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[…]
Bis jetzt ist die deutsche Revolution nichts anderes gewesen als
ein Versuch zur Überwindung des Krieges und seiner Folgen. Ihr erster
Schritt war daher der Abschluss eines Waffenstillstandes mit den
feindlichen Mächten und der Sturz der Führer des alten Systems. Die
nächste Aufgabe aller entschiedenen Revolutionäre besteht darin, diese
Errungenschaften aufrechtzuerhalten und sie zu erweitern.
Wir sehen, dass der Waffenstillstand, über den die gegenwärtige Regierung
mit den feindlichen Mächten verhandelt, von diesen zur Erdrosselung
Deutschlands benutzt wird. Das aber ist mit den Zielen des Proletariats
unvereinbar; denn eine solche Erdrosselung würde weder mit dem Ideal eines
dauernden noch eines menschenwürdigen Friedens übereinstimmen.
Nicht ein Friede des Augenblicks, nicht ein Friede der Gewalt, sondern ein
Friede der Dauer und des Rechts, das ist das Ziel des deutschen wie des
internationalen Proletariats. […]
Solange der Kapitalismus besteht, sind - das wissen alle Sozialisten sehr
wohl - Kriege unvermeidlich. Welche Ursachen sind es gewesen, die zum
Weltkriege getrieben haben? Die Herrschaft des Kapitalismus bedeutet die
Ausbeutung des Proletariats; sie bedeutet eine ständige und ungehemmte
Ausdehnung des Kapitalismus auf dem Weltmarkt. Hier stoßen in scharfem
Kontrast die kapitalistischen Mächte der verschiedenen nationalen Gruppen
zusammen. Und dieser wirtschaftliche Zusammenstoß führt mit Notwendigkeit
zuletzt zu einem Zusammenstoß der politischen und militärischen Waffen -
zum Kriege. Man will uns jetzt mit der Idee des Völkerbundes zu beruhigen
suchen, der einen dauernden Frieden zwischen den verschiedenen Staaten
herbeiführen soll. Als Sozialisten sind wir uns völlig klar darüber, dass
ein solcher Völkerbund nichts anderes ist als ein Bündnis der herrschenden
Klassen der verschiedenen Staaten untereinander - ein Bündnis, das seinen
kapitalistischen Charakter nicht verleugnen kann, gegen das internationale
Proletariat gerichtet ist und einen dauernden Frieden nie zu garantieren
vermag. […]
Den Weltkrieg durch einen dauernden und menschenwürdigen Frieden
abzuschließen, das also allein vermag die Tatbereitschaft des
internationalen Proletariats. So lehrt es uns unsere sozialistische
Grundauffassung.
Jetzt, nach diesem ungeheuren Morden, gilt es fürwahr ein Werk aus einem
einzigen Guss zu schaffen. Die ganze Menschheit ist in den glühenden
Schmelztiegel des Weltkrieges geworfen worden. Das Proletariat hält den
Hammer in der Hand, um daraus eine neue Welt zu formen.
Nicht nur unter dem Kriege und seiner Verwüstung leidet das Proletariat,
sondern im Prinzip an der kapitalistischen Gesellschaftsordnung, der
wahren Ursache dieses Krieges. Die kapitalistische Gesellschaftsordnung zu
beseitigen, das ist die einzige Rettung des Proletariats aus dem dunklen
Verhängnis seines Schicksals.[…]
Noch ist das Eisen warm, jetzt müssen wir es schmieden. Jetzt oder nie!
Entweder wir gleiten zurück in den alten Sumpf der Vergangenheit, aus dem
wir in revolutionärem Anlauf versucht haben, uns zu erheben, oder wir
setzen den Kampf fort bis zum Sieg und zur Erlösung, bis zur Erlösung der
ganzen Menschheit von dem Fluche der Knechtschaft. Damit wir dieses große
Werk, die größte und erhebendste Aufgabe, die der menschlichen Kultur je
gestellt worden ist, siegreich vollenden, dazu muss das deutsche
Proletariat zur Aufrichtung der Diktatur schreiten.
(aus: Karl Liebknecht, Was will der Spartakusbund?
Rede in den Unionsfestsälen in der Hasenheide in Berlin, 23. Dezember
1918, in: ders., Ausgewählte Reden und Aufsätze, Berlin (DDR) 1952,
S.505-520)
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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
27.09.2023