▪
Württemberg zur Zeit Herzog Carl Eugens (1728-1793)
▪
Konkurrenzkampf und Prasserei: Absolutistische Repräsentation
von Macht
▪
Fürst und Land - Verfassung in Württemberg
▪
Versailles in Schwaben: Ludwigsburg zur Zeit Carl Eugens
▪
Höfische Festkultur zur Zeit Carl Eugens
Von den zahlreichen
selbständigen Gebieten hat bis zur »
Arrondierung
("Abrundung") der zahlreichen Gebilde zu
zwei, bzw. einschließlich Hohenzollern, zu drei Staaten unter
»Napoleon Bonaparte (1769-1821), nur das Herzogtum Württemberg die Qualität eines
▪
Staates
mit einer allerdings auch nur "halbmodernen Landeshoheit" (vgl.
Schilling 1994a, S.135). Mit seinen 9.000 Quadratkilometern Fläche
bleibt es eine Macht
dritten Ranges. (vgl.
Fenske 1981, S. 15f.)
Württemberg ist wie
viele andere Territorien im Alten Reich bzw. »Heiligen
Römischen Reiches deutscher Nation (919 bis 1806) ein
dualistischer Ständestaat,
dessen "Grundprinzip" ist, dass "der hochadelige Landesherr
wesentliche Entscheidungen (Erhebung von Steuern, dynastische
Fragen, Entscheidung über Krieg und Frieden) nur in Abstimmung mit
den Ständen seines Territoriums treffen konnte." (Schorn-Schütte
2009, S.97)
Dass dieses
Grundprinzip in einem spannungsreichen Dualismus von Ständen und
Fürst, man sagte auch von Fürst und Land oder Fürst und Landschaft,
zu "ganz "unterschiedliche(n
Gewichtungen in der Ständeteilhabe und unterschiedliche(n) Gewichtungen
dessen, was als »absolute Herrschaft« des Landesherrn beschrieben werden
kann" (ebd.,
S.98), führte, zeigte sich auch am Beispiel Württembergs, das eine ganze
Reihe von Besonderheiten aufwies, die so in anderen vergleichbaren
Territorien mittlerer Größe nicht zu finden waren.
Die Grundlegung des württembergischen Ständestaates: Der Tübinger
Vertrag von 1514
Die wesentlichen politischen
Strukturen, die den Dualismus von Herrschaft
und Landschaft in Württemberg kennzeichnen und im Kern bis zum Ende des
Alten Reiches bzw. »Heiligen
Römischen Reiches deutscher Nation (919 bis 1806) im Südwesten
in erhalten bleiben, entstehen schon ca.
zweihundert Jahre bevor ▪
Carl Eugen (1728-93)
das Licht der Welt erblickt. Sie sind 1514 im
▪ Tübinger Vertrag zwischen dem Herzog, der Landschaft
(Gesamtheit der Städte und Ämter) und den Prälaten, sie
einschließlich der oligarischen Gruppe einflussreicher Familien (= ▪ "Ehrbakeit")
meinen wir, wenn wir in Württemberg von den Ständen sprechen,
niedergelegt.
Die
Landschaft, wie die "Stände" in
Württemberg auch genannt werden, wenn sie nicht als Ganzes die
vertragschließenden Parteien einschließlich dem Herzog bezeichnen,
erhalten darin vier zentrale, hoheitliche Rechte als Gegenleistung
für ihre Bereitschaft, sich an der Tilgung der herzoglichen Schulden
zu beteiligen:
-
Steuerbewilligung
-
Zustimmungsrecht bei Veräußerung von Landesteilen
-
Zustimmungsrecht bei Hauptkriegen
-
Grundrechte der Freizügigkeit und Gewährleistung von Person und
Eigentum vor Willkür
Die Begriffe, die
zur Beschreibung des Dualismus verwendet werden, sind dabei
unterschiedlich. Zum einen wird, gerade auch im Hinblick auf die
Besonderheiten im Herzogtum Württemberg vom Dualismus von Herrschaft
und Landschaft und nicht immer von Fürst und und Land oder Fürst und
Ständen gesprochen. Das hat verschiedene Gründe, die mit den
besonderen Strukturen der ▪
Ständegesellschaft in Württemberg in Verbindung gebracht werden
(▪ Adelsfreiheit,
Kommunalismus)
können.
Die Ausschussverfassung nach 1520
In einer Verordnung vom April 1515 wird festgelegt, dass die
Landtagsfähigkeit für Städte und Ämter auf die Stadtmagistrate übergeht. Aus
jeder Stadt soll, so sieht es das Wahlverfahren vor, ein (bürgerlicher)
Amtmann, ein Vertreter des Gerichts und ein Vertreter des Rats berufen
werden. Für die Prälaten und Ritter aus den reichsritterlichen Besitzungen
hält man an den herkömmlichen ungeschriebenen Verfahren fest.
1520/21 entsteht die so genannte
Ausschussverfassung, die 1553 ergänzt wird. Zwei Ausschüsse sind
seitdem an der Regierung beteiligt. Der Landtag ist die Versammlung der
Landschaft (Stände) des Landes.
-
Der
Engere Ausschuss,
bestehend aus 6 Städtevertretern und 2 Prälaten, hat drei
wesentliche Aufgaben. Er soll die Schuldentilgung des Herzogs
kontrollieren, kann alle landeswichtigen Angelegenheiten erörtern und
vor den Herzog bringen und hat das
Recht auf Selbstversammlung und Selbstergänzung.
-
Der
Große Ausschuss wird vom
Herzog zur Erörterung wichtiger Angelegenheiten einberufen. Der
große und der
engere Ausschuss darüber, welche
Finanzmittel dem Herzog zur Verfügung gestellt werden.
-
Im
Landtag verkörperten 4 Prälaten und 69
weltlichen Deputierten der Amtsstädte die Landstände. Im Auftrag der
Stände vertraten drei juristisch kompetente
Landschaftskonsulenten, die wohl auch als die einflussreichsten
Wortführer der ▪ Ehrbarkeit im Lande angesehen werden dürfen. (vgl.
Walter
1987, S.29f.) die Beschlüsse des Landtages nach außen.
Da es in dem ▪
"adelsfreien" Land nicht die üblichen Stände (Geburtsadel, Klerus
und Bürgertum) gab, bildeten die Prälaten und Bürger auch nur eine
einzige Kammer und tagten stets gemeinsam.
In der Zeit zwischen den Landtagen, die vom Herzog einberufen werden,
entscheiden die beiden ständigem Ausschüsse der Landschaft in Stuttgart.
Natürlich repräsentierte der württembergische Landtag, der vom Herzog einberufen
und wieder aufgelöst werden konnte, nur einen Teil der
württembergischen Bevölkerung.
Die Mitspracherechte, die er in der Politik
erlangte, blieben im Grunde auf die ▪
Ehrbarkeit und die städtische Oberschicht beschränkt. Nur etwa 60 der
ca. 1200 württembergischen Dörfer erlangten überhaupt die Landstandschaft und
können Vertreter entsenden. Es dauerte
bis ans Ende des 18. Jahrhunderts, ehe sie über Gemeindeversammlungen und Amtsversammlungen einen gewissen Einfluss auf den Landtag erhielten.
Dessen ungeachtet kamen in den Landtagen nicht nur die Interessen der Städte
zum Ausdruck, denn dazu waren die Verbindungen von Stadt und Amt in der Regel
zu eng. (vgl.
Fenske 1981., S.18)
Wer im Landtag Sitz
und Stimme erhält, ist also nicht vom Volk gewählt, sondern ist
Vertreter eines bestimmten Standes bzw. der Ehrbarkeit im Lande,
repräsentiert eine bestimmte Verwaltungseinheit wie z. B. Städte und
Ämter, Verwaltungsbezirke, deren führende Funktionen von Mitgliedern
der Ehrbarkeit bekleidet werden. Der "gemeine Mann", gewöhnliche
Untertan, wird von dieser Versammlung jedenfalls nicht
repräsentiert.
1514 ist nicht abzusehen, wie sich die Landschaft
weiterentwickeln würde. Daher findet sich im Tübinger Vertrag auch kein
Passus, der eine Rechenschaftspflicht der Landschaftsausschüsse gegenüber
der Landschaft vorsieht. Sie wird erst später eingeführt und dann auch vor
dem Landtag erfüllt.
Da den Ausschüssen zugleich noch das Recht zur
Selbstergänzung, der autonomen Zuwahl, eingeräumt wird, bilden sich
"innerhalb der Ausschüsse Cliquen bestimmter Familien, ja über Generationen
hinweg gleichsam Familiendynastien", die ihren Angehörigen hinreichende
Möglichkeiten verschafft, "Untunliches zu vertuschen". Auf nichts anderes
zielt das Wort »Vetterleswirtschaft« (Storz
1981, S.34), der wenigen hundert Familien, die sich "in dem engen
Ländchen zwischen Lauffen und Balingen, Hornberg und Lorch" bestens kennen,
"vielfach versippt und verschwägert" sind, "Bas und Vetter die ganze
Gesellschaft" (Lahnstein
1968, S. 10)
Die Kanzleiordnung von 1553
Herzog ▪
Christoph (1515-1568), der vierte regierende, protestantische
Herzog von Württemberg (erst der Vater von ▪
Carl Eugen (1728-93),
»Carl
Alexander (1664-1737), der als Heerführer im Dienst des katholischen
habsburgischen Kaisers diente, ist
1712 ▪
zum katholischen Glauben übergetreten!) schafft mit der
zweiten Kanzleiordnung
vom Mai 1553 eine frühmoderne Landesverwaltung. Sie bestand
an höchster Stelle aus drei Ratsgremien, die als
Zentralbehörden der württembergischen Landesverwaltung bis 1805
bestanden
-
Im
Oberrat für
Äußeres, Inneres, Polizei und Justiz wurden die politische
Aufgaben und Entscheidungen besprochen, gefällt
und die dafür nötigen Verordnungen erlassen.
-
Die Rentkammer war
für die Güter- und Finanzverwaltung zuständig.
-
Der
protestantische Kirchenrat regelte
die geistlichen Angelegenheiten des Herzogtums und
verwaltete das »Kirchengut
und dessen Erträge, die zweckgebunden vor allem für das
Bildungswesen eingesetzt wurden (vgl.
Walter 1987,
S. 31)
Solange ein Herzog minderjährig war, normalerweise war er das in
Württemberg bis zum 25. Lebensjahr (vgl.
Walter 1987,
S.58), sollte laut der Kanzleiordnung ein
»Geheimratskollegium
die Oberaufsicht über die wichtigsten Landesbehörden übernehmen.
Dies war beim Tod von
Herzog »Johann
Friedrich (1582-1628)
1628 der Fall, solange bis der habsburgische Kaiser
»Ferdinand
II. (1578-1637) im Jahr 1633 den Thronfolger
Herzog Eberhard
III.(1614-1674) für
volljährig erklärte.
Auf Drängen der Landschaft bzw. der
▪
oligarchischen Ehrbarkeit blieb der
Geheime Rat aber auch nach dem
Regierungsantritt Eberhards III. bestehen und war seitdem sowohl dem
Herzog als auch den Ständen verpflichtet.
Der Geheime Rat nach der Kanzleiordnung von 1660
Nach dem ▪
Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) wurde
in der neuen
Kanzleiordnung von 1660
bestimmt, wurde, dass der Geheime Rat fortan nur noch dem Herzog
verpflichtet war.
Seitdem waren die ▪
Mitglieder des Geheimen Rates der Landhofmeister, der Kanzler
und und drei weitere Leiter zentraler Behörden.
Von diesen insgesamt fünf Räten entstammten für
gewöhnlich drei Räte dem Adel und zwei dem Bürgertum.
Oberrat, Rentkammer
und Kirchenrat (Konsistorium) waren seither dem Geheimen Rat
unterstellt.
(»Mitglieder
des Geheimen Rats in Württemberg bis 1806)
Der Begriff "geheim" bedeutet in diesem Zusammenhang etwa wie
"vertraut", insgesamt drückt das Adjektiv in dieser Wortverbindung
wohl aus, dass Geheimräte als Staatsdiener das besondere Vertrauen
des Fürsten hatten und in seiner unmittelbaren Nähe und im Umgang
mit ihm ihre Aufgaben auch so verrichteten, dass das Vertrauen des
Fürsten gerechtfertigt war.
Landtage als Ständeversammlung in Württemberg
Der württembergische Landtag
repräsentiert wie alle Ständevertretungen seiner Art zu dieser Zeit nur einen Teil der
württembergischen Bevölkerung.
-
Die Mitspracherechte, die er in der Politik
erlangt, bleiben auf die städtische Oberschicht beschränkt.
-
Nur etwa 60 der
ca. 1200 württembergischen Dörfer erlangen die Landstandschaft und es dauert
bis ans Ende des 18. Jahrhunderts, ehe sie über Gemeindeversammlungen und
Amtsversammlungen einen gewissen Einfluss auf den Landtag erhalten.
Dessen ungeachtet kommen in den Landtagen nicht nur die Interessen der Städte
zum Ausdruck, denn dazu sind die Verbindungen von Stadt und Amt in der Regel
zu eng. (vgl.
Fenske 1981, S.18)
So wenig die
Herzöge ihrem eigenen Selbstverständnis nach darauf erpicht sind,
von den Landständen in ihre Angelegenheiten dreingeredet zu
bekommen, desto mehr ist die Landschaft daran interessiert, sich
möglichst häufig als ebenbürtiger Partner im Wechselspiel von Fürst
und Land zu positionieren. Insbesondere die Landtage, die
Versammlungen der Vertreter der Institutionen und Körperschaften der
Landschaft als Ganzes bot hier die "große Bühne". Aus diesem Grund
besaßen die Herzöge auch nur dann Interesse an ihrer Einberufung,
wenn es nicht anders ging.
Die
Landschaft wird,
als Ganzes gesehen, von den vertragsschließenden
Körperschaften der Stände gebildet, neben dem Herzog die Gesamtheit der Städte und
Ämter und die Äbte bzw. die Prälaten der Klöster bzw. nach Einführung der
Reformation verweltlichten Klosterämter.
»Hans-Georg Wehling
(*1938) (1991, S.17)
hat den
Staatsaufbau des dualistischen Systems in Württemberg
insgesamt mit einer Leiter verglichen, bei der "die Sprossen der
verschiedenen Verwaltungsebenen (...) sowohl durch einen herrschaftlichen
als auch einen landschaftlichen Holm zusammengehalten (werden), bis hinauf zum Herzog mit dem
Geheimen Rat bzw. dem Engeren Ausschuss der Landschaft." Zugleich präsentiere sich damit in
Württemberg der "Kommunalismus
als Staatsprinzip", indem sich der Staat korporativ von den Gemeinden
her aufbaue. (ebd.,
Hervorh. d. Verf.)
Zugleich sei aber
die Verfassungswirklichkeit eine andere gewesen, denn in Württemberg
hätte nicht die Gemeinden sondern eigentlich die oligarchische
▪ Ehrbarbeit das Sagen gehabt.
Trat der Landtag
zusammen, ging es stets um Geld, das der Herzog vom Land zur
Finanzierung seiner Bautätigkeiten, Hofhaltung und für seine
sonstigen, meistens nur der ▪
Repräsentation von Macht und dem Konkurrenzkampf der Höfe Europas um
Ansehen und Prestige geschuldet. Aber auch ein anderes Thema
stand dabei immer wieder auf der Tagesordnung: Willkürakte des
Herzogs, mit denen dieser die von ihm bei seinem Herrschaftsantritt
im Tübinger Vertrag von 1515 verbrieften Rechte der Stände
verletzte oder die ▪
Religionsreversalien
antastete.
Landtage konnten
nur vom Herzog selbst einberufen werden, der auch das Recht besaß,
die Versammlung wieder aufzulösen. Nicht selten kam es dazu, dass
die Stände bzw. die sogenannte ▪ "Ehrbarkeit",
ihre in den andauernden Auseinandersetzungen mit den Herzögen deren
Einberufung forderten, um im Rahmen der ihm zustehenden
Möglichkeiten der Steuerbewilligung der Verschwendungssucht des
Fürstenhauses zumindest entgegenwirken zu können. Ein ander Mal war
die Verschuldung des Herzogs einfach so groß, dass er gezwungen war,
den Landtag einzuberufen, um das Land zur Übernahme des
angewachsenen Schuldenbergs zu bewegen oder ihm mit neuen Steuern
weitere Finanzmittel zufließen zu lassen. Und: Dass das Land und die
Ehrbarkeit mit entsprechender Unterstützung von außerhalb, von
Seiten des Reichs zeigt die vom Landtag mit Unterstützung des
habsburgischen Königs und Kaisers
Maximilian I.(1459-1515) durchgesetzte Absetzung und
Landesverweisung des zweiten regierenden Herzogs »Eberhard
II. (1447-1504) im Jahr 1498.
Die Finanzverwaltung in Württemberg
Die Landschaft und
die oligarchische
▪ Ehrbarkeit musste zwar hinnehmen, dass der Herzog Landtage nach
eigenem Gutdünken einberufen und wieder auflösen konnte, besaß aber mit der
Kontrolle der landschaftlichen Finanzverwaltung ein
Instrument zur indirekten Einflussnahme auf die Politik im Lande.
Mit der Rentkammer gab es seit 1553 eine
Zentralbehörde unter Kontrolle der Landschaft, die
für die Güter- und Finanzverwaltung zuständig. Sie verfügte
allein über die Landschaftskasse, der Herzog konnte auf ihre Mittel
nicht direkt zugreifen.
Weil einem
eigenmächtigen Vorgehen des fürstlichen Monarchen dadurch enge
Grenzen gesetzt wurden, wird die Landschaft "durch ihre finanzielle Präpotenz zur Nebenregierung" (Storz
1981, S.33).
Bei der Lösung von landespolitischen Aufgaben im politischen
Tagesgeschäft ist sie aber nicht beteiligt.
Trotz der
vertraglichen Regelungen kommt es fortlaufend zu
Auseinandersetzungen des Herzogs mit den Landständen, mit dem
Kirchenregiment und der Ehrbarkeit, dabei kommt auch immer wieder
einmal zu " groben Rechtsbrüchen des Fürsten" (Lahnstein
1968, S.9) und zu "langen, mit Federfuchserfleiß und arger List
geführten Prozessen" (ebd.).
In solchen
Auseinandersetzungen handelt es sich aber nicht immer um
Willküraktionen eines fürstlichen Despotismus. Fürst und fürstliches
Kabinett vertreten dabei nämlich nicht selten den Fortschritt und
die Modernisierung, "während die Stände in der Regel auf
Altehrwürdigem (alt, nicht immer und durchaus ehrwürdig) zäh
verharren." (ebd.)
Sie wollten vor allem eines: die fürstliche Verschwendung begrenzen,
die immer Kosten verursachte, die das Steueraufkommen und
Wirtschaftskraft des Landes um ein Vielfaches überstiegen.
Der Herzog hatte
seine eigene Finanzverwaltung mit der herzoglichen Hof- und
Rentkammer (≠ Rentkammer der Landschaft
bzw. Landschaftskasse) an der Spitze, die die Einnahmen des Fürsten
und Kriegskasse verwaltete. Zwar musste die Landschaft auch die
Finanzen der Kriegskasse bewilligen, die ja dafür angelegt wurde,
dass Württemberg im Kriegsfall ausreichende finanzielle Mittel zur
Verfügung standen, allerdings behandelte der Herzog die in
halbjährlichen Turnus an seine Hof- und Rentkammer überwiesenen
Zahlungen wie sein eigenes Geld.
Wer Steuern zahlen
musste, war der Landschaft und nicht dem Herzog steuerpflichtig und
musste seine Steuern an die landschaftliche Finanzverwaltung abführen.
Das waren
vornehmlich direkte Steuern wie eine
Grundsteuer, bei der der Reinertrag des
Bodens veranlagt wird, eine Gebäudesteuer,
die für den halben Kapitalwert eines Hauses erhoben wird und
verschiedene Arten von Gewerbesteuern.
Nach und nach allerdings werden
indirekte Steuern immer beliebter, die dem Erfindungsreichtum
ihrer Erfinder keinerlei Grenzen zu setzen scheint.
Grundsätzlich waren
also "Staatsbudget und Privatschatulle" in Württemberg "nicht ein
und dasselbe, ganz im Gegensatz zu anderen deutschen und
ausländischen Fürstentümern." (Walter
1987, S. 31). Die schon im
▪
Tübinger Vertrag
(1514) angelegte und in den nachfolgenden Kanzleiordnungen (z.
B. 1553,1660)
institutionalisierte doppelte Finanzverwaltung war daher auch immer
eine auf Konflikt angelegte Struktur, die Spannungen im
dualistischen Ständestaat Württembergs beförderte.
Angesichts der
Tatsache, dass der Fürst nur über keine seinen Ansprüchen und
Bedürfnissen genügenden Finanzquellen verfügte und stets vom
Wohlwollen der Landschaft abhing, versuchte er sich immer wieder
andere Finanzquellen zu erschließen.
Insbesondere Herzog
▪
Carl Eugen (1728-93)
bzw. seine Finanzexperten erweisen sich dabei als äußerst
einfallsreich. So setzte der Herzog Zwangsanleihen beim Kirchengut
oder den Oberämtern durch, ließ Ämter verkaufen, führte eine
Klassenlotterie mit einer Zwangsabnahme von Losen durch die
Untertanen ein, ließ Steuerrückstände an die Landschaftskasse
eintreiben und führte sie seinen eigenen Finanzen zu und überschritt
mit vielen anderen Finanztricks auch unter Einsatz militärischer
Mittel den ihm von der Landesverfassung gesetzten Rahmen (vgl.
Walter
1987, S.213ff.)
Dazu müssen eine große Anzahl von Untertanen noch
»Frondienste leisten, die noch nicht in Renten umgewandelt worden
sind. Und auch die Einquartierung von Militär mit kostenloser
Verpflegung und Logis, die bis Carl Eugens umfangreichem Kasernenbau
in seiner Ludwigsburger Zeit insbesondere den Städtern zwangsweise
auferlegt wird, ist im Kern eine indirekte Steuer, die bei den
betroffenen Bürgern immer wieder für Unmut sorgt. (vgl.
ebd. S.29ff.) Insgesamt, so hat man geschätzt, hat sich ▪
Carl Eugen (1728-93)
auf diese Weise "widerrechtlich etwa fünf Millionen Gulden" an
sich gebracht, "wobei in diesen Betrag entschädigungslos enteignete
Ländereien im Wert von 730.000 Gulden sowie die dafür erzwungene
Fronen eingerechnet sind." (ebd. S.220).
Eine weitere,
einträgliche Quelle zur Erhöhung der vom Herzog allein
kontrollierten Einnahmen war das Geschäft mit Subsidien. Durch
▪ "Vermietung" von ausgerüsteten Soldaten an andere Mächte (Subsidienverträge)
kamen dabei beträchtliche Summen zustande.
Um sich nicht mit
den Landständen in Finanzfragen herumschlagen bzw. verständigen zu
müssen, ließ er seine berüchtigten Zwangsaushebungen vornehmen und
überstellte die zum Militärdienst gezwungenen Männer für ein Kopfgeld als sogenanntes
»Miet- bzw. Subsidienregiment
▪
Frankreich (1752) oder auch an die
»Niederländische
Ostindien-Kompanie.
Die »Niederländische
Ostindien-Kompanie war eines der größten Handelsunternehmen des 17.
und 18. Jahrhunderts mit besonderen Hoheitsrechten beim Landerwerb,
bei Kriegsführung und Festungsbau. Ihr "vermietete" ▪
Carl Eugen (1728-93)
eine ca. 3.200 Mann starke Truppe, die die Niederländer als das sogenannte
»Kapregiment (1786-1808), an das »Kap der guten Hoffnung
an der Südspitze Afrikas verschifften. Es sollte dort die Kolonialinteressen der Kompanie gegen britische
Ansprüche militärisch sichern und von dahin hinaus bis nach
Ostindien. Um die 100 Mann kehrten später von dieser Mission wieder
zurück. Die meisten anderen sind wohl an Krankheiten umgekommen,
wurden Opfer gewaltsamer Auseinandersetzungen oder blieben nach
Ablauf ihrer Dienstzeit in den niederländischen Kolonien.
Der Unmut und die
Unzufriedenheit der Bevölkerung als Ganzes, aber vor allem auch der
Landschaft, war groß und wuchs ständig. Allerdings hatte ▪
Carl Eugen (1728-93),
der während des »Siebenjährigen
Krieges an der Seite des katholischen habsburgischen Kaisers
ausgerechnet gegen die Garantiemächte der ▪
Religionsreversalien zu Felde zog, offenbar für eine Weile lang
die Trümpfe in der Hand und versuchte, die Landstände zu entmachten,
indem er u. a. er die württembergischen Ämter im Zuge einer
Neuorganisation der Zentralregierung unterstellen wollte und eine
sozial abgestufte Vermögenssteuer einführen wollte.
Allerdings
verschoben sich die Machtverhältnisse zwischen Fürst und Land bzw.
der oligarchischen ▪
Ehrbarkeit nach dem Siebenjährigen Krieg wieder, auch weil die
österreichischen Habsburger und sich politisch und militärisch
neu ausrichteten und im "Windschatten" der protestantischen
Garantiemächte konnten die Landstände verlorenes Terrain wieder
gutmachen. Im "Verfassungskampf", dem ▪
Rechtsstreit
zwischen dem Herzog und den Landständen von 1764 bis 1769 vor dem
Reichsgericht musste.
Am Ende musste der
Herzog im ▪
Erbvergleich von 1770, der
von England, Preußen und Dänemark garantiert wird, zähneknirschend die alten
Rechte der Landstände neu bestätigen und den Landtag und die Ausschüsse als
"corpus repraesentativum des gesamten lieben Vaterlandes" anerkennen
(vgl. Fenske 1981., S.19)
In der Folgezeit kann der Landtag indessen seine gewonnene
Popularität nicht in politische Stärke umsetzen, sondern verspielt
jene durch seine Tendenz zu einem eigenen Absolutismus, durch
Geheimniskrämerei und Vetternwirtschaft.
▪
Württemberg zur Zeit Herzog Carl Eugens (1728-1793)
▪
Konkurrenzkampf und Prasserei: Absolutistische Repräsentation
von Macht ▪
Fürst und Land - Verfassung in Württemberg
▪
Versailles in Schwaben: Ludwigsburg zur Zeit Carl Eugens
▪
Höfische Festkultur zur Zeit Carl Eugens
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
10.09.2023
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