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Württemberg zur Zeit Herzog Carl Eugens (1728-1793)
▪
Konkurrenzkampf und Prasserei: Absolutistische Repräsentation
von Macht
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Versailles in Schwaben: Ludwigsburg zur Zeit Carl Eugens
▪
Höfische Festkultur zur Zeit Carl Eugens
Im 17. Jahrhundert setzte »Ludwig
XIV. (1638-1715) am Hof von
»Versailles
die Maßstäbe für Theaterveranstaltungen, die neben der Unterhaltung, die
sie boten, vor allem ▪
seiner absolutistischen Repräsentation von Status und Macht dienten. Ihr
politischer Gestus entsprach dabei den römischen Imperatorenauf- und umzügen,
wie oberitalienische Städte schon im 15. Jahrhundert veranstalteten. (vgl.
Brauneck 2012, S.163) Dementsprechend entwickelte sich das höfische
Theater im 17. Jahrhundert "in eine Richtung, in der die totale
Theatralisierung der höfischen Lebenssphäre der eigentliche Zweck war."
Dadurch wurde das Theater zum "Medium, indem zwar alles Schein war, diesen
Schein zu wahren aber war das Lebens- und Überlebensprinzip bei Hofe." (ebd.)
Ein legendäres theatralisches Großprojekt im Absolutismus:
Hochzeitsfeierlichkeiten in Wien 1668
Was »Ludwig
XIV. (1638-1715) im Schlosspark von »Versailles
inszenieren ließ, war "gigantisch" und suchte im deutschsprachigen
Raum seinesgleichen. Solche vergleichbaren theatralen Großprojekte
gab es allenfalls in Dresden oder vor allem auch in Wien, wo die
Hochzeit von »Leopold
I. (1640-1705), dem mit der spanischen Infantin »Margarita
Theresa von Spanien (1651-1673) 1666 mit einer vergleichbar
glanzvollen Veranstaltung die Botschaft von der Macht und Größe des
habsburgischen Kaisers vermitteln sollte.

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Als die 15-jährige
Königin im Dezember 1666 in Wien eintraf, wurde die schon um Ostern
herum in einer »Stellvertreterhochzeit
geschlossene rechtsgültige Heirat mit einem Serie von Festen
gefeiert, die sich in einem Festreigen bis zur Fastenzeit des
kommenden Jahres hinzogen.
Zum Geburtstag der
Kaiserin wurde die eigens für diesen Anlass von »Antonio
Cesti (1623-1669)
komponierte, insgesamt neunstündige Oper
Il pomo d'Oro (Der
goldene Apfel),
in dem eigens dafür errichteten Theater im
Juli 1668 an zwei Tagen nacheinander aufgeführt.
In der Oper ging es
um den Streit der von »Sopranistinnen
gesungenen Göttinnen »Juno,
»Venus
und »Minerva
um den »Apfel
der Zwietracht der »Eris,
der Göttin der Zwietracht (vgl.
ebd.,
S.165) Selbst der Kaiser hatte es sich nicht nehmen lassen, zwei
Szenen für die mit 1300 Akteuren inszenierte Oper selbst zu
vertonen. (vgl.
Vacha
1995 zit. n.
Wikipedia).
Alles in allem also
ein mit 100.000 Gulden äußerst teures theatrales Großprojekt, das
aber, und darum ging es ja, an allen Höfen Europas für Bewunderung
und Gesprächsstoff sorgte. Es ist dabei davon auszugehen, dass es im
kulturellen Gedächtnis der höfischen Welt ebenso wie das legendäre »Theaterfest
"Les Plaisirs de d'Ile enchantée" (1664) (= Die großen
Vergnügungen des Königs), mit dem »Ludwig
XIV. (1638-1715). den gesamten Schlosspark von Versailles als
Spielort für den sich über mehrere Tage hinziehenden "Kampf des
Guten gegen das Böse" (Brauneck
2012, S.164) nutzte, sicher auch zu Zeiten ▪
Carl Eugens (1728-1798)
noch im kulturellen Gedächtnis der höfischen Gesellschaft präsent
gewesen ist.
Das Beispiel
solcher "Events", die der absolutistischen Repräsentation dienten,
zeigt, dass das Theater im Umfeld der Höfe des Absolutismus ein
zentrales Element der höfischen Festkultur wurde und dabei "als
»Gesamtkunstwerk«, als Zusammenspiel von Drama. Musik, Tanz,
Feuerwerk und Maskenspielen, oftmals in monumentalen, phantastischen
Arrangements" (ebd.,
S.163) zu "Glanz und Größe des Souveräns" (ebd.)
beigetragen sollte, auch wenn "der sich mit der Veranstaltung
solcher Feste oftmals in den finanziellen Ruin treiben ließ." (ebd.)
Opern und Singspiele am Hof Carl Eugens
Opern und Singspiele
gehören auch zu den wichtigsten "Events" der
▪
höfischen
Festkultur
Carl Eugens von Württemberg.
In »Bayreuth,
wo der 20-jährige ▪ Carl
Eugen (1728-1798) ▪ 1748 die 16-jährige Nichte
des preußischen Königs
»Friedrich
II.(1712-1786), »Elisabeth Friederike von
Brandenburg-Ansbach (1732-1780) heiratet, wird in dem eigens zur
Hochzeit vollendeten prunkvollen ▪
markgräflichen Opernhaus der vergleichsweise kleinen
Residenz eine von der Mutter Friederikes, der Markgräfin
»Friederike Sophie Wilhelmine von Preußen (1709-1758), selbst inszenierte
italienische Oper aufgeführt, die den Bräutigam begeistert. (vgl.
Walter 1987, S. 113)
Seitdem jedenfalls ist Carl Eugen von italienischen
Opern fasziniert und entschlossen, in seinem eigenen Land zumindest
Gleichwertiges, wenn nicht noch Gewaltigeres auf eine Bühne zu bringen, die
sich in der ▪
europaweiten Konkurrenz der Höfe sehen lassen kann.
Im Rahmen des ▪ Schlossbaus ist schon 1715 die Integration eines Theaters
geplant, doch
»Herzog Eberhard
Ludwig (1676 - 1733) zieht dem dann doch ein anderes
Bauvorhaben an der vorgesehen Stelle vor, nämlich den Rittersaal des von ihm
selbst gestifteten Jagdordens. So treten die Theaterbaupläne erst 1725
wieder in Erscheinung, als »Donato
Guiseppe Frisoni (1683-1735) die Idee zweier Pavillonbauten (Festinbau
und Theaterbau) wieder aufgreift, die dann bis 1733 hinter den beiden
Kavaliersbauten und gegenüber den Eckpavillons des Neuen Corps de logis
errichtet werden.

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Während noch zu Lebzeiten Herzog Eberhard Ludwigs im Festinbau ein kleines Theater ohne Logeneinbau fertig gestellt wird,
ließ
erst Herzog ▪ Carl Eugen
(1728-1798)
1758 den Theaterbau mit dem notwendigen Inventar und
der Bühnentechnik ausstatten. (vgl.
Merten 2004, S. 72f.)
Hoftheater
dieser Art gab es an vielen Fürstenhöfen und was hier zur Aufführung kam,
französische Dramen oder italienische Opern blieb einem engen
Zuschauerkreis vorbehalten, dem Adel im Allgemeinen und dem jeweiligen
Hofstaat im Besonderen.
Als Herzog Carl Eugen nach der Verlegung seiner Residenz von Stuttgart
nach Ludwigsburg im Herbst 1764 das Hoftheater im Ludwigsburger Schloss fertig stellen
ließ, war es für die Repräsentationsbedürfnisse des Fürsten und die
Inszenierung großer Opern- und Ballettaufführungen längst schon zu klein.

Daher ließ der Herzog im Winter 1764/65 östlich des Alten
Corps de logis ein Opernhaus zimmern, das zu den größten in ganz Europa
zählt. Der "in höchster Eile" errichtete "windige und zugleich
utopisch-phantastisch gestaltete Bau, in dem ganze Regimenter als
Statisten auftreten konnten" (Rainer
1979, S.141), konnte jedenfalls mit anderen vergleichbaren
Gebäuden ohne weiteres konkurrieren.
Rechzeitig zum Geburtstag des Herzogs am 11. Februar 1765
war das
Gebäude errichtet, das in gerade mal dreieinhalb Monaten gebaut wird. In
nur sechs Wochen sind dafür weit über 3.000 Balken verschiedener Länge,
Hunderte von Säulenhölzern und Zehntausende Bretter und Latten mit etwa
800.000 Nägeln zusammengefügt worden.
Und auch wenn es noch so kalt und das
Wetter schlecht ist, müssen die größten Stämme in unwegsamem Gelände
gefällt, auf unebenen Wegen an die »Enz,
einen Nebenfluss des »Neckar, geschleppt, von dort auf der Enz nach
»Bissingen geflößt und von dort auf Wagen nach Ludwigsburg gebracht werden.
(vgl.
Belschner 1904, S.166 nach:
Sting 2005, S.220)
Die
Sägemühlen im Schwarzwald sind wochenlang ausschließlich damit beschäftigt,
die für den Theaterbau benötigten Bretter herzustellen.
Was aber von der
Bevölkerung als besonders belastend empfunden wird, sind die »Frondienste,
die 300 Zimmerleute, 150 Maurer, 20 Schreiner, 75 Handlanger und 40
Steinbrecher, die im vierzehntägigen Turnus wechseln, beim Opernhausbau
zwangsverpflichtet werden. Da die Bezahlung außerdem kaum ausreicht, um die
Unterhaltskosten vor Ort zu sichern, entziehen sich manche Handwerker
einfach durch Flucht diesem Frondienst. So kommt es auch, dass man
mancherorts Handwerksmeister von Soldaten zur Arbeit nach Ludwigsburg
abführen lassen muss.
Das Opernhaus, dessen Inndekoration der Theatermaler Innocente Colomba
übernimmt, verschlingt die stattliche Summe von 65.000 Gulden, die Herzog
Carl Eugen seinen Untertanen mit unrechtmäßigen Sonderabgaben abpressen
lässt.
Damit das ganze Opernhausunternehmen darüber hinaus
kein zu großes Loch in die herzogliche Kasse reißen kann, werden im ganzen
Land zusätzliche Abgaben erhoben und Anleihen aufgenommen, gegen die sich
beim Herzog zu beschweren, keinerlei Erfolg hat. (vgl.
ebd., S.221f.)
Eingeweiht wird
das Opernhaus am 11. Februar 1765, dem 21. Geburtstag des
Herzogs, dessen "wilden Jahre" gerade begonnen haben. (vgl.
Kotzurek 2004, S. 131)
Im Opernhaus haben 1000 Personen Platz, die als Besucher kostenlosen
Zutritt haben. Allerdings handelt es sich auch um einen ausgesuchten
Personenkreis: Bürger, Bauern und einfaches Volk bleiben selbstverständlich
außen vor. (vgl.
Alt Bd. I, 2004, S.49f)
1768 wird die Bühne durch einen Anbau um 25 Meter verlängert, so dass an den
Zuschauern, wie Christian
Belschner (1904) sagt, halbe
Regimenter zu Pferde vorbeidefilieren können (vgl.
Kotzurek 2004, S.133) Die von Marmorsälen beherrschte Inneneinrichtung,
darunter ein Foyer, das an den Wänden
vollständig mit Spiegelgläsern versehen ist und pro Aufführung mit 2000
Kerzen und unzähligen Öllampen illuminiert wird, macht den Theaterbesuch für
die Zuschauer zu einem festlichen Ereignis (vgl.
Alt Bd. I, 2004, S. 46, 49).
Justinus Kerner (geb. 1768) erinnert sich später wie folgt daran: "Es war in
seinem Innern völlig mit Spiegelgläsern ausgekleidet, alle Wände, alle Logen
mit ihren Säulen waren von Spiegelgläsern. Man kann sich den Effekt eines
solchen Hauses im Glanze der vielen hundert Lichter wohl kaum denken." (zit.
n.
Kotzurek 2004, S.133)
Wer immer es,
solange es steht,
zu sehen bekommt, ist von der "Bretterbude" fasziniert, so auch
▪
Johann Wolfgang von Goethe
(1749-1832 ), der im Jahr 1797 Ludwigsburg einen Besuch
abstattet. Dieser nutzt die Gelegenheit auf seiner dritten Reise in die
Schweiz vom 30. Juli bis 20. November 1797 Ende August/Anfang September sich
in Ludwigburg und Stuttgart Anregungen für den Schloss- und den Theaterbau in
Weimar zu holen (vgl.
Unterberger 2002, S.207)
"Das große Operntheater", berichtet er, "ist ein merkwürdiges Gebäude, aus
Holz und leichten Brettern zusammengeschlagen, und zeugt von dem Geist des
Erbauers, der viele und hohe Gäste unterhalten wollte. Das Theater ist
achtzehn Schritte breit, auch ungeheuer hoch, indem das Haus vier Logen
enthält; in seiner Länge hat 76 Schritt." (zit. n.
Kotzurek 2004, S.133)
Die Aufführungen im Opernhaus
Auf die Bühne
gebracht wurden im Operhaus Carl Eugens meistens italienische Opern und Singspiele jeder Art, zu denen man schon mal
500 Akteure in einem Stück agieren ließ (vgl.
Alt Bd. I, 2004, S. 47). Schauspiele, das so genannte Sprechtheater,
werden an den
Hoftheatern der Zeit eigentlich nicht aufgeführt. Erst von 1770 an schaffen
auch deutschsprachige Stücke von
Lessing oder Goethe den Sprung auf die
Bühnen der höfischen Theater.
Die Aufführungen verbreiten, wie der Herzog beabsichtigt, den Glanz
seiner Herrschaft, die Oper wird ein echter Publikumsmagnet. Dementsprechend
lässt sich der Herzog das Ganze sehr viel kosten.
Im Jahr 1765 betrug der
Jahresetat der Ludwigsburger Oper 300.000 Gulden oder ca. 495.000 Taler
(Umrechnungskurs um 1800). Man hat ausgerechnet, dass ein Taler in die
Kaufkraft des Jahres 2000 umgerechnet ca. 30 Euro entspricht. (vgl.
Alt Bd. I, 2004, S. 21, 49).
Von dieser Summe mussten Honorare, die Kosten für Dekorationen, Kostüme,
Bühnenbild und Anreise und Unerbringung der zahlreichen ausländischen
Künstlerinnen und Künstler bezahlt werden, von denen einzelne, wie z. B. der
europaweit bekannte Tänzer »Gaetano Vestris
(1729-1808) für ein Dreimonatsengagement
schon mal 12.000 Gulden Honorar einstreichen durfte. (vgl.
ebd., S. 35)
Ansonsten
besaß das Opernhaus ein gut und vor allem fest bezahltes Orchester und dem
Ensemble gehörten eine ganze Schar italienischer Sängerinnen an, die oft für
mehrere Jahre engagiert wurden.
Unter der Leitung von
»Niccolò
Jomelli (1714-1774) kamen zwischen 1733 und 1768 Singspiele und
Opern auf die Bühne. Laut Dienstvertrag mit dem Herzog ist er
verpflichtet zwei pro Jahr zu komponieren. Zugleich übernimmt er auch Inszenierungen und
kontrolliert die Aufführungen.
In den Singspielen und Opern ging es meistens
um Mythologisches aus der römischen Antike, so auch in den populärsten und
wohl teuersten Inszenierungen der Opern »Semiramide«
(1764) oder »Il Vologeso (1766), die wegen ihres großen Publikumserfolges gleich zwei
Spielzeiten auf dem Spielplan standen.
»"Semiramide riconosciuta"
hatte er schon 1741 in Turin mit großem Erfolg zur Aufführung
gebracht, die Aufführung der Oper »Il Vologeso im württembergischen Opernhaus soll wegen
der besonderen Tragik nach der großen Soloszene der Berenice im 3. Akt sogar
Herzog Carl Eugen von Württemberg zur Äußerung veranlasst haben, dass er es
nicht verkraften würde, dieses Stück ein zweites Mal anzuhören. (vgl.
Wikipedia, 9.03.07)
Die
Erstaufführungen von Opern fanden jeweils am Geburtstag des Herzogs
(11.2.) und an seinem Namenstag (4.11.) statt. Da die Opern und Singspiele
meistens in italienischer Sprache inszeniert wurden, konnten die Besucher*innen vor
dem Opernbesuch den ins Französische oder Deutsche übersetzten Text in
Buchform erwerben und erhalten Informationen über den
Handlungsverlauf und die schauspielenden Protagonisten. (vgl.
Berger 1997, S.53)

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Außer
Singspielen und Opern wurden zwischen 1757 und 1767
auch einige Schauspiele aufgeführt, dabei vor allem französische Komödien.
Da der
Herzog tragische Stoffe weniger mochte, fanden meistens seichte Salonstücke, den Weg auf die Bühne. Später werden auch Stücke von Shakespeare (Hamlet,
Macbeth, Richard III.) gespielt und auch deutschsprachige Stücke wie ▪
Gotthold
Ephraim Lessings
Dramen oder
▪
Goethes
▪
Drama »Götz von Berlichingen
werden aufgeführt. Trotzdem: Oper und Singspiele bleiben auch dann noch
vorherrschend.
Neben Singspielen und Opern und hin und wieder Schauspielen gehören zwischen
1760 und 1767
Ballettaufführungen unter Leitung von
»Jean-Gorges Noverre (1727-1910)
zum regelmäßigen Programm.
Die Geschichte des Opernhauses nach der Zurückverlegung der herzoglichen
Residenz nach Stuttgart im Jahre 1775 ist schnell erzählt: Es verfällt und
wird 1801/02 endgültig abgerissen. (vgl.
Sting 2005, S.415)
▪
Württemberg zur Zeit Herzog Carl Eugens (1728-1793)
▪
Konkurrenzkampf und Prasserei: Absolutistische Repräsentation
von Macht ▪
Versailles in Schwaben: Ludwigsburg zur Zeit Carl Eugens
▪
Höfische Festkultur zur Zeit Carl Eugens
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
26.09.2021
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