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Nach
dem Sieg über das nationalsozialistische Deutschland, den die
Anti-Hitler-Koalition gemeinsam errungen hatte, war die Situation in
Deutschland und Europa nicht mehr wie vor dem Krieg. Die USA und die
Sowjetunion traten an die Stelle jener europäischen Mächte, welche die
Geschicke
Europa
lange Zeit entscheidend beeinflusst hatten. Die Zerstörungen des Krieges
und die daraus folgende Europa als Ganzes kennzeichnende politische,
ökonomische und gesellschaftliche Krise schufen ein Machtvakuum, das von
den USA und der UdSSR ausgefüllt wurde. Ohne sie war eine neue
Friedensordnung in Europa nicht mehr herzustellen. In Deutschland waren
alle staatlichen Strukturen des NS-Regimes zerschlagen und auch in
etlichen anderen Staaten Europas gab es lange Zeit keine stabilen
politischen Systeme und legitimierte Regierungen, die an einer neuen
europäischen Friedensordnung wie z. B. auf dem Wiener Kongress oder nach
dem Ersten Weltkrieg hätten mitgestalten können. (vgl.
Kaelble 2011,
S.27)
Zwar hatten sich die Alliierten mit der →Atlantik-Charta
(USA-GB, 1941), der sich auch die Sowjetunion angeschlossen hatte,
auf bestimmte Grundprinzipien einer europäischen Nachkriegsordnung
verständigt, in der vor allem das Selbstbestimmungsrecht der Völker
unantastbar sein sollte. Doch diese Prinzipien fielen schon bald nach
Kriegsende den taktischen und strategischen Sicherheitsinteressen zum
Opfer, welche die ehemals Verbündeten fortan gegeneinander entwickelten.
Dabei kam aber auch zum Vorschein, dass das Konzept internationaler
Beziehungen nach dem Krieg, wie es dem amerikanischen Präsident »Franklin
D. Roosevelt (1882-1945) wohl vorschwebte, angesichts der neuen
Realitäten nicht umzusetzen war. Seine Vision von der Einen Welt (One-World-Vision),
in der alle voneinander abhängig sind und geben wie nehmen müssen, um in
einer friedlichen Welt leben zu können, fand in »Josef
Stalin (1878-1953), dem sowjetischen Machthaber keinen Unterstützer.
Diesem schien nämlich schon längst klar zu sein, dass :am Ende der
militärisch-politischen Zusammenarbeit in der Anti-Hitler-Koalition der
auf entgegengesetzte und unversöhnliche Ideologien gegründete
machtpolitische Gegensatz zwischen dem von der Sowjetunion
repräsentierten Sozialismus und dem von den USA angeführten
Imperialismus der kapitalistischen Welt über kurz oder lang in eine
globales Ringen der beiden neu formierten Vormächte des Westens und des
Ostens münden musste. Trotzdem: Es gab, wie
Herbert (2014,
S.558) betont, "neben aller interessenbezogenen Machtpolitik auch ein(en)
zukuftgsgewisse(n) Idealismus [..], wonach jetzt, nach dem
schrecklichsten aller Kriege, Anlass und Gelegenheit bestanden, die
Voraussetzungen für dauerhaften Frieden und Gerechtigkeit zu schaffen."
Dass sich "die großen, utopischen Menschheitsziele - Frieden,
wirtschaftliche Blüte, soziale Gerechtigkeit und Beseitigung von Hunger
und Krankheit"
(ebd.) unter diesen Bedingungen auch mit den neuen Formen der
"internationalen Gemeinschaft" wie den
Vereinten Nationen (1945 gegründet) angesichts der im Kampf gegen
Nazi-Deutschland nur übertünchten (macht-)politischen und ideologischen
Gegensätze nicht würden realisieren lassen, konnte freilich, im
Nachhinein besehen, nicht wirklich überraschen. Eher überraschend war
dagegen die Tatsache, wie schnell sich die Entfremdung des Westens und der Sowjetunion
vollzog.
Was sich in den Jahren nach dem Kriegsende bis etwa 1948/49 ereignete,
zeichnete sich allerdings schon auf
den
großen →alliierten
Kriegskonferenzen in →Teheran
(1943) und →Jalta
(Febr. 1945) ab. Schon in diesen Konferenzen hatte Stalin keinen
Zweifel daran gelassen, dass er auch gegen Einwände der Westalliierten
seine Pläne für die territoriale Umgestaltung Osteuropas in den von der
Roten Armee eroberten Gebieten (z. B. Westverschiebung Polens und damit
die Legitimierung der von Hitler und Stalin 1939 vorgenommenen Teilung
Polens) in Angriff nehmen würde. (Erwähnt werden muss in diesem
Zusammenhang aber auch, dass es sich um Gebiete handelte, die sich Polen
im
Krieg mit dem bolschewistischen Russland 1920 völkerrechtswidrig
angeeignet hatte.)
Als sich die →Großen
Drei (USA, GB, UdSSR) schließlich in der »Potsdamer
Konferenz (Juli/Aug. 1945) trafen, um Vereinbarungen über die
Zukunft des besiegten und von alliierten Truppen besetzten Deutschlands
zu treffen, waren die entscheidenden Würfel vielleicht schon gefallen,
die für das künftige Verhältnis des Westens zur Sowjetunion nichts Gutes
erwarten ließen. Was im Potsdamer Abkommen beschlossen wurde, waren so
Malinowski
(1985, S.44) "lauter falsche Kompromisse", die geradezu zwangsläufig
gewesen seien, wenn man berücksichtige, dass "drei Großmächte mit
grundverschiedenen Gesellschaftssystemen und Ideologien (…) ein Land
(beherrschten), in dem es keine Regierungen und keine Verwaltungen mehr
gab.“
Die Frage danach, ob die USA oder die Sowjetunion hauptverantwortlich
für die Entwicklung zum Kalten Krieg gewesen sei, ruft heute über 25
Jahre nach dem Ende des Kalten Kriegs 1989 keine Richtungsdebatte unter
Historikern mehr hervor. Wie
Hobsbawm (1995,
S.298f.) betont, ist man heute geneigt, "sich den historischen
Vermittlern anzuschließen, die die Schuld in der gegenseitigen Angst
suchten, die so lange in der Konfrontation eskalierte, bis sie die
beiden 'hochgerüsteten Lager unter ihren gegensätzlichen Bannern zu
mobilisieren begann' (Walker)." Wenn heute also im Allgemeinen betont
wird, dass "unter den damals gegebenen Umständen beide Supermächte aus
unterschiedlichen Gründen starke Motive für den Eintritt in den Kalten
Krieg besaßen" (Kaelble
2011, S.27), sollte vielleicht dennoch nicht vergessen werden, dass,
zumindest was "den apokalyptischen Ton des Kalten Krieges" (Hobsbawm
1995, S.298f.) anbelangte, die USA die Szene beherrschten und mit
Präsidenten wie Harry S. Truman, "dessen kämpferisches Temperament auch
vor der Gefahr der Simplifikation nie zurückschreckte" (Guggisberg
1979, S.234). Diesem Präsidenten sei, so Guggisberg weiter, der
Angriff stets als beste Verteidigung erschienen, "und von einmal
gewonnenen Einsichten pflegte er nicht mehr abzuweichen." Wer heute, z.
B. in der Ukraine-Krise (2014) die mehr als nur diplomatischen Appelle
zu sprachlicher Mäßigung, zur Bedeutung unterschiedlicher Wahrnehmungen
des Konflikts von russischer und westlicher Seite zur Kenntnis nimmt,
wird auch in den von Guggisberg und Hobsbawm erwähnten Aspekten mehr als
nur ein atmosphärisches Beiwerk sehen.
In
der unmittelbaren Nachkriegszeit standen auch in Deutschland die Zeichen
nicht unmittelbar auf Konfrontation. Bis zur Pariser
Reparationskonferenz (Beginn Now. 1945 bis Juli 1946) überwiegt wohl
immer noch der Wille der Siegermächte, zu einer Einigung und zu einer
gegenseitigen Verständigung über ihre unterschiedlichen Interessenlagen
zu kommen. Deutschland jedenfalls wollte man gemeinsam regieren und auch
die
Bestrafung der Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen
Militärtribunal (IMT) in Nürnberg war noch ein bemerkenswertes
gemeinsames Projekt der ehemaligen Alliierten. Danach freilich taten
sich zwischen den Mächten in drei weiteren Phasen immer weitere
Widersprüche auf. (→Die
Entstehung der Ost-West-Konfrontation: Phasen). Nach und nach kommt
es dabei zu einem Kurswechsel gegenüber der Sowjetunion. Zunächst einmal
musste die One-World-Vision Franklin D. Roosevelts (s.o.) dran glauben,
als der britische Premierminister
Winston Churchill (1874-1964) in einer Rede in Fulton (Missouri) am
5. März 1946 in Anwesenheit des US-Präsidenten Truman davon sprach, dass
von Stettin an der Ostsee bis nach Triest an der Adria der "Eiserne
Vorhang" (iron curtain) niedergegangen sei und niemand mehr davon
ausgehen könne, dass die Sowjetunion sich in ihrem davon begrenzten
Machtbereich von irgendeiner anderen Macht hereinreden lassen würde.
Seine Warnungen vor der sowjetischen Gefahr mündeten in der
Aufforderung, dem sowjetischen Machtanspruch künftig mit der
Demonstration militärischer Stärke zu begegnen. Im Jahr 1947
vollziehen die Vereinigten Staaten mit der von US-Präsident »Harry
S.Truman (1884-1972) abgegebenen Erklärung (→Die
Truman-Doktrin (1947) den Kurswechsel zur so genannten »Containment-Politik,
mit der nach den Erfahrungen im »griechischen
Bürgerkrieg (1946-49) im März 1947 fortan der behauptete sowjetische
Expansionismus eingedämmt werden sollte. Mit dem gleichen Ziel
forcierten die USA ihre Anstrengungen, Europa mit den »Marshall-Plan-Krediten
wirtschaftlich wieder aufzubauen und ihr ökonomisches System des freien
kapitalistischen Marktes und einer freien Weltwirtschaft nicht nur auf
die west-, sondern auch auf die unter sowjetischen Einfluss geratenen
osteuropäischen Staaten zu übertragen. Als das Vorhaben von der
Sowjetunion als "imperialistisch" abgelehnt wurde, ist damit
Deutschland, Europa, ja die Welt zwischen Ost- und West geteilt.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
23.11.2014
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