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Das
pädagogische Konzept der Karlsschule
mit seiner institutionalisierten "Gemütsspionage" zur Durchsetzung von
Unerordnungsbereitschaft, Disziplin und gegenseitiger Konkurrenz ist allerdings nur
eine Seite der Medaille. Und so kann die Karlsschule auch nicht darauf
reduziert werden.
Auf der anderen Seite nämlich lässt sich eben nicht
bestreiten, dass das, was an der Karlsschule gelehrt wird, "durchaus im
Ideengut einer sich immer stärker ausbreitenden
Aufklärung (wurzelt)" (v.
Wiese 1959/1963, S. 23) An ihrer naturwissenschaftlich-praktischen
und utilitaristischen Ausrichtung hatte der Herzog nach seinen wilden
Jahren Gefallen gefunden. (vgl.
Safranski 2004, S. 34). Noch nahezu hundert Jahre nach seiner Auflösung
wird das Institut wohl auch deshalb und ausschließlich in höchsten
Tönen als "hohe Warte, eine Landleuchte für den Süden" gelobt
Pfeiffer 1905, S. 213) Im Nachhinein betrachtet, scheinen solche
Lobesworte indessen zu beschönigen, worum es dem Herzog wirklich geht,
nämlich sich eine persönlich von ihm abhängige Schar von
Verwaltungsfachleuten und Militärs heranzuziehen
Die Lehrer, die meistens nur wenige Jahre
älter als ihre Schüler sind, gehören zu "lebhaftesten und modernsten
Geistern der Tübinger Magister-Generation" (ebd.)

Da ist zunächst
Oberpräzeptor Johann Friedrich Jahn (1728-1800), der von der Ludwigsburger Lateinschule für einige Zeit
an die Karlsschule kommt und dort seine aufgeklärte, dogmenfreie religiöse
Position lehrt.
Professor Balthasar Haug
(1731-1792), der auch im Kreis der Ludwigsburger
Lesegesellschaft "Die Literaturfreunde" seine Vorträge hält, ist eine Zeit
lang als Lehrer für Ästhetik und schwäbische Literatur tätig. Die
Professoren
Jakob Friedrich Abel (1751-1829), Schott,
Kielmann und Nast haben, als sie an die Karlsschule kommen, ein gründliches
Studium bei Professor Ploucquet, dem einflussreichsten Vertreter der
Aufklärung in Württemberg, hinter sich. Schott lehrt Geschichte und tut dies mit
leidenschaftlichem Engagement für eine allgemeine Toleranz und mit
vorbehaltlosem Plädoyer gegen Tyrannei und Willkür. Zudem beschäftigt er
sich mit Universalgeschichte und den Vor- und Nachteilen von Monarchie und
Republik. Der vom Neuhumanismus beeinflusste Nast macht die Eleven mit den
Schriften von »Salomon Geßner
(1730-1788),
Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781), »Johann
Joachim Winckelmann (1717-1768) und
Johann Gottfried Herder (1744-1803) bekannt. Für die
Entwicklung Friedrich Schiller ist
Jakob Friedrich Abel (1751-1829), der Philosophie lehrt, der
wichtigste und einflussreichste Lehrer an der Karlsschule.
Was den Unterrichtsstoff anbelangt, wird in den voruniversitären Klassen im Allgemeinen gelehrt, was auch an
Lateinschulen im Land üblich ist. (→Bildung mit schwarzer Pädagogik: Lateinschule in Ludwigsburg)
Auf der höheren Stufe können dann Kameralwissenschaft, Jura, Forst- und Agrarökonomie und Medizin studiert
werden, zu denen stets noch ein Pflichtkurs in Philosophie kommt, die
"unmetaphysisch", nützlich und "nicht offen atheistisch" wirken darf
(Safranski
2004, S. 34). Außerdem
werden die Eleven in Altgriechisch unterrichtet und lernen Italienisch. Und
was im vierstündigen Vormittagsunterricht und den erst um 18 Uhr endenden Spätlektionen zu
lernen ist, wird auf vielfältige Weise, auch in Form von Preisausschreiben,
immer wieder abgeprüft. Permanenter Prüfungsdruck ist für die Eleven
alltäglich und die von militärischer Strenge gekennzeichnete
Unterrichtspraxis tut das ihrige, um ein Schulklima zu erzeugen, in dem
Misstrauen und Dauerüberwachung der Eleven den Gehorsam erzwingen, der von
einem künftigen Bediensteten des Herzogs erwartet wird.
Natürlich sind auch nicht alle Eleven dem Ganzen gewachsen. Und so kommt es
auch dazu, dass einzelne Eleven mit körperlichen Schwächen oder wegen
psychischer Erkrankungen die Anstalt frühzeitig wieder verlassen, und auch
Selbstmorde gehören dazu. (vgl.
ebd., S.37)
© Gert Egle, teachSam -
29.09.2013 |
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