teachSam- Arbeitsbereiche:
Arbeitstechniken - Deutsch - Geschichte - Politik - Pädagogik - PsychologieMedien - Methodik und Didaktik - Projekte - So navigiert man auf teachSam - So sucht man auf teachSam - teachSam braucht Werbung


deu.jpg (1524 Byte)

 

Bausteine

Die Auseinandersetzung der Königinnen um  Herrschaftslegitimation und Recht

Friedrich Schiller, Maria Stuart

 
FAChbereich Deutsch
Glossar Literatur Autorinnen und Autoren Friedrich Schiller Biographie
Werke Dramatische Werke Die Räuber [ ▪ Maria Stuart Entstehungsgeschichte Historischer Hintergrund StoffgeschichteHandlungsverlauf Figurenkonstellation Einzelne Figuren Sprachliche Form Aufführungsberichte und - kritiken Bausteine  Links ins Internet ] Lyrische Werke Sonstige Werke Bausteine Links ins Internet Quickie für Eilige: So analysiert man eine dramatische Szene W-Fragen zur systematischen Szenenanalyse Schreibformen Operatoren im Fach Deutsch
 

Peter-André Alt (2000, Bd.2, S.499f.) hält u. a. gegen »Bertolt Brecht Brechts (1898-1956), der 1939 im Rahmen seiner Übungsstücke für Schauspieler die Begegnung der Königinnen (▪ III,4) als »Streit zweier Fischweiber inszenierte, am • politischen Kern der Tragödie Schillers fest. Sie werde in Schillers Drama Maria Stuart auch durch "die subjektiven Spiele der Leidenschaft" und die privaten Beweggründe für das Handeln der Akteure grundsätzlich nicht in den Hintergrund gedrängt, sondern drehten sich stattdessen um "objektive Folgen für den Staat", die im Zentrum der Tragödie stünden.

Auch für Alexander Geist (1996, S.46) ist die Auseinandersetzungen der beiden Königinnen • Maria Stuart und • Elisabeth vorrangig "ein Kampf um die Herrschaftslegitimation" und um die damit verbundene Herrschaftspraxis, zwei Aspekte, die eng mit der Rolle und dem Verständnis von Recht zusammen hingen.

Das Problem der Herrschaftslegitimation war gerade im 18. Jahrhundert von besonders großer Bedeutung. Auch wenn in Deutschland Adel und Könige ihre Macht weiterhin monarchisch und dynastisch legitimierten, war mit der »Amerikanischen Revolution (1763-1766), die zur Loslösung der dreizehn britischen Kolonien in Nordamerika vom britischen Königreich und Empire und mit der Unabhängigkeitserklärung vom 4. Juli 1776 zur Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten von Amerika führten,  und der »Französische Revolution auch eine demokratische Legitimation basierend auf dem Prinzip der Volkssouveränität auf die Tagesordnung gesetzt worden.

Die Argumente, die beide Königinnen im Verlauf des Dramas zur Rechtfertigung ihres jeweils eigenen Herrschaftsanspruches vorbringen, sind nicht miteinander vereinbar und lassen den Figuren keine Wahl, als diese im Kampf miteinander zu behaupten. Und auch die zeitgenössischen Zuschauer von Schillers Stück können sich eigentlich kaum begründet auf die eine oder andere Seite schlagen.

Maria kann nämlich mit Fug und Recht auf ihre "lupenreine Herkunft" (ebd.) verweisen, die im 18. und 19. Jahrhundert als juristisches Argument großes Gewicht hat, während Elisabeth der Makel ihrer Geburt anhaftet. (vgl. IV/10, V. 3223)

Allerdings kann Elisabeth, um ihren Herrschaftsanspruch zu legitimieren auf die breite Unterstützung durch das Volk (vgl. II/2, V. 1122-24; II/3, V. 1423f, 1309f; IV/7-8) und das Parlament (vgl. II/3, V. 1420L) verweisen, was im Übrigen auch den historischen Tatsachen entspricht.

Vor diesem Hintergrund scheint Alexander Geist (1996, S.46f.) Elisabeth "eigentlich mehr Recht auf die Krone zu haben als Maria, die ja nur das dynastische Prinzip anzubieten hat. Dass Elisabeth trotzdem so dargestellt wird, als sei sie im Unrecht, hat damit zu tun, dass es Schiller in diesem Stück allenfalls am Rand bzw. nur oberflächlich um die Frage der Herrschaftslegitimation ging."

Wichtiger als die Frage nach der Herrschaftslegitimation selbst sei es, wie die Beteiligten "mit dem Recht als solchem, als Teil der Praxis von Herrschaft" umgingen (ebd.).

Die Herrschaftspraxis von Elisabeth konnte dabei wohl kaum weder die Zustimmung Schillers selbst als auch den Beifall des zeitgenössischen Publikums finden, Zu durchschaubar war für den Autor und das Publikum, dass Elisabeth nur scheinbar dem Modell des »aufgeklärten Absolutismus folgte, für den in der deutschen Geschichte vor allem »Friedrich II., der Große, (1712-1786) von Preußen (stand. Zu offenkundig strebt die englische Königin in Schillers Drama nämlich nach uneingeschränkter »absolutistischer Herrschaft.

In ihrem Monolog (IV/10) macht Elisabeth klar, dass sie nur deshalb ihr Leben lang Gerechtigkeit geübt und Willkür gehasst habe, weil sie ihren auf das Volk gestützten Herrschaftsanspruch absichern musste. Solche Einstellungen waren selbst für aufgeklärte Zeitgenossen, die sich von ihrer Gesinnungsethik leiten ließen, nicht akzeptabel, weil sie die Motive moralischen bzw. unmoralischen Handelns höher bewerteten als die daraus folgenden Taten. Ob dies heute wirklich für die meisten umgehrt ist, wie Geist (1996, S.46ff.) behauptet, bleibt indessen zweifelhaft.

Was die zeitgenössische Rezeption des Stückes anbelangt, so dürfte allerdings gelten. dass den Zuschauern Elisabeths rechtliches Handeln ""mindestens im 'Fall Maria Stuart' moralisch verwerflich" (ebd.) erschienen ist, weil Recht und Gerichte allein für Staatsräson instrumentalisiert werden, für deren Vorrang gegenüber allen anderen moralischen Überlegungen vor allem Burleigh (vgl. II/3, IV/9) entschieden eintritt. Auch Leicester nutzt den Verweis auf die Staatsräson als taktisches Argument ( II/3, V. 1440f) Beide gehen dabei davon aus, dass die schottische Königin eine Gefahr für die politische und konfessionelle Unabhängigkeit Englands darstellt.

Vor allem darum gehe es auch Burleigh, für den Elisabeth "'nur' Garantin dieses Fortschritts" (ebd.) sei, was  ihre Sicherheit und Herrschaft damit jedoch unabdingbar mache. Noch schlimmer freilich sei, dass das Rechtzusätzlich aus persönlichen Motiven gebeugt werde: "Elisabeths ganze Frustration über die Opfer, die sie als Mensch und Frau für ihr Amt hat bringen müssen, ist eine der entscheidenden Triebfedern ihres Handelns (vgl. II/2, II/9, IV/10): Maria Stuart gilt ihr als Verursacherin dieses Leids, als vom Schicksal begünstigt, da jene ihre Leidenschaften habe ausleben dürfen (vgl. II/9) - dass Maria in Wirklichkeit gerade als Frau genauso bankrott ist wie sie selbst, dafür verstellt ihr der Neid den Blick.
Maria, die mit ihrer Vergangenheit und ihrer Gesinnung eigentlich das antibürgerliche, undemokratische dynastische Prinzip vertritt, profitiert hinsichtlich ihrer Sympathiewerte bei Schiller und den Zuschauern von dem Amts- und Rechtsmissbrauch Elisabeths, auch auch wenn er sich offensichtlich nur auf Maria bezieht. Welcher Art die Missbräuche sind, schleudert Maria Burleigh schon am Anfang des Stücks entgegen (vgl. I/7), und Shrewsbury wiederholt sie (vgl. II/3, IV/9):

  • zweifelhafte Rechtsbasis: ein nur auf Maria gemünztes Gesetz wird gegen diese angewandt,

  • parteiische Richter: vom Königshaus abhängige Adelige

  • offenkundige Verfahrensfehler: keine Gegenüberstellung von Beklagter und Zeugen (obschon vorgeschrieben),

  • unglaubwürdige Beweise und Zeugenaussagen (zum Teil von Zeugen, die im Eilverfahren hingerichtet wurden); dass die ganz wesentliche Aussage von Marias Sekretär ein Meineid war erfährt man ja noch im 5. Akt.

  • die fragwürdige Zuständigkeit des Gerichts: Maria ist Ausländerin und gesalbte Königin (in der Tat war Maria die erste gekrönte Königin der europäischen Geschichte, die hingerichtet wurde!)." (ebd.)

Burleigh könne mit seinem Versuch, den Vorwurf der Rechtsbeugung zu entkräften, so betont Geist (1996, S.46ff.), bei den zeitgenössischen Zuschauern nicht punkten. Sie hätten nämlich aufgrund eigener Erfahrungen mit absolutistischer Fürstenwillkür keine Anlass dafür gehabt, den Behauptungen Burleighs zu vertrauen, wonach "sich die Richter weder unter Druck setzen noch bestechen lassen würden, da sie die allseits respektierten ersten Männer dieses Landes und deshalb völlig selbstständig und ohne Fürstenfurcht seien (vgl. I/7, V. 742-61)."

So sei auch nicht Burleigh, sondern Shrewsbury, der schon deshalb sympathisch wirke, weil er rechtliches Denken mit Standfestigkeit, Offenheit und menschlichen Gefühlen (seine Liebe zu Maria; vgl. II/3) verbinde, das eigentliche "Sprachrohr Schillers (und des bürgerlich-aufgeklärten Zuschauers) auf der Bühne". Er nehme Elisabeth alle Ausflüchte, wenn er ihr sage dass sie allein entscheiden könne und müsse und sich von etwas Wandelbarem der öffentlichen Meinung nicht beeinflussen lassen dürfe (II/3, V. 1323-41; IV/9, V. 3083-88). Er spreche zwar innerhalb der Situation die absolute Herrscherin an (deshalb argumentiert er auch oft in Kategorien der Staatsräson!), vertrete aber er "einen aufklärerischen Grundgedanken: dass das Individuum sich nicht von außen in seinem Urteil bestimmen lassen dürfe, sondern autonom entscheiden müsse, dies aber auf der Basis seiner Vernunft, die ihm das moralisch Richtige vermittelt. Außerdem malt Shrewsbury der Königin aus, was passieren würde, wenn sich Marias aus persönlichen Motiven (Hass, Eifersucht) entledigen und somit (das meint er, ohne es auszudrücken) Recht beugen würde [...]"

(aus: Alexander Geist 1996, S.46-50)

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 16.12.2023

    
   Arbeitsanregungen:
  1. Arbeiten Sie aus dem Text heraus:
    • Worauf gründen sich die unterschiedlichen Herrschaftslegitimationen Maria Stuarts und Elisabeths?
    • Welche Bedeutung besitzt die Problematik zur Zeit Schillers?
  2. Zeigen Sie, welche gesellschaftliche Bedeutung die Auseinandersetzung um das Recht zu Zeiten Schillers gehabt hat.
  3. Zeigen Sie, inwiefern die Auseinandersetzung um das Recht in Schillers Drama den Zuschauer zum Richter macht.
 
 
 

 
ARBEITSTECHNIKEN und mehr
Arbeits- und ZeitmanagementKreative ArbeitstechnikenTeamarbeit ▪ Portfolio ● Arbeit mit Bildern  Arbeit mit Texten Arbeit mit Film und VideoMündliche KommunikationVisualisierenPräsentationArbeitstechniken für das Internet Sonstige digitale Arbeitstechniken 
 

   
  Creative Commons Lizenzvertrag Dieses Werk ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International License (CC-BY-SA)
Dies gilt für alle Inhalte, sofern sie nicht von
externen Quellen eingebunden werden oder anderweitig gekennzeichnet sind. Autor: Gert Egle/www.teachsam.de
-
CC-Lizenz