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Rede von Johann Georg August Wirth (1832) auf dem Hambacher Fest (1832)

 Das Hambacher Fest 1832

 
GESCHICHTE
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Gründungsaufruf für den Presse- und Vaterlandsverein Johann Georg August Wirth, Januar 1832

Rede von »Johann Georg August Wirth (1798-1848) auf dem Hambacher Fest (1832) (Auszüge)
"Berufen von der Natur, um in Europa der Wächter des Lichts, der Freiheit und der völkerrechtlichen Ordnung zu sein, wird die deutsche Kraft gerade umgekehrt zur Unterdrückung der Freiheit aller Völker und zur Gründung eines ewigen Reiches der Finsternis, der Sklaverei und der rohen Gewalt verwendet. So ist denn das Elend unseres Vaterlandes zugleich der Fluch für ganz Europa. [...] Die Ursache der namenlosen Leiden der europäischen Völker liegt einzig und allein darin, dass die Herzoge von Österreich und die Kurfürsten von Brandenburg den größten Teil von Deutschland an sich gerissen haben, und [...] nicht nur ihre eigenen [...] Länder, nach orientalischen Formen beherrschen und deren Kräfte zur Unterdrückung der Freiheit und Volkshoheit der europäischen Nationen verwenden, sondern auch ihr Übergewicht über die kleineren Länder Deutschlands benützen, um auch die Kräfte dieser dem Systeme fürstlicher Alleinherrschaft und despotischer Gewalt dienstbar zu machen. Bei jeder Bewegung eines Volkes, welche die Erringung der Freiheit und einer vernünftigen Staatsverfassung zum Ziele hat, sind die Könige von Preußen und Österreich durch Gleichheit der Zwecke, Gesinnungen und Interessen an Russland geknüpft, und so entsteht jener furchtbare Bund, der die Freiheit der Völker bisher immer noch zu töten vermochte. Die Hauptmacht dieses finstern Bundes besteht immer aus deutschen Kräften, da Russland ohne die Allianz mit Preußen und Österreich ohnmächtig wäre und durch innere Stürme in Zerrüttung fallen würde. So riesenhaft daher die Macht des absoluten Bundes auch sein mag, so ist ihr Ende doch in dem Augenblicke gekommen, wo in Deutschland die Vernunft auch in politischer Beziehung den Sieg erlangt, d. h. in dem Augenblicke, wo die öffentlichen Angelegenheiten nicht mehr nach dem despotischen Willen eines Einzigen, nicht mehr nach den Interessen einer über ganz Europa verzweigten Aristokraten-Familie, sondern nach dem Willen der Gesellschaft selbst und nach den Bedürfnissen des Volkes geleitet werden. In dem Augenblicke, wo die deutsche Volkshoheit in ihr gutes Recht eingesetzt sein wird, in dem Augenblicke ist der innigste Völkerbund geschlossen, denn [...] das Volk gönnt [.. .] die Freiheit, Aufklärung, Nationalität und Volkshoheit auch dem Brudervolke: das deutsche Volk gönnt daher diese hohen, unschätzbaren Güter auch seinen Brüdern in Polen, Ungarn, Italien und Spanien. Wenn also das deutsche Geld und das deutsche Blut nicht mehr den Befehlen der Herzoge von Österreich und der Kurfürsten von Brandenburg, sondern der Verfügung des Volkes unterworfen sind, so wird Polen, Ungarn und Italien frei, weil Russland dann der Ohnmacht verfallen ist und sonst keine Macht mehr besteht, welche zu einem Kreuzzuge gegen die Freiheit der Völker verwendet werden könnte. [...] Europa ist wiedergeboren und auf breiten natürlichen Grundlagen dauerhaft organisiert. [...]
Wenn demnach die Reform Deutschlands so sehr im Interesse Frankreichs liegt, so scheint es natürlich, dass die deutschen Patrioten in ihrem schweren und ungleichen Kampfe gegen die Verräter ihres Vaterlandes ihre Hoffnung vorzüglich auf Frankreich setzen sollten. [...] Leider dürfen wir aber dieser Hoffnung uns noch nicht ergeben. Die gegenwärtig in Frankreich herrschende Partei, gestützt auf die ganze Masse der Reichen und Wohlhabenden, will um jeden Preis den Frieden erhalten. Ihr ist es nur um kleinliche materielle Interessen zu tun, sie begreift das wahre Bedürfnis Europas so wenig, als die Aufgabe des Jahrhunderts. Sie ist insbesondere völlig unfähig, sich zu der Idee zu erheben, dass Frankreich die Reform Deutschlands aus höheren politischen Rücksichten völlig eigennützig unterstützen müsse. Könnte daher diese Partei auch zu einer Unterstützung der Bewegung in Deutschland sich entschließen, so würde sie das linke Rheinufer als den Preis ihrer Hilfe fordern. [. ..] Von Frankreich haben wir daher im dem Kampfe um unser Vaterland wenig oder keine Hilfe zu erwarten. [...] Das Mittel liegt in einem Bündnisse der Patrioten zum Zwecke der Belehrung des gesamten deutschen Volkes über die Art und Weise der notwendigen Reform Deutschlands. Der Vaterlandsverein war bei seiner Gründung für diesen Zweck bestimmt. Wie aber derselbe inzwischen sich gestaltet hat, kann er den großen Zweck der Wiedergeburt des Vaterlandes nicht mehr erreichen, weil die Mitglieder desselben, und namentlich die Vorsteher den Zweck einer klar erkannten, bis in die Details genau bestimmten und konsequent zu verfolgenden Reform Deutschlands entschieden ableugnen und dem Vereine dafür den vagen und unbestimmten Zweck unterschieben, für die freieste Entwicklung patriotischer Gedanken über die Mittel zur Förderung des Wohls der deutschen Völker, die Unterstützung der ganzen Nation in Anspruch zu nehmen. Der Verein kann in einer solchen Weise zwar auch nützlich sein, allein den Zweck der deutschen Reform vermag er nie zu erreichen. Die Sehnsucht nach einem bessern politischen Zustande ist nämlich bei uns fast überall laut geworden.
Allein gerade über die Hauptsache, d. h. worin das Bessere bestehe, darüber ist noch Niemand einig, nicht einmal die Häupter der Opposition. So lange ein solcher Zustand besteht, ist die Opposition selbst planlos, und muss notwendig zur Verwirrung Anlass geben. [...] Wenn dagegen die reinsten, fähigsten und mutigsten Patrioten über die zweckmäßigste Reform unseres Landes sich verständiget und zugleich sich verbunden haben, um durch eigene Journale die öffentliche Meinung des Gesamtvolkes für diese Reform zu gewinnen [...], wenn sie in ihrer Sendung nie müde werden, nie erzittern, nie erbleichen, wenn sie alle Verfolgungen von Seite der Vaterlandsverräter mit Freudigkeit ertragen, wenn sie der Gewalt kein haarbreit weichen und lieber 1000 mal sich zermalmen lassen, als von ihrem heiligen Kampfe abzustehen, wenn endlich die guten Bürger in den lichtern Gegenden unseres Landes das Wirken solcher Männer durch Verbreitung deren Schriften öffentlich oder im Stillen unterstützen; ja fürwahr, dann wird, dann muss das große Werk gelingen. [...] Deutschland wird die Freiheit und den Frieden sehen, es wird zur herrlichsten Macht und Größe emporblühen. [...] Darum, deutsche Patrioten wollen wir die Männer wählen, die durch Geist, Feuereifer und Charakter berufen sind, das große Werk der deutschen Reform zu beginnen und zu leiten. [...] Dieser schöne Bund möge dann das Schicksal unseres Volkes leiten; er möge unter dem Schirme der Gesetze den Kampf für unsere höchsten Güter beginnen; er möge unser Volk erwecken, um von innen heraus, ohne äußere Einmischung, die Kraft zu Deutschlands Wiedergeburt zu erzeugen; er möge auch zu gleicher Zeit mit den reinen Patrioten der Nachbarländer sich verständigen, und wenn ihm Garantien für die Integrität unseres Gebietes gegeben sind, dann möge er immerhin auch die brüderliche Vereinigung suchen, mit den Patrioten aller Nationen, die für Freiheit, Volkshoheit und Völkerglück das Leben einzusetzen entschlossen sind. Hoch! dreimal hoch leben die vereinigten Freistaaten Deutschlands! Hoch! dreimal hoch das konföderierte republikanische Europa!

(aus: Johann Georg August Wirth, Das Nationalfest der Deutschen in Hambach, Neustadt 1832 (Neudruck 1981), S. 41 ff., dt. Orthografie modernisiert)

Biographische Autornotiz
»Johann Georg August Wirth (1798-1848), politischer Schriftsteller des Vormärz; Jurastudium an der Universität Erlangen, dort 1817 Mitglied im Corps Franconia; nach dem Scheitern seiner juristischen Karriere 1831 Übersiedlung nach München; Tätigkeit als Redakteur der regierungstreuen Cottaschen Zeitschrift; nach Wechsel des politischen Lager Gründung der Zeitschrift "Deutsche Tribüne". Gerät immer wieder mit der Staatsmacht in Konflikt, versucht aber unbeirrt die Lücken der Zensur zu finden, um für die die Erweiterung der bürgerlichen Freiheiten und Rechte einzutreten. Seine Hoffnung, in der zum bayerischen Königreich gehörenden Pfalz (Rheinbayern) mehr Spielraum für seine publizistische Tätigkeiten zu finden, erfüllt sich nicht. 1832 wird seine Zeitung vom Bundestag des Deutschen Bundes verboten. Im Mai 1832 ist Wirth Mitorganisator des Hambacher Fests, wo er eine Rede hält; wird mit Siebenpfeiffer und weiteren elf weiteren Wortführern des Pressvereins verhaftet und in einem Hochverratsprozess in der Festung Landau vor Gericht gestellt; dank der pfälzischen Geschworenengerichtsbarkeit kommt es aber beim Freispruch der Angeklagten.  Im November 1833 werden Wirth und Siebenpfeiffer wegen Beleidigung inländischer und ausländischer Behörden vor dem  Zuchtpolizeigericht, bei dem keine Geschworenen mitwirken konnten, zu einer zweijährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Während Siebenpfeiffer der Haft durch Flucht in die Schweiz entkommt, lässt Wirth einen Befreiungsversuch pfälzischer Sympathisanten ungenutzt, muss seine Haft ohne Anrechnung seiner 22 Monate dauernden Untersuchungshaft in Kaiserslautern absitzen. Nach seiner Freilassung wird er in Hof unter Polizeiaufsicht gestellt, flieht allerdings 1836 nach Frankreich und von dort in die thurgauische Schweiz. 1840 gab er die in Konstanz erscheinende "Deutsche Volkshalle" heraus und verfasst eine Geschichte der Deutschen (Stuttgart 1843-45, 4 Bde.; 4. Aufl., fortges. von Zimmermann, 1860-62); 1847 Umsiedelung nach Karlsruhe; wird in den überwiegend zu den thüringischen Kleinstaaten zählenden preußischen Fürstentümern als Abgeordneter des preußischen Fürstentums Schleiz-Lobenstein, in die deutsche Nationalversammlung gewählt, verstirbt jedoch bald darauf am 26. Juli 1848  kurz nach der Eröffnung der ersten deutschen Nationalversammlung in der Paulskirche zu Frankfurt.

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Gründungsaufruf für den Presse- und Vaterlandsverein Johann Georg August Wirth, Januar 1832

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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 12.10.2023

    
   Arbeitsanregungen:
  1. Arbeiten Sie heraus, welche politischen Ziele Wirth verfolgt.

  2. Vergleichen Sie diese Ziele mit denen der Redner Siebenpfeiffer und Hochdörfer.

  3. Analysieren Sie die Rede und ihre rhetorisch-kommunikative Gestaltung mit Hilfe des Fragenkatalogs zur systematischen Analyse politischer Reden. (vgl. fächerübergreifend: Textanalyse politischer Reden)

 
   
 

 
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