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Aufführungsberichte und -kritiken

Maria Stuart ist nichts für die Jugend - Deutsche Bühne Ellenburg 1935

Friedrich Schiller: Maria Stuart

 
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Eilenburger Neueste Nachrichten", 27.10.1934:

"Im Rahmen der NS-Kulturgemeinde führte die »Deutsche Bühne« in der Stadthalle zu Eilenburg Schillers »Maria Stuart« auf.
Das deutsche Volk muss, nachdem es den kühnen Schritt in den Nationalsozialismus getan [...], diesen ganz neuen Perspektiven entsprechend auch die Klassiker unter verändertem Blickwinkel sehen. Keinesfalls kann alles, was Klassiker ist, heute noch unbesehen hingenommen werden.
Der natürliche und (um religiös zu sprechen) göttliche Zweck der Geschlechtsliebe ist die Entfaltung der Art, die Nachkommenschaft. Was in der Erotik den heiligen Zweck außer Acht lässt, was in ihr nur eine Freude, einen Begriff des Sichauslebens oder auch eine nebensächliche tierische Angelegenheit sieht, ist im tiefsten Grunde unsittlich und muss in der nationalsozialistischen Kunst als unsittlich behandelt werden.
Unsere Klassiker nehmen in solchem Hinblick eine nicht mehr zeitgemäße Stellung ein. In ihren Werken ist nicht der Zweck, die Arterhaltung, das Wesentliche, sondern das Mittel zum Zweck, die Liebe, und über diesem Mittel vergessen sie den Zweck. Und auch »Maria Stuart« bewegt sich auf dem Boden der kritiklosen Anerkennung der »Liebe an sich«, ohne sich um ihre Heiligung durch das Kind zu kümmern. Wenngleich gewisse schwüle Szenen in dem Stück durch ein taktvolles Spiel abgeschwächt waren, so hätten wir wenigstens gern vermieden gesehen, dass - wie es leider geschehen ist - die Jugend zu dem Besuch der Vorstellung aufgefordert wurde.
Auch aus einem anderen Grunde ist Maria Stuart nichts für die Jugend. Sie wird hier als Edelweib besonderer Güte dargestellt, während sie in Wirklichkeit doch eine schlimme Intrigantin und mannstolle Frau war. [...]
Wenn wir meinen, dass solche Stücke in der Jetztzeit unangebracht sind, so ist das keine Prüderie. Die neue Ethik fordert keine Aufgabe der Erotik, sondern ihre Veredelung durch die Elternschaft, deren Aureole mahnend und warnend unaufhörlich hinter aller geschlechtlichen Sinnlichkeit leuchtet und leuchten muss, weil der göttliche Sinn der Erotik das als ewigen Willen in sich fasst. Wohl wissen wir, dass bei übernormaler Stärke des Triebes sein höheres Ziel vergessen werden kann und dass bei Erbkranken das höhere Ziel verhängt werden muss, aber die Kunst hat nicht dem Anormalen und Kranken zu dienen, sondern dem Gesunden und hat dem Gesunden Darsteller und Künder zu sein.
Darum sähen wir gern, wenn diejenigen, die jetzt den Klassikern wieder den Weg ins Volk bahnen wollen, ihnen recht kritisch gegenüberträten und eine »Maria Stuart« ist als Bild einer Zeit, in der Völker nichts, die Fürstenhäuser aber alles waren, zweifellos von einer großartigen Kraft. Man sieht in diesem Stück, von genialer Hand entworfen, unter welchen bedenklichen Voraussetzungen in den hinter uns liegenden Jahrhunderten die Politik gemacht wurde. [...]
Wer solche Erwägungen angesichts der »Maria Stuart« ablehnen oder die Meinung verfechten wollte, dass der kritische Beobachter lediglich ihren »reinen Kunstwert« beurteilen dürfe, der stellt sich auf den Boden eines in die nationalsozialistische Weltanschauung nicht hineingehörenden Ästhetizismus.

Eilenburger Neueste Nachrichten", Januar 1935:

"Wir stehen am Abschluss den Zeitalters der Liebe. [...] Wir erlebten in der liberalistischen Endphase dieses Zeitalters, wie sie, in welcher Teilform auch immer sie auftrat, die Ursache und der Vorwand bedenklichster Entartungserscheinungen wurde. Aus »Nächstenliebe« wurde in der sozialen Staatsgebarung das Kranke und das Schwache gehätschelt. Das Gesunde aber ließ man ohne die nötige Pflege und wartete ab, bis es gleichfalls verkommen war, um dann die Liebe auch an ihm zu beweisen. Man war auch schnell bei der hand mit der Entschuldigung des Verbrechers, dem doch die Liebe nicht versagt werden dürfe. Die Gefängnisse und Erziehungshäuser wurden zu mit Liebe ausgestatteten Erholungsheimen, und der aus helfender Liebe gegebene Krankenschein wurde zu einem Versicherungsschein für viele, die nicht mehr arbeiten wollten. Die Liebe in der Geselligkeit wurde völlig hemmungslos. Ehebruch, Päderastie, Lesbismus, Sodomiterei, Abtreibung, alles wurde geübt oder geduldet, und auch die Duldung geschah nur aus Liebe. Dass da Pflichten auf Erfüllung harrten, Pflichten politischer, sozialer, rassischer Art, daran wurde nicht gedacht. Und die Bühne wurde zum Spiegelbild dieses fürchterlichen Niederganges des Volkes.
Wir völkisch eingestellten Menschen liefen Sturm gegen das »Zeitalter der Liebe« und haben es überwunden. Und mit ihm haben wir »Maria Stuart« überwunden. »Maria Stuart« ist mitten aus dem »Zeitalter der Liebe« geboren, deckt den Mantel der Liebe über ein Kapitalverbrechen und verklärt mit einer genialen dichterischen Gestaltungskraft eine Sünderin zur Heiligen. Durch die hohe Kunst Schillers wird das Stück zu einer gefährlichen Waffe des überwundenen Zeitalters.  [...]
Dem »Zeitalter der Liebe« wird das »Zeitalter der Pflicht« folgen. Das heißt nicht, dass die Liebe nunmehr abgesetzt sei. Die Liebe ist die Grundstimmung, aus der die Pflicht herauswächst. Die Menschheit hat zwei und einhalb Jahrtausende gebraucht, um über diese Grundstimmung mit sich ins Klare zu kommen. Sie hat die Erfahrung gemacht, dass die Nichts-als-Liebe-Lehre zur Entartung führt, und dass die Pflicht als stete Begleiterin neben der Liebe zu treten hat, wenn der Weg nach oben weiter innegehalten werden soll,. Im Vollgefühl seiner Liebe (ganz gleich, ob zum anderen Geschlecht, ob zum Vaterland und in welcher Form auch immer) hat der Mensche sich zu fragen: Wozu verpflichtet deine Liebe dich? [...]"
(aus: Eilenburger Nachrichten / Schwäbischer Merkur 23. Januar 1935, zit n. Grawe (Hrsg.) 1978, S.158-164)
  

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 16.12.2023

    
   Arbeitsanregungen:
  1. Arbeiten Sie aus dem Text heraus:

    • Aus welchen Gründen sprechen sich die Verfasser gegen Friedrich Schillers »Maria Stuart« aus?

    • Von welchen Annahmen über die Wirkung des Stückes gehen Sie dabei aus?

    • Zeigen Sie auf, was die Verfasser unter dem »Zeitalter der Liebe« und dem »Zeitalter der Pflicht« verstehen.

  2. Welche Ziele soll Kunst im Nationalsozialismus verfolgen?

  3. Untersuchen Sie die Sprache des Textes: Wo finden sich ideologisch klar von der Weltanschauung des Nationalsozialismus besetzte Begriffe (Ideologeme) und was bedeuten Sie?

     

 
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