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Christliche Sexualmoral, Sexualstrafrecht und Policey-Ordnungen in der frühen Neuzeit

Überblick

 
GESCHICHTE
Grundbegriffe der Geschichte Europäische Geschichte Frühe Neuzeit (1350-1789) Zeitalter der Renaissance (ca.1350-1450) Zeitalter der Entdeckungen (1415-1531) Reformation und Glaubenskriege (1517-1648) Absolutismus und Aufklärung (ca. 1650-1789) Entstehung des frühmodernen Territorialstaats im Absolutismus Didaktische und methodische Aspekte Überblick Ausgangspunkt: Vielfalt sozialer Gruppen mit zahlreichen Sonderrechten und Lebensformen Schlüsselmonopole staatlicher Herrschaft [ Sozialdisziplinierung als Mittel der Staatsentwicklung Überblick Aspekte der Sozialdisziplinierung (Oestreich/Schulze) [ Christliche Sexualmoral, Sexualstrafrecht und Policey-Ordnungen in der frühen Neuzeit Überblick Die christliche Einmischung in sozio-sexuelle PraktikenEhebruchVorehelicher und außerehelicher Geschlechtsverkehr Bausteine ] Die Entwicklung sozial konstruierter Scham in der frühen Neuzeit und im Barock Die Rolle der territorialen Konfessionskirchen Beginn des bürgerlichen Zeitalters ▪ Deutsche Geschichte
 

Ehebruch
Vorehelicher und außerehelicher Geschlechtsverkehr
Die Entwicklung sozial konstruierter Scham in der frühen Neuzeit und im Barock
(Literaturgeschichte:) Die höfische Form der Erotik im Barock

»Sexualität ist in der Triebstruktur des Menschen fest verankert. Sie ist, wie die »Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert, "ein zentraler Aspekt des Menschseins über die gesamte Lebensspanne hinweg, der das biologische Geschlecht, die Geschlechtsidentität, die Geschlechterrolle, sexuelle Orientierung, Lust, Erotik, Intimität und Fortpflanzung einschließt. Sie wird erfahren und drückt sich aus in Gedanken, Fantasien, Wünschen, Überzeugungen, Einstellungen, Werten, Verhaltensmustern, Praktiken, Rollen und Beziehungen. Während Sexualität all diese Aspekte beinhaltet, werden nicht alle ihre Dimensionen jederzeit erfahren oder ausgedrückt. Sexualität wird beeinflusst durch das Zusammenwirken biologischer, psychologischer, sozialer, wirtschaftlicher, politischer, ethischer, rechtlicher, religiöser und spiritueller Faktoren.“– WHO: Defining sexual health. Report of a technical consultation on sexual health, 28–31 January 2002, zit. n. Wikipedia)

Sexualität trägt evolutionsbiologisch betrachtet, zur bestmöglichen Fortpflanzung auch unserer Spezies bei und ist Teil unserer "biologischen Verhaltenssoftware". Wie sie im Laufe der Menschheitsgeschichte in menschlichen Gesellschaften wirksam wurde und ist, hängt dabei von vielen Faktoren ab. Ob und inwieweit ihr im Zuge der Evolution bis in unsere Gene hinein sexuelles Verhalten eingeschrieben wurde, ist in der Forschung bis heute ein umstrittenes Thema.

Hier genügt es festzustellen, dass es kein allgemeingültiges Konzept einer "natürlichen" Sexualität des Menschen gibt, auf das sich ohne weiteres zurückgreifen ließe, um die geschichtlichen Formen der Sexualität an ihrem vermeintlich "natürlichen Original" zu messen.

Sexualität ist stets kulturell überformt. Sie wird von den meisten Menschen in den von ihr vorgegebenen Formen praktiziert, und ist insofern, sieht man von den rein biologischen Vorgängen ab, wenngleich anders akzentuiert, auch ein soziales Konstrukt wie das »gesellschaftliche Geschlecht (Gender), die gesellschaftliche Festlegung von unterschiedlichen »Geschlechterrollen und die »soziokulturelle  »Geschlechterordnung. Sexualität ist aber auch gerade deshalb ein Terrain, auf dem in der Geschichte immer wieder Schlachten geschlagen wurden, die eine eigene Geschichte sexueller Repression schreiben lassen, die unter dem Mantel "normaler" bzw. angeblich "natürlicher" Formen von Sexualität abweichendem sexuellen Verhalten über viele Jahrhunderte hinweg, und zum Teil noch bis heute, mit religiöser und sozialer Ächtung und drakonischen Strafen begegnete.

Sexualität ist, wie der französische Philosoph und Historiker »Michel Foucault (1926-1984) formulierte, insofern stets auch ein "pathologisches Gebiet" (Foucault 1995) geblieben. Sie bot sozialen Gemeinschaften, und darin besonders den jeweils Mächtigen, immer wieder Gelegenheit, Vorgaben zum sexuellen Verhalten der Menschen zu machen. Diese stützten sich vor allem auf die Unterscheidung von "natürlicher" Sexualität und "Sexualität wider der Natur", abweichendem  (deviantem) und "normalem" Sex und erlaubten, eine bis in die Intimsphäre des Einzelnen reichende Kontrolle aufzubauen, die insgesamt die bestehenden Herrschaftsverhältnisse stabilisierte. Zugleich machten sie ihre folgsamen Untertanen zu Gefolgsleuten, die in einem System der sozialen Kontrolle, der Bespitzelung und Überwachung, dafür sorgten, dass die moralisch und sittlich sowie sozial immer wieder begründeten und bestätigten Gebote und Verbote prinzipiell auch den letzten Winkel der Gesellschaft erreichen konnten.

Diese Regulierung und Sanktionierung des Sexuellen und seine offene Kriminalisierung ist auch ein wichtiger Teil der von den weltlichen und kirchlichen Obrigkeiten im Gefolge von Reformation und Gegenreformation von oben durchgesetzten ▪ Sozialdisziplinierung und zugleich auch ein viele Jahrhunderte andauernder zivilisatorischer Prozess, der darauf beruhte, dass "der Sexualtrieb, wie viele andere Triebe, einer immer strengeren Regelung und Umformung unterworfen" wurde (Elias 1997, Bd. 1, S.342). Er gehört damit auch zu den sozialen Dynamiken, die die ▪ frühneuzeitliche Staatsbildung und die Schaffung eines mehr oder weniger einheitlichen Untertanenverbandes in den Territorien vorangetrieben haben.

Von der mönchischen Askese zur allgemeinen christlichen Sexualmoral

Sexuelle Repression, Unterdrückung, Kanalisierung und Sublimierung sexueller Bedürfnisse beginnen schon vor der frühen Neuzeit und haben eine ihre eigene Geschichte. Schon im frühen Christentum forderten Mönche dazu auf, in sexueller Enthaltsamkeit zölibatär zu leben, aber erst nach dem »Konzil von Trient (1563) konnte der schon 400 Jahre zuvor auf dem »Zweiten Laterankonzil (1139) für höhere geistliche Würdenträger und Priester geforderte Zölibat durchgesetzt werden.

Die Vorstellungen der mönchischen Askese waren darauf ausgerichtet, einen als Einsiedler lebenden Mönch vom "Geist der Begehrlichkeit" (Foucault 1992, S.26) zu befreien. Über verschiedene Stufen sollte er mit Hilfe bestimmter Selbstbeeinflussungstechniken zur Keuschheit und »Schamhaftigkeit« gelangen, die am Ende weder im Schlaf noch im Wachzustand unzüchtigen Gedanken und den daraus folgenden körperlichen Erregungszuständen (z. B. eine nächtliche, sonst kaum steuerbare »Pollution (Samenerguss)) Raum lässt:

"Das wird das untrügliche Kennzeichen und der vollständige Beweis dieser Keuschheit sein," formulierte der Abt »Johannes Cassianus (etwa 360-435 n. Chr.), "wenn uns während der Ruhe und des Schlafes kein Trugbild vor die Seele tritt" oder "wenn uns während der Ruhe kein Reiz der Wollust berührt und die durch die Gesetze der Natur bedingten Ausscheidungen unreiner Stoffe ohne unser Wissen vor sich gehen." (zit. n. Foucault 1992, S.33).

Der Katalog von acht »Lastern, mit denen Cassian an noch ältere Lasterkataloge und an antike Auffassungen des »Stoizismus und »spätantike des »Neuplatonismus anschloss, zählte neben der Unkeuschheit weitere sieben Hauptlaster (Unmäßigkeit, Habsucht, Zorn, Traurigkeit, Überdruss, Ruhmsucht, Hochmut) auf, die später in der christlichen Morallehre als Kapitalsünden fungierten.

Aber auch andere Regeln klösterlicher Moral wie die Aufforderung zur sexuellen Enthaltsamkeit an den zahlreichen christlichen Feiertagen und in den langen Fastenzeiten vor Ostern und im Advent wurden Elemente der offiziellen katholischen Ehedoktrin und sollten dafür sorgen, dass die christliche Ehe, die neben ihrer Funktion zur Zeugung legitimer Nachkommenschaft ohnehin nur als Notlösung gegen die Wollust betrachtet wurde, sexuell nicht aus dem Ruder lief.

Folgt man den zeitgenössischen Abhandlungen namhafter christlicher Moraltheologen, den Sammlungen von Gewissensfällen in solchen Fragen und den einschlägigen Beichtbüchern der frühen Neuzeit, stellt sich die christliche Sexualmoral, auch wenn sie sich von der vorausgegangenen nicht so massiv unterscheidet, wie allgemein angenommen wird (vgl. Foucault 1992, S.38), nach Flandrin (1992, S.147f.) wie folgt dar:

"Im Mittelpunkt der christlichen Moral steht ein tiefes Misstrauen gegen alle sinnlichen Freuden, weil sie den Geist zum Gefangenen des Körpers machten und ihn daran hinderten, sich zu Gott zu erheben. Man muss essen, um zu leben, doch vor den Freuden des Gaumens gilt es sich zu hüten. Ebenso sind wir verpflichtet, uns mit dem anderen Geschlecht zu vereinigen, um Kinder zu zeugen; aber wir dürfen uns nicht dem sexuellen Vergnügen hingeben. Die Sexualität hat zum alleinigen Zweck die Fortpflanzung;  wer sie mit anderen Interessen verknüpft, etwa dem Genuss, der treibt Missbrauch mit ihr."

Die innereheliche Sexualität als Notlösung gegen das sexuelle Begehren

Als soziale Konsequenz der christlichen Morallehre ergab sich zwingend, dass die Familie als die beste und einzige soziale Einheit angesehen werden konnte, in deren Rahmen die Erziehung von legitimen, d. h. aus aus einer Ehe hervorgehenden, Kinder möglich war.

Da ▪ außerehelicher Geschlechtsverkehr diesen Zielen per se nicht dienen konnte, war jede außereheliche sexuelle Betätigung Sünde.

Das hieß indessen im Umkehrschluss nicht, dass sich die Sexualität von Eheleuten, die nicht dem Ziel der Fortpflanzung diente, frei entfalten durfte. Das war übereinstimmende Meinung, auch wenn nach Auffassung des »Apostels Paulus die Ehe wie möglich machte, das sündige Begehren von der außerehelichen Unzucht, Ehebruch oder der Onanie abzulenken und in die geordneten ehelichen Bahnen zu kanalisieren.

Trotzdem: Stand die Lust und das sexuelle Vergnügen der Ehepartner beim Vollzug des Geschlechtsaktes im Vordergrund, galt dies bis ins 16. und 17. Jahrhundert hinein als Todsünde.

Erst der spanische Jesuit und Kasuistiker »Thomas Sanchez (1550-1610) brachte in der katholischen Kirche neue Töne ein, indem er betonte, dass der sexuelle Verkehr von Ehegatten, solange sie keine Maßnahmen zur Empfängnisverhütung ( z. B. »Coitus interruptus, »Coitus reservatus ) trafen, die Möglichkeit der Empfängnis also prinzipiell erhalten blieb, keine Sünde begingen. Abtreibung und Empfängnisverhütung blieben aber weiterhin Teufelswerk. (vgl. Flandrin 1992, S,149)

Sexuelle Lust in der Ehe als "Ehebruch"

Viele fromme Katholiken übertrugen die mönchischen Postulate der Keuschheit und Enthaltsamkeit auch auf die eheliche Paarbeziehung. Oft beriefen sie dabei auf den Kirchenvater »Hieronymus (347-420 n. Chr.). Dieser hatte im Anschluss an ein Traktat des römischen Philosophen und »Stoikers Seneca (1-65. n. Chr.) betont:

"Ehebrecherisch ist auch die allzu brennende Liebe für die eigene Frau. Die Liebe zur Frau eines anderen ist immer schändlich, zur eigenen Frau ist es die übermäßige Liebe. Ein vernünftiger Mann soll seine Frau mit Besonnenheit lieben und nicht mit Leidenschaft; er soll seine Leidenschaft zügeln und sich nicht zum Beischlaf hinreißen lassen. Nicht ist schändlicher, als seine Frau wie eine Mätresse zu lieben. [...] Der Mann soll sich seiner Frau nicht als Geliebter, sondern als Gatte nähern." (Adversus Jovinianum, I, 49) (zit. n. ebd. 1992, S.155) 

Man fürchtete dabei nicht nur eine übermäßiges an sexuellem Genuss orientiertes Verhalten der Eheleute, sondern schlichtweg auch, das "eine leidenschaftliche eheliche Liebe (...) sich nachteilig auf die sozialen Beziehungen und auf die Pflichten gegen Gott auswirken (könnte)." (ebd.)

Diese und ähnliche asketische Betrachtungen der Ehe als "eine minderwertige, fragwürdige Institution" (Ariès 1992b, S.181) hatten bis ins 12. Jahrhundert hinein zur Folge, dass die meisten Geistlichen nicht wünschten, dass sich die Kirche in derart vulgäre Angelegenheiten einmischen sollte. Am Ende aber setzte sich die noch unseren heutigen Maßstäben weniger "fundamentalistische" Position, die sich eher an Auffassungen des Apostels Paulus und des »Kirchenvaters Augustinus (354-430 n. Chr.) orientierten.

Sakramentalisierung und Klerikalisierung der Ehe

Seit dem 11. und 12. Jahrhundert begann die Kirche ihr sakramentales Modell der Ehe zu entwickeln, das neben bestimmten Verwandtschaftsverboten auch die Unauflöslichkeit der Ehe beinhaltete.

Dieses Modell ließ sich indessen nicht so einfach gegen die bis dahin in allen Gesellschaftsschichten geschlossene Laienehe durchsetzen. Sie kam wie ein Vertrag zwischen Familien als gewissermaßen "häuslicher Akt" (ebd., S.192,) zustande und war m Grunde genommen eine private Angelegenheit, auch wenn sie mit verschiedenen symbolischen Akten in unterschiedlichen Öffentlichkeiten geschlossen wurde.

Vor allem der Adel wollte sich von der Kirche mit ihren Verwandtschaftsverboten nicht in seine althergebrachten dynastisch orientierten Heiratsstrategien hereinreden lassen, bei der man sehr enge Verwandtschaftsbeziehungen der Brautleute nicht als Hindernis ansah. Und auch das mit der kirchlichen Sakramentalisierung geforderte Gebot der Unauflöslichkeit der Ehe drohte der gerne ausgeübten Praxis adeliger Herren, ihre Frauen unter gewissen Umständen wieder verstoßen zu können, einen Strich durch die Rechnung zu machen.

So dauerte es auch, von den Anfängen an gesehen, mehrere Jahrhunderte, bis sich das sakramentale kirchliche Modell gegen die kulturell verankerte Laienehe durchgesetzt hatte. (vgl. ebd., S.181ff.) Im 12. Jahrhundert jedenfalls scheint die Entscheidung gefallen: Die Unauflöslichkeit der Ehe war selbst vom Adel akzeptiert und als Norm verinnerlicht.

Nach dem Konzil von Trient (1545-1563) ging es der katholischen Kirche vor allem darum ihre kirchlichen Heiratsrituale, mit der "Verlagerung des Akts der Eheschließung aus dem Haus, seinem traditionellen Ort, vor die Kirchentüren" (ebd., S.192) und die schriftliche Registrierung der öffentlich zu vollziehenden Heiratszeremonie, die alleinige Kontrolle über die christliche Ehe und die sittliche Ordnung der Gesellschaft zu erlangen.

Diese Klerikalisierung der Ehe war in gewisser Hinsicht die logische Konsequenz der vorangegangenen Sakramentalisierung, hatte damit aber auch weitreichende Folgen. Mit ihrer Registrierung der Ehe trug sie ebenso zu Modernisierung bei wie zur Sozialdisziplinierung der Menschen, denn die Unterschrift im kirchlichen Heiratsregister mit Angabe des genauen Zeitpunkts der Heirat änderte so manches: Kinder, die vor diesem Heiratstermin geboren waren, wurden so von einer Minute zur anderen zu unehelichen Kindern. Und wenn Paare  allem religiösen und gesellschaftlichen Druck zum Trotz weiterhin nach den Riten der Laienehe oder im »Konkubinat, als unverheiratet zusammenlebten, ihre Kinder im Taufbuch der Pfarrei registrieren ließen, bekamen diese auch den Stempel eines amtlich-registrierten "Bastards" aufgedrückt. (vgl. ebd., S.191)

Martin Luther und die protestantische Auffassung zur innerehelichen Sexualität

»Martin Luther (1483-1546) und die meisten Protestanten waren gegen die katholische sakramentale Überhöhung der Ehe und sahen auch die innereheliche Sexualität fundamental anders.

Auch wenn wohl auch für sie die "in recht unterschiedlichen Schichten der alten Gesellschaft" herrschende Abneigung dagegen bestand, "allzu frei mit seiner Frau zu verkehren" und "man sich die eigene Frau eher keusch als verliebt wünschte" (Flandrin 1992, S.162), war Sexualität für sie eine ▪ anthropologische Grundtatsache, die nicht per se sündhaft war, solange sie sich in ehelichen Bahnen und damit in den Schranken bestimmter ehelicher Normen bewegte.

Bei allen Unterschieden zwischen beiden Konfessionen zielte die protestantischen und katholische Ehepolitik (Sexualmoral, Ehedoktrin, Kirchenzucht usw.) bis ins 18. Jahrhundert hinein zunächst einmal auf den Schutz der christlichen Ehe auch in ihren Krisenzeiten. Diesem Ziel war auch die überaus strenge Verfolgung von ▪ Ehebrechern und Ehebrecherinnen geschuldet, bei der die Protestanten die Katholiken oft übertrafen.

Kirche und Staat ziehen im Bereich der Sexualmoral zusehend an einem Strick

Mit  der sogenannten "Peinlichen Gerichtsordnung" des »Heiligen Römischen Reiches, der »Constitutio Criminalis Carolina« (kurz: Carolina), einem Gesetzeswerk, das 1532 auf dem Reichstag von Regensburg verabschiedet wurde, wurden christliche Moralvorstellungen Teil des reichsstaatlichen Strafrechts, auch wenn ansonsten das römische Recht auch in diesem Bereich noch überwog. (vgl. Eder 2002, S.54)

Was in der Carolina als Sexualdelikte angesehen wurde, hatte mit den Bereichen sexuellen Handelns zu tun, die nach Ansicht ihrer Verfasser, eine Gefahr für die christliche Ehe, die Fortpflanzung und die männliche Autorität und Ehre darstellen konnten. Dementsprechend stellte sie diese unter einen besonderen Schutz, während sie zugleich "die »heißen« Themen vorehelicher Geschlechtsverkehr und Prostitution [...] schon allen wegen der großen Differenz zwischen dem Recht und der sozio-sexuellen Praxis" (ebd. 2002, S.54) außen vor ließ und nicht sanktionierte.

Hochgehalten wurden allerdings die Rechtsprinzipien der Blutsverwandtschaft, der Jungfräulichkeit und die Vorstellung einer "natürlichen" sexuellen Ordnung und einer ebenso "natürlichen" sexuellen Praxis, die im Zuge der Zeit und der weiteren Sozialdisziplinierung (Oestreich) und dem fortschreitenden, aber keineswegs geradlinig verlaufenden  Zivilisationsprozesses (Elias) mit Gesetzen und Policey-Ordnungen von oben durchgesetzt und von den Menschen internalisiert wurden.

Der ▪ Ehebruch geriet damit, auch wenn er regional sehr unterschiedlich geahndet wurde, endgültig ins Fadenkreuz der staatlichen Justiz und die in der Gesellschaft schon vorhandenen Vorstellungen über andere Formen der "Unzucht", wie z. B. der ▪  voreheliche und außereheliche Geschlechtsverkehr, wurden nicht nur stärker von der christlichen Ehedoktrin gerahmt, sondern auch bis ins Detail bestimmt.

Weil sich der Staat die Prinzipien der christlichen Sexualmoral zu eigen machte, wurden auch jetzt die ▪ Scham- und Peinlichkeitsschwellen deutlich enger und strenger gezogen und die ▪ Nacktheit in der Öffentlichkeit (Badehäuser), der Kirche schon seit jeher ein Dorn im Auge, zusehends zurückgedrängt.

Mehr und mehr wurde damit das, was Kirchen und der entstehende Fürstenstaat bei der Schaffung des neuen Untertanenverbands wollten, damit auch in Vorstellungen von »Keuschheit, »Scham, Schuld und »Prüderie "übersetzt" und am Ende wurden sie als soziale Konstrukte Ausdruck der jeweils herrschenden Gefühlskultur und Moral  ihrer Zeit und der damit verbundenen sozialen Kontrolle.

Was die Carolina zu den strafbaren Delikten zählte: "Unkeuschheit wider die Natur, Blutschande, gewaltsame Entführung, Notzucht, Ehebruch, zweifache Ehe, Kuppelei und die «Straff der jhenen so jre eheweiber oder kinder durch böses genieß willen williglich zu vnkeuschen wercken verkauffen» (Art. 122)" (ebd. 2002, S.55) dazu noch Kindsmord oder Kindesweglegung,  hielten sich so nicht nur in den Gesetzeswerken bis ins 18. Jahrhundert, sondern verankerten sich auch im moralischen Bewusstsein der Menschen.

Ehebruch
Vorehelicher und außerehelicher Geschlechtsverkehr
Die Entwicklung sozial konstruierter Scham in der frühen Neuzeit und im Barock
(Literaturgeschichte:) Die höfische Form der Erotik im Barock

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 30.01.2024

 
 

 
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