachten Regentin entspricht dem
legalistischen Gedanken der Kontrolle absoluter Herrschaft durch
Gesetzgebungsinstitutionen und parlamentarische Gremien, folglich einem
tragenden Element der von Montesquieu, Rousseau und Diderot im Vorfeld
der Revolution formulierten modernen Staatsphilosophie [...]. "
(Alt
2000, Bd. 2, S. 503)
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Die Gefährdungen, denen
Elisabeth in ihrer Jugend ausgesetzt war, haben bei ihr ein "Ohnmachtsgefühl
und einen Minderwertigkeitskomplex entstehen" lassen, der von Elisabeth
nicht bewältig werden konnte, weil ihre Herrschaft weiter gefährdet
blieb. "Ihre Unschlüssigkeit und ihr beharrlicher Versuch, es sich ja
nicht mit dem Volk, vom dem sie abhängig ist, zu verderben, sind genauso
Folge und Ausdruck ihrer Persönlichkeitsdeformation wie ihre ständige
Selbstdarstellung und ihre Suche nach Bestätigung." (Geist
1996, S.46)
-
"Maria beginnt als schwere
Sünderin und endet in königlicher Hoheit; Elisabeth tritt auf im vollen
Glanz ihrer Herrschaft und steht zuletzt da als das schwache, feige,
unselbständige Weib." (Julius Petersen, 1904 zit. n. Ibel, 9. Aufl, 1982, S.49)
-
"Trotz aller
pragmatischen Notwendigkeiten, die menschliches Handeln beeinflussen
können, kommt es SCHILLER also darauf an, die unbedingte Möglichkeit
menschlicher Freiheit auch im Bereich des politisch-öffentlichen Handelns
zu thematisieren und den Missbrauch humaner Freiheit wenigstens
ästhetisch zu geißeln."
(Leipert
2000, S.68)
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pdf-Download Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
16.12.2023
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